Problem von Anonym - 22 Jahre

Mein Vater ist ein Narzisst

Hallo,

ich bin mittlerweile so verzweifelt und ratlos, dass ich mich hier melden musste. Ich habe das Gefühl, wenn ich mein Problem hier ausspreche, dann geht es mir besser.
Eigentlich kann ich mich nicht über mein Leben beklagen. Aber mein Vater macht unser Leben zur Hölle. Er hat manchmal seine aggresiven Anfälle, Wutausbrüche und Nervenzusammenbrüche. Er möchte, dass meine Mama, meine Schwester und ich so handeln, wie er es gerne hätte. Er möchte, dass wir immer seine Regeln befolgen, ansonsten wird er wütend und schreit uns an. Ich kann das langsam nicht mehr hören. Es ist mir peinlich, dass er sich so verhält. In der kompletten Nachbarschaft hört man sein Gebrülle. Meine Mutter wurde sogar einmal vom Nachbarn angesprochen, ob alles bei uns in Ordnung ist. Es ist ihm auch egal, wo wir uns gerade befinden. Ob zu Hause, drausen, beim Einkaufen, neben Verwandten und Freunden, er schreit überall rum. Jeder schaut uns an. Am meisten leidet meine Mutter wegen ihm. Mein Vater macht sie einfach psychisch so fertig. Er beleidigt sie, stellt sie bloß, attackiert sie mit irgendwelchen Vorwürfen. Ich sehe wie meine Mutter leidet, wie sie nur noch aus Zwang mit ihm zusammen ist. Ich befinde mich gerade in einer wichtigen Phase. Ich werde mich bald verloben und in unserer Kultur ist das sehr wichtig angesehen. Deshalb kann sich gerade meine Mutter auch nicht von meinen Vater trennen, damit die Leute sich nicht direkt ein Bild von uns machen. Mein Vater hat kein Mitleid. Wenn man vor ihm weint und ihn darum bettelt damit aufzuhören, wird er nur noch lauter und aggressiver. Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir ihm in diesem Moment nur bestätigen, dass er ein schlechter Mensch ist und er deswegen so handelt. Er versucht zwar immer uns was gutes zu tun, indem er sich beispielsweise um die Reperatur meines Autos kümmert oder indem er mehr arbeitet. Deswegen denkt er, dass er etwas besonderes ist und dass wir ihn dafür ehren sollten. Wäre er nicht so aggressiv und würde wegen jeder Kleinigkeit so rumschreiben, würden wir das vielleicht sogar. Jeder sieht wie er ist meine Oma, mein Opa meine Tante, aber niemand unternimmt etwas. Jeder sagt nur man soll ihn so akzeptieren und einfach ein Auge zudrücken und still sein, wenn er seine Anfälle hat. Wir haben mit ihm so oft geredet, dass er sich ändern muss, dass es nicht normal ist wie er drauf ist. Wir haben ihm sogar darum gebeten Hilfe zu suchen. Wir haben alles versucht, damit er sich endlich ändert. Wir haben auch gesagt, dass wir ihn immer unterstützen würden. Er ändert sich aber nicht. Es hat nichts gebracht. Er ist vielleicht 1 2 Tage ruhig, aber danach geht es wieder los. Besonders bekommt es meine 14-jährige Schwester ab. Sie befindet sich gerade in der Pupertätphase und kann nicht so vernünftig denken wie wir . Deshalb legt sie sich gerne mit meinem Vater an und die komplette Situation eskaliert. Es herrscht Terror im Haus. Wie oft mein Vater nach einem riesen Streit, seine Koffer gepackt hat und gegangen ist für paar Tage und danach wieder gekommen ist und wir uns bei ihm entschuldigen mussten damit er bleibt. Ich weis nicht mehr weiter. Bitte helft mir

Vielen Dank.

Lan Anwort von Lan

Liebe Ratsuchende,

ich danke dir, dass du dich uns anvertraut hast. Es freut mich, dass du mit dem Schreiben das Gefühl hast, dass es dir damit besser geht.

Das klingt nach einer wirklich schwierigen Familiensituation. So hart wie es ist: Ihr müsst das nicht länger ertragen, ihr müsst nicht Opfer bleiben und deinem Vater ausgeliefert bleiben. Ihr entscheidet, dass ihr euch ab sofort nicht mehr von ihm fertig machen lasst.
Es gibt immer Mittel und Wege und diese müsst ihr schnell finden.

Ich finde es großartig, dass ihr mit ihm darüber geredet und auch alles versucht habt, damit er an sich arbeitet. Aber das Problem ist eben: Man selbst kann andere nicht ändern, nur der andere kann sich ändern. Und solange er das nicht einsieht, wie notwendig das ist, solange wird dein Vater sich auch nicht ändern. Akzeptieren wäre natürlich auch eine Möglichkeit, aber in eurem Falle halte ich das für sehr schwer, zumal es vor allem auch deine Mutter sehr belastet. Man kann nur bis zu einem bestimmten Grad etwas akzeptieren.


Grenzen setzen

So sehr ich verstehen kann, dass ihr versucht, diese Streitigkeiten und Anfälle deines Vaters zu vermeiden, so wichtig ist es auch, ihm zu zeigen, dass es auch Grenzen gibt. Wenn ihr dann doch nachgebt und das tun solltet, was er will, wird er denken, dass ihr alles mit euch machen lasst.

Du schreibst, dass dein Vater nach Streits auch mal gegangen und wieder gekommen. Hat er euch dann dazu gezwungen, euch zu entschuldigen, damit er bleibt?
Es ist leichter gesagt als getan: Aber was wäre, wenn ihr euch nicht entschuldigen würdet? Wie würde er darauf reagieren?


Mit Mutter sprechen

Sprich unbedingt nochmal mit deiner Mutter, erzähle ihr, wie es dir gerade geht, dass du dir auch Sorgen um sie machst und gerne eine Lösung gemeinsam mit ihr finden willst. Sie soll auch die Möglichkeit haben, das, was sie bedrückt, zu erzählen.

Es geht jetzt nicht darum, wie das auf andere wirkt. Das hat niemanden zu interessieren. Und es stellt sich mir die Frage: Was ist wichtiger: Das öffentliche Ansehen oder das eigene Wohlbefinden, die Gesundheit, die unter deinem Vater leidet?
Was andere davon denken, spielt nichts zur Sache. Die Familienangelegenheiten gehen niemanden etwas an außer euch. Darum lege ich euch ans Herz: Löst euch von irgendwelchen gesellschaftlichen Erwartungen. Schaut mehr auf das, was ihr wollt und was ihr nicht wollt. Deine Mutter sollte lernen, auf ihre eigenen Bedürfnisse zu hören und nicht mehr aus Zwang bei ihm bleiben, wenn es euch offensichtlich nicht gut tut.

Auch wenn eine Trennung jetzt nicht in Frage käme, könnte deine Mutter versuchen, Distanz schaffen.
Du kannst deiner Mutter zeigen, dass du sie, wenn sie sich trennen will, unterstützen wirst. Sprich ihr Mut zu, ihr könnt das gemeinsam durchstehen.

Mache dir aber nicht dafür verantwortlich, wenn sie weiter in dieser Ehe bleiben will oder nicht. Du kannst sie nur unterstützen, aber ihr nicht die Entscheidung abnehmen. Was du in der Hand hast, ist, dass du dich aus dieser toxischen Beziehung zu deinem Vater löst.


Kontakt abbrechen

Wenn das so ist, dass er sich nicht ändern will, dann bleibt euch eigentlich nur eine Möglichkeit, wenn ihr euch selbst schützen wollt: einen Schlussstrich ziehen, den Kontakt abbrechen. Den Kontakt zum eigenen Vater und Mann abzubrechen ist alles andere als leicht. Doch wenn der Kontakt zu ihm mehr schadet und belastet, als dass er gut tut, dann wird es Zeit, loszulassen.

Vielleicht hilft es zunächst mal, das anzusprechen. Ich bin zwar kein Freund davon, ein Ultimatum zu setzen. Aber in solch einer drastischen Situation ist es vielleicht eine Möglichkeit, um noch das zu retten, was zu retten ist. Und wenn sich immer noch nichts ändert, müsst ihr stark bleiben und das auch durchziehen.

Denn dein Vater will sich vermutlich nicht helfen lassen. Er sieht es nicht ein, dass er euch mit seinem Verhalten sehr verletzt und belastet. Für ihn ist alles gut, solange die Familie intakt ist und alle machen, was er will. Vielleicht muss er erstmal sehen, wie schnell sich das ändern kann und was er zu verlieren hat? Das klingt hart, aber in so einem schweren Fall wäre vielleicht angebracht. Lass dir das bitte durch den Kopf gehen.

Ein kompletter Kontaktabbruch ist schon sehr hart und will gut überlegt sein. Wenn das zu drastisch ist, könntest du auch darüber nachdenken, den Kontakt zu minimieren.


Hilfe von außen suchen

Ich würde euch dringend ans Herz legen, eine Familienberatungsstelle aufzusuchen. Das klingt für mich auch sehr nach emotionalem Missbrauch. Vor allem deine Mutter wird sehr darunter zu leiden haben. Vielleicht wäre der Besuch eines Psychotherapeuten für euch beide gut, um zumindest mit jemandem darüber zu sprechen, der nicht daran beteiligt ist.

Vielleicht gibt es bei euch auch Selbsthilfegruppen für Narzissten, die auch für Angehörige eine Anlaufstelle sein können. Dort könntet ihr euch mit anderen Betroffenen austauschen und Anregungen finden, mit dem Problem zurechtzukommen.


Ich habe dir noch einige Beiträge verlinkt, die zu deinem Problem passen. Schau doch gern mal rein:
https://mein-kummerkasten.de/332680/Mein-Vater-macht-Meine-Mutter-und-mich-seit-16-Jahren-fertig.html
https://umgang-mit-narzissten.de/die-perversen-kommunikationstechniken-eines-narzissten/
https://umgang-mit-narzissten.de/hilfe-im-umgang-mit-narzissten/
https://umgang-mit-narzissten.de/narzissten-in-der-familie/
https://narzissmus.info/narzisstische-vaeter/

Ebenfalls eine tolle Anlaufstelle ist Nummer gegen Kummer, dort gibt es auch ein Elterntelefon. Möglicherweise ließe sich deine Mutter dazu bewegen, dort anzurufen und sich beraten zu lassen.
https://www.nummergegenkummer.de/

Auch die TelefonSeelsorge ist eine Anlaufstelle, bei der du spontan anrufen kannst, wenn es gerade ganz schlimm für dich ist: 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 (Anruf ist kostenfrei).


Ich wünsche dir und deiner Familie wirklich alles Gute, alles Liebe und viel Kraft und Mut.

Viele Grüße,
Lan