Problem von Anonym - 20 Jahre

Psychische Probleme

Ich bin 20 Jahre alt, lebe in der Stadt und bin in perfekten Familienverhältnissen aufgewachsen. Mir ist nie etwas Schlimmes zugestoßen und meine Familie zeigte jeden einzelnen Tag Interesse und ihre Liebe mir gegenüber. Grundsätzlich dürfte ich mich also nicht einmal im Ansatz beschweren. Ich habe mein Abitur mit Bestnoten bestanden und bin jetzt am Studieren. Und dennoch bringt mein Kopf mich um... Ich wache morgens auf und denke darüber nach wie es mir geht und mit geht es immer beschissen. Jedes Mal versuche ich mich abzulenken, mich mit Netflix und Instagram zu betäuben, durch Tagträume der Realität zu entfliehen, nur um dann Abends fast an allem zu ersticken. Ich bin nicht in der Lage auch nur eine Beziehung zu führen, weder freundschaftlich noch auf höherer Ebene. Mein Kopf schreit mich nahezu an, keinem auch nur irgendwas zu erzählen, von mir, meinen Träumen oder einfach wie verdammt beschissen es mir geht. Sobald ich auch nur im Ansatz daran denke mich jemanden anzuvertrauen fühle ich mich gut, habe keine Probleme mehr und das Gefühl mir alles nur einzureden. Wenn ich darüber nachdenke Hilfe zu suchen bemerke ich, dass ich mir das alles nur irgendwie einrede. Ich verletze mich manchmal körperlich einfach nur um mir zu beweisen, dass es mir wirklich schlecht geht... Dabei ist es nicht das was mich fertig macht, das macht mein Kopf. Ich habe das Gefühl ich quäle mich mental, eher auf psychischer Ebene und irgendwie brauche ich das auch. Ich möchte, dass es mit schlecht geht! Ich will fast durchdrehen und an meinen Gedanken zerbrechen, weil wenn ich das nicht kann, dann fühle ich mich leer und das ist ein grauenvolles Gefühl. Ich habe das Gefühl die Realität erdrückt mich plötzlich und wenn ich mich dann von allen distanzieren, Freundschaften abbreche aus keinen Grund, einfach nur weil ich mich sicherer ohne sie fühle (weil ich keinen brauche), bin ich wie in einer Blase. Eine Blase die mich versucht umzubringen, aber mich trotzdem am Leben erhält. Es ist als würde ich ein Kampf mit mir selber führen. Ich möchte nicht alleine sein, aber ich kann einfach keinem Vertrauen. Ich möchte irgendwie leben, aber kann nicht aufhören darüber nachzudenken einfach all die Last loszulassen. Einfach nicht mehr denken zu müssen, fühlen zu müssen oder gar zu existieren. Ich will nicht sterben, aber ich will einfach nicht mehr Leben. In dem einen Moment geht es mir unglaublich gut und ich bin in der Lage alles mögliche zu machen und im nächsten ist es ein Kampf aufzustehen. Ich bin gereizt und kann keinem zuhören der auch nur irgendwie anstrengend ist. Mir ist alles zu anstrengend. Nach der Definition bin ich ein 1a Narzisst. Jeden Tag dreht sich in meinem Kopf alles nur um mich, es macht mich verrückt. Ich habe meine Symptome gegoogelt, Erfahrungsberichte gelesen und mir Dokus angeschaut. Wenn ich mich selbst einordnen müsste (und nach 6 Jahren konstant Gedanken über mich selbst machend, sollte das doch recht zuverlässig sein, auch wenn mir nachher alle sagen sollten, dass ich mich nicht selbst einordnen sollte) schwanke ich zwischen Borderline und einer Bipolaren Störung (mit Depressionen und Vertrauensproblemen logischerweise). Die Sympotme sind zutreffend, ich kann die Leute zu 100% nachvollziehen und fühle genau so, aber irgendwie habe ich dennoch das Gefühl mir das alles nur einzureden (Hochstablersyndrom auf einer ganz anderen Ebene:)). Es ist so anstrengend und mein Kopf macht mich krank! Und im Endeffekt werde ich es dennoch nicht tun (mich umzubringen), weil ich einfach zu viel Angst habe oder doch noch ein scheiß bisschen Hoffnung, die mich einfach noch mehr quält und in die Realität reißt. Ich weiß, dass ich eigentlich Hilfe brauche und ich weiß, dass es bestimmt jedem schonmal so ging, aber es hört nicht auf! Es hört einfach seit über 6 Jahren nicht auf und nimmt mich von Tag zu Tag einfach immer mehr ein! Ich bin schon lange nicht mehr ich, ich weiß nicht mehr wer ich bin und ich kann mich selber nicht mal mehr leiden. Ich tue immer so als würde mich nichts interessieren, aber innerlich zerreißt mich alles. Jede Geste von Freunden, jede Aussage interpretiert mein Kopf in 20 000 verschiedene Versionen. Und meine größte Angst ist es, dass es nicht nur mir so geht... Denn wenn das normal ist und wenn es vielen so geht, dann neutralisiert das irgendwie alles wieder und ich übertreibe einfach nur. Aber ich möchte dass das was ich fühle ein Problem ist, weil wenn das das Leben ist, will ich es auf gar keinen Fall leben!
Das alles ist nicht einmal ein Bruchteil meiner Probleme... Und mir wird 100% gesagt, dass ich mir Hilfe suchen soll und mich jemanden anvertrauen soll, aber das hilft nicht... Ich kann einfach nicht....
Irgendwie habe ich das Gefühl mir kann keiner helfen und das ich das hier schreibe ist auch unglaublich unnötig, aber mir geht's gerade schlecht und ich habe das Gefühl es zumindest online los werden zu müssen.

Lan Anwort von Lan

Liebe Schreiberin,

ich danke dir für deine ganz offenen Einblicke in dein Leben und dein Vertrauen. Es ist mutig und stark von dir, dass du uns das alles geschrieben hast.

Du hast mein vollstes Mitgefühl, fühl dich von mir gedrückt, wenn du willst.
Du leidest sehr, etwas belastet dich sehr, aber gleichzeitig kannst du gerade auch nicht fassen, was es genau ist.
Äußerlich scheint es dir den Umständen entsprechend gut zu sehen, aber niemand kann eben in den Kopf von anderen sehen.


Reflektieren und aufschreiben

Ich würde dir raten, dich erstmal mit dir selbst zu befassen, deine Gefühle zu ergründen und herauszufinden, was genau dich belastet. Es könnte dir helfen, ein Tagebuch zu führen und all das, was gerade sehr verwirrt, aufzuschreiben. Stelle dir dabei auch gern Fragen:
Seit wann fühlst du dich so? Gab es ein Erlebnis, was diese Gefühle ausgelöst hat?
Was genau fühlst du da? Was belastet dich? Warum fühlst du dich so schlecht? Du schreibst, dass du keinem vertrauen kannst. Woran könnte das liegen? Was ist passiert?

Es klingt für mich ein wenig so, als würdest du dir selbst Leid zufügen. Höre ich daraus vielleicht ein schlechtes Gewissen heraus, ein Schuldgefühl? Horch mal in dich hinein, stelle dir mal die Frage: Wofür fühle ich mich schlecht oder schuldig? Gibt es etwas, was ich bereue? Wofür ich mich selbst nicht leiden kann? Gehe den Gedanken und Gefühlen auf den Grund, schreibe es auch gern auf, das hilft dir, alles zu sortieren, dich nicht zu sehr zu verlieren.

Du schreibst darüber, dass du dich in einem Moment sehr gut fühlst und vieles tun kannst, im nächsten Moment dich wieder sehr schlecht fühlst. Kannst du erklären, was das für Situationen sind? Was passiert da mit dir, gedanklich und emotional? Was löst diese Stimmungsschwankungen aus?

Ich hoffe, dass es dir etwas helfen konnte, all das niederzuschreiben. Auch wenn es keine Probleme löst, kann es unglaublich entlastend und befreiend sein. Deswegen habe ich dir auch dazu geraten, das alles nochmal für dich aufzuschreiben. Am besten täglich, dann wird es zur Routine und hilft dir vielleicht, besser damit zurechtzukommen.

Dass sich deine Gedanken nur um dich drehen, ist auch irgendwie verständlich. Wir denken oftmals viel über uns selbst nach, das ist nicht verwerflich. Vor allem, wenn man mit psychischen Problemen zu kämpfen hat, ist das normal, dass man sich da kaum auf etwas anderes konzentrieren kann. Dein Körper und deine Psyche kämpfen ums Überleben, kämpfen darum, dass es dir wieder besser geht.


Problem ernst nehmen

Damit will ich dir auf keinen Fall sagen, dass ich dein Leid nicht ernst nehme. Das, was du uns geschrieben hast, klingt besorgniserregend und das nehme ich ernst. Es sind so viele Dinge und Probleme, die schwer auf die lasten. Ich kann verstehen, dass du langsam nicht mehr willst und kannst, es ist wahrscheinlich sehr schwer für dich zu ertragen. Aber du darfst dich nicht komplett in dem Negativen verlieren, sonst wird alles nur noch schlimmer.

Nur weil es vielen so geht, bedeutet es nicht, dass es deswegen weniger schlimm ist. Jede Krankheit oder psychische Störung ist etwas besonderes und äußert sich bei jedem anders und sollte ernst genommen werden.
Wenn es dich belastet und das tut es eindeutig, dann ist es auch ein Problem, was ernst genommen und angegangen werden sollte.


Leben nicht aufgeben

Manchmal ist da zu wenig, um zu leben, aber auch zu viel, um zu sterben. Du steckst gerade in einem echten Dilemma, dass dich wahnsinnig macht. Aber halte bitte am Leben fest. Auch wenn es schwer ist und du wirklich hart kämpfst. Der Kampf wird sich lohnen, es wird wieder bessere Zeiten geben.
Du willst nicht mehr so leben und so leiden, das verstehe ich sehr. Aber gib dem Leben eine Chance und öffne dich für Hilfe. Versuche es wenigstens, wenn du es nicht getan hast. Mag sein, dass deine Probleme nicht sofort weg sind. Das braucht Zeit, vor allem wenn man bedenkt, wie lange du schon leidest. Aber gib dir die Zeit, die du brauchst, damit es dir wieder besser geht.

Du bist ein toller und wertvoller Mensch, der es verdient hat, ein gutes Leben zu führen. Davon bin ich überzeugt. Und ich möchte dir auch dabei helfen, dass es besser wird.

Ich bin froh, dass du noch am Leben bist und ein Teil von dir ist das auch. Du schreibst selbst, dass du zu viel Angst vor dem Sterben hast und doch eine Hoffnung. Das ist nicht schlimm, ganz im Gegenteil, da ist in dir noch so viel Kraft, deine innere Stimme will dir sagen, dass du am Leben bleiben musst. Du darfst ruhig auf die hören.


Auf das Positive im Leben zurückblicken

Schau noch einmal auf dein bisherigen Leben zurück und suche dir gezielt die Momente heraus, die gut waren und in denen du dich gut gefühlt hast. Das wird anfangs schwer sein, da du dich wahrscheinlich mehr auf das Negative konzentrierst. Aber versuche auch mal den Blick zu ändern. Du hast selbst sogar schon ein paar positive Dinge am Anfang erwähnt, zum einen die tollen Familienverhältnisse, dass dir nichts Schlimmes passiert ist und deine liebevolle Familie. Und du hast eine tolle Schullaufbahn hingelegt und kannst jetzt studieren. Das sind alles Dinge, die nicht einfach so selbstverständlich sind, du darfst dich glücklich schätzen und darauf stolz sein, was du schon geschafft hast.


Hilfe suchen und darüber reden

Du hast mehrmals geschrieben, dass es nichts bringen würde, Hilfe zu suchen und mit jemandem darüber zu sprechen.
Aber jetzt frag dich mal selbst: Wieso hast du uns geschrieben? Da muss es doch einen Grund geben. Insgeheim sehnst du dich doch nach Hilfe, sonst hättest du das nicht getan, oder?

Es ist gewissermaßen ein Hilfeschrei. Ich frage mich, warum du dich so gegen Hilfe wehrst. Vielleicht solltest du mal ergründen, warum dich das so hemmt. Hast du es denn schon versucht? Wovor hast du Angst?

Außerdem erwähnst du, dass es dir wieder gut geht, sobald du dich anderen anvertrauen willst. Fühlst du dich dann wirklich gut oder redest du dir das nur selbst ein? Sei ganz ehrlich und höre in dich hinein. Auch wenn es dir gut geht, könnte es dennoch eine Erleichterung sein, wenn du anderen, wie deiner Familie oder anderen Menschen, von deinen Problemen und Sorgen erzählst. Es ist vielleicht wirklich so, dass die Probleme durch etwas anderes überlagert werden, aber sie sind immer noch da und verschwinden nicht einfach, schließlich beschäftigen sie dich schon viele Jahre. Gerade wenn es nicht akut ist, hast du einen gewissen Abstand zu deinen Gefühlen, hast so eine andere Perspektive und kannst vielleicht auch andere Erkenntnisse zu deinen Problemen gewinnen.

Es kann nur wieder besser werden, wenn du dir Hilfe suchst. Ich möchte dir sehr gerne helfen, aber es steht nicht in meiner Macht, wenn du dich dagegen wehrst. Du musst es wollen und dich trauen, dir Hilfe zu suchen und sie vor allem anzunehmen.
Mag sein, dass du nicht an Hilfe glaubst, aber woher willst du es wissen, wenn du es nicht versucht hast? Wenn du es probiert hast, kannst du dir erst ein Urteil fällen. Ich denke mir, dass es einen Versuch wert wäre. Es können Dinge passieren, mit denen du nicht gerechnet hättest, vor allem zum Positiven.

Im Endeffekt kannst nur du dir helfen, indem du bereit für Unterstützung bist. Du gehst den ersten Schritt und du bist auch auf uns zugegangen, also hegst du doch Hoffnung, dass es etwas bringen kann, dich anderen anzuvertrauen. Lasse es zu!

Du schreibst, dass du selbst weißt, dass du Hilfe brauchst. Dann glaube dir und habe Vertrauen in dich, dass du diese Hilfe auch verdienst und sie dich auch weiterbringt. Nur wenn du den Glauben hast, dir selbst Hilfe zugestehst, kannst du den Schritt auch wagen. Du willst das alles nicht mehr länger ertragen, das höre ich sehr heraus. Und du hast es ein Stück weit in der Hand, du musst nicht länger alles wie ein Opfer ertragen. Du bist erwachsen und ein eigenständiger Mensch. Es mag sich so anfühlen, als wärst du gefangen und könntest nichts tun. Aber du kannst es, wenn du deine Ängste überwinden würdest. Es ist wirklich schwer, aber es ist machbar. Lass dich nicht von den Dingen, die dich belasten, länger erdrücken. Du kannst die Kontrolle über dein Leben wiederfinden. Das geht allerdings nur, wenn du dich deinen Problemen stellst und aktiv wirst.

Hier habe ich dir unsere Soforthilfe verlinkt zu der Frage "Wie finde ich einen Psychotherapeuten?":
https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Professionelle-Hilfe-Wie-finde-ich-einen-Psychotherapeuten.html

Ich würde an einer Stelle lieber nicht auf solche Selbstdiagnosen vertrauen. Man hat da keinen objektiven Blick drauf und interpretiert gerne mal etwas hinein oder erkennt an sich alle möglichen Symptome, die doch nicht stimmig sind. Am besten wäre es, die Diagnose einem Fachmann zu überlassen. Nur der kann dir sicher sagen, was bei dir los ist.

Falls du vielleicht aktuell niemanden zum reden hast, aber jemanden dringend zum Reden brauchst, empfehle ich dir als Akut-Ratgeber die Nummer gegen Kummer (116 111 oder unter https://www.nummergegenkummer.de/und die Telefonseelsorge (0800.1110111 oder 0800.110222 oder unter der Webseite https://www.telefonseelsorge.de). Beides geht auch ganz anonym und die geschulten Zuhörer können dich auch beraten.


Ich wünsche dir von Herzen alles Gute, ganz viel Mut und Kraft. Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig Hoffnung und Kraft zusprechen, um deinen eigenen Weg zu gehen und dir Hilfe zu suchen.

Wenn du Fragen oder etwas auf dem Herzen hast, schreib uns gern.

Viele Grüße,
Lan