Problem von Anonym - 29 Jahre

wünsche meine Kindheit zurück

Guten Tag Kummerkasten-Team, ich finde es echt schön das Ihr versucht zu jedem Problem einen vernünftigen Rat zugeben.

Nun zu meinem Anliegen:

Ich selber bin ein Mann mit 29 Jahren - nächstes Jahr schon 30, leider.
Oft fühle ich mich mit 29 Jahren (war auch schon mit 28 und 27 Jahren so) wie ein
alter "Opa" , ich weiß nicht warum das so ist, ist aber nun mal so.
Meine Kindheit war wenn ich zurückblicke einfach schön, vor allem man war
geschützt und geborgen .
Man konnte faxen und Blödsinn machen und es nahm einem niemand wirklich übel.
Alle andere haben sich ja die Eltern gekümmert - sei es Schriftkram, Geld usw. .

Meine Jugendzeit war auch OK.
Jedoch schimmerte da schon etwas mehr der graue Alltag hindurch, als vorher wo man ein Kind war.
Als Jugendlicher war mir schon bewusst das man sich bald beruflich orientieren muss und man Schritt für Schritt sich unabhängiger macht .

Ab meinem 18. Geburtstag (2010) fiel alles komplett wie ein Kartenhaus zusammen.
Meine beruflichen Ideen - meine Traumwelt - die ich als Kind (teilweise auch noch als Jugendlicher) hatte, war plötzlich unrealistisch und moralisch nicht mehr vertretbar.
Wobei ich mit 16 und 17 Jahren hin gefiebert habe "bald bin ich 18 Jahre und kann endlich machen was ich will" , dies stellte sich jedoch als Trugschluss heraus.

Wenn ich Heute oft Kinder und Jugendliche sehe werde ich immer etwas traurig und beneide die Kinder, weil die noch ihr ganzes Leben vor sich haben.
Häufig kommen mir die Gedanken, wie schön es wäre noch einmal 15 oder 10 Jahre jung zu sein.
Zudem ich noch anmerken muss, dass ich schon das große Glück hatte meine Kindheit und Jugendzeit -OHNE PANDEMIE- ganz normal erleben durfte.

Danke im voraus für Ihren Rat und bleibt alle Gesund !

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Es freut mich, dass du unsere ehrenamtliche Arbeit zu schätzen weißt und dich gerne an uns gewandt hast.
Auch freut es mich, dass du deine Kindheit so verbringen konntest, wie wir es wohl jedem einzelnen Kind wünschen würden.

Die Menschen gehen sehr unterschiedlich mit ihrem Alter um. Es gibt jene, die vor der Zahl 30 eine deutliche Abneigung zeigen (sicherlich auch stark gesellschaftlich geprägt), andere fühlen sich noch mit 54 Jahren nicht richtig erwachsen. Es gibt Kinder und Jugendliche, die sich niemals richtig unbeschwert gefühlt haben - und das nicht unbedingt nur, weil sie vom Umfeld so schlecht behandelt worden sind, sondern weil sie z.B. geistig anders drauf sind bzw. ihr Nervensystem viel mehr Reize zulässt. Das macht ernsthaft und nachdenklich. Es gibt, kurz gesagt, nicht DIE ideale Kindheit oder DIE normale Biografie. Manche kommen erst als junge Erwachsene in die Pubertät, andere schon sehr früh, wieder andere merken kaum etwas davon und die nächsten rebellieren bei jeder Gelegenheit und fühlen den Umbruch sehr intensiv. Ich schreibe das deswegen, weil ich glaube, dass ein Teil deines Problems auch daher rühren könnte, dass du bestimmte Erwartungen gehabt hast, die sich nicht erfüllt haben. Je mehr wir davon ausgehen, etwas müsse in einer bestimmten Weise passieren, damit es "richtig" sei, desto eher können wir verstört, demotiviert und verunsichert werden, wenn es anders kommt. Dabei ist Leben genau das: Nicht planbar und immer wieder voller Überraschungen!

Du schreibst, dass dein beruflicher Traum "geplatzt" ist. Nun wäre das ja sehr spannend gewesen. Hast du dich einmal gefragt, warum die diesen Traum nicht wieder aufleben lässt? Vielleicht fühlst du dich u.a. deswegen so alt, weil du deine Visionen fallengelassen hast. Wenn du das, was dich begeistert (egal in welchem Bereich), ignorierst, kann dein inneres Feuer nicht lodern. Du brauchst Begeisterung, Enthusiasmus in deinem Alltag! So kannst du dich agil fühlen, bist dynamisch und voller Tatendrang. Weil du überzeugt bist von deiner Mission, deinem Job, deinen Kontakten. Du brennst für sie, weil es dir selbst entspricht. Und das macht sowas von lebendig, egal wie alt du bist!

Ja, als jugendlicher Mensch sickert dann immer mehr aus der "Erwachsenenwelt" in den Alltag. Auch von den Pflichten und Verantwortungen. Nun, ich sehe es so: Pflichten und ungeliebte Tätigkeiten gibt es, nicht alle gefallen uns. Wir können sie aber schnell hinter uns bringen, um dann möglichst viel Zeit mit schönen Dingen zu verleben. Oder wir teilen die Pflichten, belohnen uns auch mal, machen angemessene Pausen. Verantwortung zu haben bedeutet doch nicht nur, dass dir etwas aufgebürdet wird. Es sind auch neue Gelegenheiten und schöne Empfindungen, die dabei auftreten können. Du kannst lernen, dein Bewusstsein dahingehend zu erweitern, dass dein Leben als Erwachsener sehr reichhaltig und bunt sein kann - wenn du es zulässt!
Genauso zum Blödeln, Faxen machen: Ich bin mir sicher, dass du das jetzt auch noch tun kannst - mit den passenden Leuten. Dass du dich jetzt nicht unbedingt in die Straßenbahn stellst und dann laut und schräg ein Lied anstimmst, sondern das daheim mit ein paar Vertrauten machst, ist sicherlich auch okay - aber auch das könntest du tun! Da kommt ja nicht gleich die Polizei, nur weil du gegen eine Norm verstößt. ;) Erlaube dir ruhig mehr, deinen spontanen Impulsen zu folgen :)

Was mir außerdem ins Auge gestochen ist, ist das Motiv Geborgenheit/Geschütztheit. Mir scheint es so, als ob du dich jetzt so "ausgeliefert", "nackt" fühlst. Kann das sein? Falls ja, wäre meine nächste Frage bzw. deine Aufgabe an dich, wie du dich als Erwachsener selbst geborgen fühlen kannst, ohne dich von der Umwelt abschirmen zu müssen. Denn letztlich ist ja beides möglich: In sich ruhend durch die Welt zu gehen, mit offenem Herzen und dem Selbstvertrauen, niemand Anderes zum Schutz bzw. für die Heilung zu brauchen.
Es kann psychologisch gesehen sehr viel dahinter stecken - falls du Lust auf eine tiefere Auseinandersetzung mit deinem ICH hast (eigentlich immer empfehlenswert, ob allein oder mit Unterstützung), würde ich dir eine psychologische Beratung bzw. ein Coaching empfehlen (Stichworte: Life Coaching, psychologisches Coaching). Dein Thema ist sehr klassisch für ein Coaching und da könnte bestimmt viel herausgearbeitet und für dich zum Besseren gewandt werden :)
Ich muss aber auch erwähnen, dass du dabei durchaus mit abklären lassen solltest, ob eventuell eine Depression vorliegen könnte. Das wäre dann aber kein Bereich mehr für ein Coaching, sondern müsste anderweitig angegangen werden (ärztlich/therapeutisch).
Sofern du interessiert an einer ganzheitlichen/spirituellen Sichtweise wärst, könntest du auch eine entsprechende Sitzung in Erwägung ziehen. Stichwort Ahnen, frühere prägende Erfahrungen, Flüche, etc.

Du hast auch noch sehr viel vor dir, zumindest statistisch gesehen auf deine Lebensjahre gerechnet. Doch wenn du deine Zeit damit verschwendest, in der Vergangenheit zu schwelgen, kannst du nicht richtig in der Gegenwart ankommen. Aber genau das wäre so wichtig.
Ich habe vor Kurzem eine Zuschrift beantwortet, die in eine ähnliche Richtung geht wie deine. Diese würde ich dir gerne als Ergänzung meiner Antwort zeigen. https://mein-kummerkasten.de/333504/Ich-habe-Angst-vor-dem-aelter-werden.html

Ich wünsche dir alles Liebe, ebenfalls Gesundheit und viel Erfolg beim Angehen deiner Themen!
Nuala