Problem von Anonym - 60 Jahre

Er will alles

Hallo Team, ich würde mich freuen, wenn meine Frage beantwortet wird.

Frage : ich bin 60 Jahre, mein Mann ist 66 Jahre. Wir sind seit fast 20 Jahren verheiratet. Es ist meine 2. Ehe und seine 3. Ehe.

Seit längerer Zeit hat er eine emotionale Affäre mit einer Bekannten. Sie schreiben sich sms mit Herzchen usw.
Er stritt es erst ab und unterstellte mir paranoid zu sein. Ich habe aber die Beweise gesichert. Als ich ihm die vorlegte, gab er es zu.
Jetzt kam es zur Aussprache : er will auf die Frau nicht verzichten und auf mich auch nicht. Er will alles.
Da mache ich nicht mit. Das habe ich ihm gesagt.
Er scheute immer Comittment und hat auch noch Kontakt zur Ex.Obwohl das Kind selbst schon 45 Jahre alt ist.
Er hat eine Problem mit Frauen wegen seiner Mutter.

Was kann ich noch tun ?

Gruß.

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

ich kann mir gut vorstellen, dass in deinem Kopf im Augenblick alles durcheinander wirbelt. Leider ist seit deiner Zuschrift nun schon eine Weile vergangen, sodass ich nicht weiß, wie sich die Sache seitdem entwickelt haben mag.

Letztendlich musst du dir die Frage stellen: Wärst du bereit, den letzten Schritt zu gehen? Ihn zu verlassen? Denn das hast du bisher nur angedeutet. Wenn du partout nicht bereit bist, diese Form des Kontakts zu dulden (und er ihn nicht aufgibt), dann wirst du auch Ernst machen müssen - das heißt, zumindest eine Zeit lang eine andere Bleibe suchen, bis er Gelegenheit hatte, sich zu überlegen, ob er das wirklich will. Schließlich blickt ihr auf etliche gemeinsame Jahre zurück - also nichts, das man leichtfertig wegwerfen sollte. Soviel ist dir sicher nicht neu. Wenn du aber nichts tust, also deinen Worten keinerlei Konsequenzen folgen lässt, wird das eure Beziehung vielleicht noch mehr beschädigen.

Ich bin mir durchaus nicht sicher, wie ich mir das, was du als "emotionale Affäre" beschrieben hast, vorstellen kann. Mancher - soviel muss gesagt werden - würde vielleicht einwenden, dass deine Reaktion übertrieben sei: Sich gegenseitig Herzen zu schicken, betrachten viele Menschen noch nicht als verfänglich, wenn es unter guten Freunden geschieht - selbst dann, wenn einer oder beide Teile gebunden sind. Möglicherweise ist das auch eine Generationenfrage - für jemanden, der mit dem Medium SMS / Chat nicht aufgewachsen ist, stellen sich diese Dinge unter Umständen sensibler dar. Damit möchte ich deine Sichtweise keineswegs abtun oder bestreiten - es ist deine Ehe, und es steht dir zu, Irritation zu formulieren und diesen Anspruch an deinen Mann zu haben. Gleichzeitig solltest du bedenken, dass nicht jedes Herzchen und nicht jedes "Hab dich lieb" gleich auf ein Verliebt-Sein oder gar eine sich ankündigende Affäre hindeutet. Manchmal ist eine gute Freundin nur eine gute Freundin. Was genau dein Mann dazu gesagt hat, weiß ich natürlich nicht. Tatsache ist, dass du ihm kaum verbieten können wirst, mit einer Person Kontakt zu haben oder befreundet zu sein, nur weil du bei ihm Gefühle vermutest oder befürchtest. Hat er diese selbst eingeräumt, mag das etwas Anderes sein. Dennoch: Am Ende kannst du nur selbst entscheiden, ob deine Ehe ein angemessener Preis für diese "Affäre" ist, oder ob es sich nicht anbietet, dir zunächst einmal eine Auszeit zu nehmen. Nicht zu vergessen, liebe Anonyme: Man mag es drehen und wenden wie man will, aber ein gewisser Vertrauensbruch besteht durch das "Beweise sichern" auch auf deiner Seite. Immerhin, so fair sollten wir sein, hat dein Mann dich weder betrogen, noch scheint er es unmittelbar vorgehabt zu haben. Insofern scheint ihr euch beide nichts zu schenken.

So wie ich dich einschätze, wird es für dich immer schwierig sein, wenn es Frauen im Leben deines Mannes gibt, die eine mögliche Konkurrenz sein könnten. Das ist nicht leicht, wenngleich es aufgrund der Enttäuschungen, die es in deinem Leben schon gab, natürlich nachvollziehbar ist. Wenn jetzt eine Situation eingetreten ist, in der du ernstlich erwägst, ihn zu verlassen, bedenke Eines: Es kann dir immer wieder passieren, dass ein Mann etwas weitläufigere Vorstellungen von Treue hat als du, ohne dass er dich eigentlich betrügt. Würde dein Mann dir Vergleichbares mit einem anderen Mann zugestehen? Wenn das, was die beiden haben, für dich nicht tolerierbar ist - was dein gutes Recht ist -, wirst du ihn nicht halten können, indem du ihm Vorwürfe machst oder drohst. Er hat klar formuliert, dass er auf den Kontakt in dieser Form nicht verzichten will. Ob ihm das zusteht, kann und will ich hier nicht entscheiden, denn ihr könnt die Spielregeln eurer Beziehung nur gemeinsam und so festlegen, wie es sich für euch richtig anfühlt. Da nun eine Meinungsverschiedenheit aufgetreten ist, die offenbar keinen Kompromiss erlaubt, musst du deine Möglichkeiten sauber abwägen: Du kannst nochmals das Gespräch mit ihm suchen und ihm auseinandersetzen, warum du diesen Kontakt nicht gutheißt und nicht möchtest. Du kannst ihn bitten, eine gewisse Zeit darüber nachzudenken und vor allem auch zu berücksichtigen, dass er dich verletzt hat, was er nicht wollen kann. Eines ist aber klar: Wenn er nicht von sich aus einlenkt und bereit ist, davon Abstand zu nehmen, wenn er es nur um des lieben Friedens willen tut, dann habt ihr früher oder später das gleiche Problem von Neuem. Denn diese emotionale Affäre ist ja nur ein Spiegel dessen, was in ihm vorgeht. Wenn ihm in eurer Ehe irgendetwas fehlt - oder wenn dir von seiner Seite etwas fehlt, was diese Irritation bei dir erst möglich macht - solltet ihr euch offen darüber austauschen. Nur so kann ermittelt werden, wie es zu dieser Situation kommen konnte. Es geht dabei auch nicht um Schuld, sondern darum, dass an einem solchen Konflikt eine Ehe nicht zwangsläufig scheitern muss. Nichtsdestotrotz ist es dein gutes Recht, aufs Ganze zu gehen und einen Neustart ohne ihn zu wagen, wenn sich das für dich besser und richtiger anfühlt. Dann muss er die Konsequenzen tragen - fairerweise solltest du ihm aber kommunizieren, dass "Da mache ich nicht mit" die Trennung oder sogar Scheidung bedeutet, und nichts weniger als das. Nur so kann er seine Entscheidungen überlegt treffen.

Vielleicht seht ihr beiden auch die Möglichkeit, eure Spannung im Rahmen einer Therapie zu bewältigen. Auch das ist natürlich kein Allheilmittel. Letztendlich kannst du - um deine Frage zu beantworten - nur wenig tun, um an seiner Entscheidung etwas zu ändern. Aber du kannst so handeln, dass sichergestellt ist, dass seine Entscheidung wirklich seinen Willen wiedergibt und nicht nur aus Trotz oder Leichtsinn erfolgt. Und genau das Gleiche gilt für dich: Lass dich nicht dazu hinreißen, dich rächen oder ihn leiden sehen zu wollen - das ist es am Ende nicht wert. Nimm dir Zeit, darüber nachzudenken, was du nun tun willst, doch wenn du dich entschieden hast, handle konsequent und versuche, ebenso konsequent nach vorne zu blicken. Denn: Ganz gleich, wie oft es anders kommt, als man es sich wünscht - es ist dein Leben, und es ist zu kostbar, um mehr Zeit als unbedingt nötig mit Grübeln und Wüten zu verbringen.

Ich wünsche dir von Herzen die nötige innere Ruhe, Gelassenheit und Entschlusskraft und - vor allem - viel positives Denken.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul