Problem von Cornelia - 64 Jahre

Meine Verwandten wollen keinen Kontakt mehr mit mir

Datum: 25.11.21

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte Ihnen hier mein Problem schildern:

Es verletzt mich sehr, daß meine Verwandten (mütterlicherseits) keinen Kontakt mehr mit mir wollen.
Zu Lebzeiten meiner Mutter, die im Jahr 2013 verstorben ist, bestand zu ihr und diesen Verwandten (sie wohnen bei X) ein reger Kontakt. Die Verwandten kamen auch oft zu ihr zu Besuch aufs Land bei . , dort haben wir ein Haus.
Ich möchte dazu sagen, daß wir keine streitsüchtigen Menschen sind, es gab bei uns nie Streit oder eine Auseinandersetzung.
Ich habe noch viele Fotos, wo die drei Cousinen zu Besuch waren. Sie haben immer gerne fotografiert, das tue ich eben auch gerne.
Nun ist meine Mutter im Jahr 2013 verstorben und ich bin ganz alleine. Ich bin Single, nicht verheiratet, keinen Freund, ich habe keine Geschwister, keinen Vater und Großvater, Tanten mehr, sie sind alle tot.
Gerade deshalb ist man (bzw. bin ich) nun bestrebt, mit den noch lebenden Verwandten in Kontakt zu bleiben oder sich wenigstens zu Weihnachten oder zum Geburtstag einmal zu schreiben oder zu telefonieren.
Als meine Mutter noch gelebt hat, war ich beruflich in X und war voll ausgelastet mit meinem Beruf als Sekretärin. Da hatte ich keine Zeit, mich um Familienfeste zu kümmern oder hinzufahren.
Nun bin ich seit diesem Jahr in Rente und habe Zeit und auch das Bedürfnis, mit den Verwandten wieder einmal zu reden, zu erzählen, sich zu besuchen etc.

Aber diese Verwandten, wohnhaft bei X, es handelt sich um eine Cousine und ihre Schwester (verheiratet, 2 Kinder), lehnen grundlos den Kontakt mit mir ab. Ich weiß nicht warum, es ist nichts vorgefallen, da ich ja nicht da war. Wir haben uns bestimmt 20 Jahre nicht mehr gesehen.
Ich habe nun auch an das dortige Pfarramt geschrieben und das Problem geschildert. Doch es kam nur die Antwort: "Man war dort und hat mit den betreffenden Personen gesprochen, aber sie haben es abgelehnt." -
Das war sehr niederschmetternd für mich. Denn wir sind in etwa im gleichen Alter, die beiden Cousinen sind nun auch um die 60 Jahre, so wie ich. Früher habe ich immer Karten zum Geburtstag und zu Weihnachten von ihnen bekommen und wir haben uns gegenseitig besucht. Sie waren 1 x im Jahr zu Besuch bei meiner Mutter, bis zum Jahr 2008.

Was würden Sie mir raten ?

Für eine baldige Antwort wäre ich sehr dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

Cornelia

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Cornelia,

Danke für deinen Bericht!
Ich habe aus Datenschutzgründen alle Orte und deinen Nachnamen sowie deine Adresse zensiert.

Ich fühle auf jeden Fall mit dir. Es ist hart, eine solche Wendung erleben zu müssen - nicht nur zwischenmenschlich, sondern auch übergeordnet in diesen turbulenten Zeiten und gerade jetzt, wo du ja mehr Zeit hast und dich nach dem Kontakt sehnst.

Leider bin ich genauso ratlos wie du. Wir können ja nicht in die Köpfe deiner Verwandten blicken. Vielleicht wissen sie es auch selbst nicht so genau. Wobei dagegen spräche, dass sie sich auch vor dem Pfarrer so vehement gegen einen neuen Kontakt mit dir ausgesprochen haben. Das klingt ein wenig so, als hätten sie für sich genommen durchaus Gründe. Es ist schade, dass du sie nicht erfahren durftest. Dann hättest du wenigstens eine Erklärung. So bleibt viel Ungewissheit, die beim Verarbeiten dieser Situation erschwerend wirkt.

Was ich mir noch am ehesten vorstellen könnte - aber bitte sieh es mir nach, ich kenne eure gemeinsame Geschichte ja nicht - dass du dich für ihre Begriffe damals zu rar gemacht hast. Möglicherweise gab es bei den wenigen Treffen dann noch etwas, was ihnen sauer aufgestoßen war - und so kam eines zum Anderen. Das wäre zumindest relativ typisch: Menschen haben wenig Kontakt, werden sich fremder, dann kommt etwas Unangenehmes hinzu... Manchmal ziehen es die Leute dann vor, einen kompletten Schlussstrich zu ziehen. Insbesondere dann, wenn sie Informationen erhalten haben, die das Gegenüber, also dich, in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Wer weiß. Leider gibt es ja üble Nachrede, Gerüchte usw. Das kann man ja oftmals gar nicht so steuern, was da über eine:n geredet wird. Schon gar nicht aus der Distanz heraus. Wenn es Personen geschickt anstellen, kann da ein dauerhafter Keil in Verbindungen getrieben werden.

Es kann aber auch ganz anders gewesen sein. Wie schon geschrieben: Eigentlich ist Spekulieren müßig, aber vielleicht hilft es dir weiter, dass du keine Schuld in dem Sinne hast.
Angenommen, sie haben sich schlichtweg von ihren Persönlichkeiten her verändert, dann liegt das nicht in deiner Macht. Manche werden auch durch besondere Ereignisse "speziell", haben eine neue Weltsicht, in der du aus einem bestimmten Blickwinkel heraus keinen Platz mehr hast.

Vermutlich wird dir nichts Anderes übrig bleiben, als die Kontaktverweigerung zu akzeptieren. Das ist etwas Langwieriges, ein Trauerprozess. Dabei können dir geschulte bzw. themenerfahrene Personen auch beistehen. Ich denke da z.B. an eine Selbsthilfegruppe (zumindest für betroffene Eltern gibt es das vielfach, sicherlich auch genereller), einen Gesprächskreis, eine Familienberatungsstelle. Du kannst dich ja einmal bei dir in der Gegend umsehen, was angeboten wird. Einfach mal darüber reden und sich austauschen zu können ist ungemein wohltuend! Besonders dann, wenn andere Betroffene genau wissen, wie du dich fühlst und ihre Erfahrungen beisteuern können.

Falls du sagst: Ich will noch einen letzten Versuch unternehmen, weil es mir keine Ruhe lässt - nun, dann könntest du einen Brief senden. Du könntest schreiben, dass du ihren Wunsch akzeptierst, aber dich auch über eine Begründung zum Kontaktabbruch freuen würdest. Dass es dir helfen würde, nachzuvollziehen und dann besser abschließen zu können (wenn dem so wäre). Du könntest auch signalisieren, dass sie immer bei dir willkommen sind, auch in den kommenden Jahren. Wenn du das offen und erwartungsfrei schreiben würdest, wäre das sicherlich okay. Du kannst deine Zuneigung zum Ausdruck bringen, das ist immer etwas sehr Schönes und auch Befreiendes. Und falls du es beispielsweise bereuen solltest, früher so wenig Zeit gehabt zu haben, könntest du das benennen.
Es gibt hier kein richtiges oder falsches Handeln. Wenn du dich damit gut fühlst, es noch einmal zu probieren, dann kannst du es tun. Nur sollte dir bewusst sein, dass du nichts erwarten kannst und es sehr wahrscheinlich (vorläufig) keine Reaktion geben würde. Du hast dann aber etwas Wichtiges geschafft: Du hättest deinen guten Willen gezeigt und einen Teil zur Bewältigung dieses Kummers geleistet. Was dann daraus wird, bliebe dahingestellt.
Falls du sie nicht direkt kontaktieren willst, aber gerne alles aufschreiben möchtest, was dir im Kopf herumgeht und was du fühlst, könntest du auch einen Brief aufsetzen, der ohne Empfänger-Adresse auf die Reise geht. Oder den du erstmal aufhebst. Ein Tagebuch hilft außerdem, die eigenen Gefühle und Gedanken zu ordnen und sich zu erleichtern.

Tina Soliman hat zu Kontaktabbrüchen Bücher geschrieben, die "Funkstille. Wenn Menschen den Kontakt abbrechen" (Klett-Cotta Verlag) und "Der Sturm vor der Stille. Warum Menschen den Kontakt abbrechen" heißen. Sie wären als Begleitung bestimmt super für dich.

Losgelöst von deinem Anliegen habe ich den Eindruck, dass dir sozialer Anschluss dienlich wäre. Sei es über einen Verein, eine ehrenamtliche Tätigkeit, ein Nachbarschaftsnetzwerk usw. Wir brauchen andere Menschen - besonders in Zeiten der Pandemie wird der Zusammenhalt wichtiger denn je. Vielleicht hast du ja Lust, dich nach neuen Ufern umzusehen. Gerade bei bestimmten Hobbys und Interessen kann das toll sein, sie mit Gleichgesinnten durchzuführen. Das bringt nicht nur zwischenmenschlichen Mehrwert, sondern auch Ablenkung und Lebensfreude. Denn deine Rentenzeit kannst du absolut genießen.

Ich habe dir noch etwas zum Nachlesen zusammengestellt:
* https://www.tagblatt.ch/leben/alle-bruecken-abgebrochen-wenn-menschen-jeglichen-kontakt-verweigern-ld.1085063
*https://www.medizin-im-text.de/2020/30184/kontaktabbruch-tut-weh/
* https://www.weekend.at/magazin/funkstille-verwandte-weihnachten/55.540.904
* https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/familie-weil-sich-probleme-jahrelang-anstauen-bleibt-fuer-manche-nur-der-kontaktabbruch
* https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/wenn-menschen-den-kontakt-abbrechen-a-824688.html
* https://www.welt.de/vermischtes/article147222291/Wenn-die-Familie-den-Kontakt-abbricht.html


Ich wünsche dir alles Liebe und Gute,
Nuala