Problem von Anonym - 16 Jahre

Sehr schüchtern/soziale Phobie?

Hallo, ich habe seit mehreren Monaten das Problem, dass ich in der Schule mich in vielen Fächern gar nicht mehr melde und in ein paar wenigen nur mit sehr großer Angst und auch nur sehr selten. Ich bin von Natur aus ein sehr schüchterner Mensch, allerdings hat sich diese Schüchternheit ziemlich verstärkt. Ich bin eigentlich immer schon sehr gut in der Schule gewesen, habe aber derzeit mündlich sehr große Probleme. Ich bin jetzt in der elften, die Noten zählen also schon fürs Abi. Ich habe in meinen LK-Klausuren 15 Punkte, aber mündlich bin ich so schlecht, dass ich mir das Zeugnis versaue. Ich schaffe es einfach nicht, mich zu überwinden. Ich bin ziemlich verzweifelt. Das frustriert mich ziemlich und ich bin deswegen auch unglücklich. Vor allem, weil jeder Lehrer mir sagt, ich solle mich mehr melden, weil Ichs doch kann, meine Freunde verstehen es nicht richtig und meine Eltern auch nicht. Und auch unter den Freunden und in der Familie traue ich mich einfach nicht, zu reden. Ich ziehe mich immer mehr zurück.
Ich weiß aber nicht, ob das nur starke Schüchternheit ist, oder so etwas wie eine soziale Phobie.

Lan Anwort von Lan

Liebe Ratsuchende,

danke, dass du uns geschrieben hast. :)

Ich kann dich sehr gut verstehen, dass es dich sehr frustriert, dass du aufgrund deiner stärkeren Schüchternheit nicht so gut in den mündlichen Prüfungen abschneidest. Dass dich das sehr herunterzieht, kann ich insofern nachvollziehen, da ich selbst auch ein sehr schüchterner Mensch bin, der vor allem eben mit der mündlichen Mitarbeit, Referaten oder Prüfungen zu kämpfen hatte.

Zuerst einmal habe ich dir einige hilfreiche Beiträge verlinkt, die sich mit dem Thema Schüchternheit und Sozialer Phobie befassen. Vielleicht kannst du da bereits Anregungen und Tipps für dich finden:

https://mein-kummerkasten.de/135394/Soziale-Phobie.html
https://mein-kummerkasten.de/index.php/333418/Selbstzweifel-Unsicherheit-Soziale-Angst.html
https://mein-kummerkasten.de/166160/Extreme-Sozialphobie-bitte-helft-mir.html


Ängste akzeptieren und verstehen lernen

Du fühlst eine starke Schüchternheit. Aber bedenke: Du bist nicht deine Schüchternheit. Sie definiert dich nicht, du bist mehr als das. Aber sie scheint ein Teil von dir zu sein. Momentan fühlst du dich deswegen schlecht und unglücklich. Es fällt dir schwer, sie zu akzeptieren, das spüre ich. Aber es ist wichtig, dass du sie nicht verdrängst und schlecht redest. Es gibt einen Grund, weswegen sie da ist. Sie will dich vielleicht vor etwas schützen, vor peinlichen Situationen, vor Bewertungen. Sie will nicht, dass du verletzt wirst. Versuche mal, deine Schüchternheit aus einer anderen positiveren Perspektive zu sehen.

Aber dich auch gleichzeitig ein wenig von ihr zu lösen. Du hast sicherlich viele tolle Eigenschaften, die du an dir magst und gut findest. Denke auch über diese nach.

Du schreibst, dass sich deine Schüchternheit ziemlich verstärkt hat. Kannst du dich daran erinnern, seit wann es stärker geworden ist? Oder kannst du dir denken, woran es vielleicht liegen könnte? Das kannst du ruhig für dich beantworten.

Beschäftige dich mit deiner Schüchternheit und mit deinen Ängsten dahinter. Welche Situationen ängstigen dich? Warum meldest du dich jetzt weniger als vorher? Machst du dich selbst klein? Gibt es etwas, was du an dir nicht magst oder denkst du schlecht von dir? Gibt es etwas, wofür du dich schämst?

Wenn du dir solche und ähnliche Fragen stellst, kannst du dich und auch deine Ängste besser verstehen und vielleicht Wege finden, besser damit zurechtzukommen.

Du leidest anscheinend auch an dem äußeren Druck. Die Sprüche von Lehrern, dass man doch mehr kann und mehr zeigen soll, kenne ich aus meiner Schulzeit leider auch zu gut. Das hat nicht wirklich motiviert, sondern eben nur mehr Druck gemacht. Es ist traurig, dass du dich von deinen Eltern, Freunden und Lehrern unverstanden fühlst. Das kann sehr einsam machen, das verstehe ich.

Du schreibst, dass du auch unter Freunden und in der Familie Angst hast, etwas zu sagen. War das früher auch so? Oder nicht? Was denkst du, könnte der Auslöser dafür sein? Ist etwas zwischen euch vorgefallen? Gab es bei dir Probleme? In welchen Situationen merkst du weniger Angst?


Hilfe suchen

Ich würde dir raten, dich an deinen Klassenlehrer oder Vertrauenslehrer oder vielleicht auch Schulsozialarbeiter zu wenden. Diese hören dir zu und könnten mit dir gemeinsam herausfinden, welche Hilfsmöglichkeiten es für dich vor allem im schulischen Bereich gibt.

Wenn das weiterhin so bleibt oder vielleicht auch schlimmer wird, rate ich dir unbedingt, fachliche Hilfe zu suchen. Es bringt nichts, im Internet zu recherchieren und selbst herauszufinden, ob es eine soziale Phobie ist oder nicht. Das könnte dich nur mehr verunsichern und verrückt machen, mehr belasten. Darum wäre professionelle Hilfe angebrachter, da dir auch gezielt geholfen und Orientierung gegeben werden kann.

Ein Weg wäre, eine Psychotherapie zu beginnen oder erst einmal ein paar Sitzungen mitzumachen, damit festgestellt werden kann, ob es sich um eine soziale Phobie oder auch nur Schüchternheit handelt. Das kann nur ein Psychotherapeut feststellen.
Falls dir das erst einmal zu kompliziert ist, kannst du dich auch an eine Beratungsstelle in deinem Ort wenden, wo du auch anonyme Hilfe erhalten kannst.


Mein Weg aus der extremen Schüchternheit

Obwohl bei mir nie soziale Phobie festgestellt wurde, gehe ich stark davon aus, dass ich zumindest gewisse Züge hatte, da das weitaus mehr als nur eine Schüchternheit war.

Jedenfalls will ich dich ermutigen, aktiv zu werden. Du musst dich nicht weiter so belasten und unglücklicher werden. Du kannst Hilfe suchen und auch Hilfe annehmen. Aber dazu gehört eben auch dazu, dass du deine Ängste überwindest. Das klingt leichter gesagt als getan, aber ohne dich wird sich nichts ändern. Aber keine Sorge, du musst da nicht alleine durch.

Ich habe mir damals keine Hilfe gesucht, ich hatte nur eine gute Freundin und habe alles ansonsten allein mit mir ausgemacht. Das hat am Ende geklappt, aber war eben der schwierigere Weg. Wenn ich damals Hilfe geholt hätte, wäre mein Leidensweg kürzer gewesen, denke ich.
Wenn ich damals gewusst hätte, dass man auch in Therapie gehen und sich mit Gleichbetroffenen in Selbsthilfegruppen austauschen kann, dann hätte ich es getan. Dann wäre vieles anders und leichter verlaufen.

Am Ende habe ich es auf meine Art und Weise geschafft, besser mit meiner Phobie umzugehen. Ich habe da auch viel an mir selbst, meinem Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein gearbeitet, mich überwunden, auf andere zuzugehen. Ich bin außerdem einer Theatergruppe beigetreten, bin nach dem Abitur in eine andere Stadt gezogen, habe dort neue Leute kennengelernt und auch viele neue Hobbys angefangen. Mir hat das damals sehr geholfen, aktiv zu werden und mich meiner Angst immer wieder zu stellen. Natürlich war es oftmals sehr unangenehm, aber bereut habe ich es nie. Ich war danach immer stolz.

Nun möchte ich dich auch ermutigen, dich zu überwinden. Dabei solltest du aber nicht zu viel von dir verlangen und zu große Schritte machen. Es reichen auch kleinere Schritte. Mach das in deinem Tempo und überfordere dich nicht.
Habe mehr Vertrauen in dich selbst. Du hast alles in dir, was du brauchst, du kannst stark und mutig sein, ich glaube an dich.

Ich hoffe, ich konnte dir einige Anregungen geben.

Melde dich gerne, wenn du Fragen hast. Ich wünsche dir alles Gute, ganz viel Mut und Stärke!


Viele Grüße,
Lan