Problem von Anonym - 27 Jahre

Ich verspinne mich in Gedankenkreisen

Hallo,

ich weiß nicht ob ich schon wieder eine Downphase habe (ist meist um meine Periode rum), aber ich denke schon wieder viel zu viel über alles nach.
Heute hat mein Projektleiter etwas gesagt was mich sehr beschäftigt und ich kann nicht loslassen und denke jedes mal wenn er mit einem Kollegen redet, denke ich es geht um mich und wie schlecht ich bin und dass ich bald gekündigt werde. Ich bin noch nicht ewig in diesem Job und kann auch nicht alles perfekt, da ich etwas aus der Übung bin (anderes Gebiet in alter Firma). Und was ist wenn ich wirklich einfach zu schlecht oder dumm für meinen Job bin?
Ich tu mich manchmal wirklich schwer da ich in meiner Ausbildung nicht richtig unterrichtet wurde so wie in meiner alten Arbeit nur schlecht dargestellt wurde aber geholfen wurde mir dann auch nicht (obwohl es gehießen habe man würde mich nochmal unterrichten und mir einiges beibringen).

Dann ist das der Gedankenstrom mit meinem Partner. Mein Freund ist nach der Arbeit gerne mal ruhig und in sich gekehrt, was ja in Ordnung ist, da jeder mal seine Ruhe braucht und er einen Job mit viel Menschenkontakt hat. Ich habe aber Angst dass mit uns irgendwas nicht stimmt oder er nicht will das wir zusammenziehen oder so.
Wieso denke ich solche Gedanken und wie komme ich wieder da raus und was ist wenn es dann doch stimmt? Ich weiß einfach nicht weiter.

Was kann ich tun?

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Ich verstehe dein Anliegen und versuche gerne, dir ein paar Anregungen mitzugeben.
Es ist ja schon mal gut, dass du gemerkt hast, dass du in verschiedenen Zyklusphasen anders tickst. Das ist schon eine wertvolle Erkenntnis, mit der du arbeiten kannst.
Nun können wir schauen, was darüber hinaus in negativer Weise auf dich einwirkt. Es ist von außen nur durch das Lesen deiner Zeilen natürlich kaum einschätzbar, ob du vielleicht Unterstützung durch ein psychologisches Coaching bräuchtest. Vielleicht wird dir das jedoch schon bald bewusst. Es kann genauso sein, dass du dir wunderbar alleine helfen kannst - allein schon durch eine ehrliche Innenschau ist da ganz viel möglich.

Zunächst frage ich mich, ob du grundsätzlich gerne in dieser Firma arbeitest und ob die Tätigkeiten das sind, was du unter einer zufriedenstellenden oder sogar erfüllenden Betätigung verstehst. Sollte es nämlich da schon kranken, erübrigt sich vieles von den anderen Überlegungen - es lohnt sich zwar immer, Ursachen anzuschauen und zu reflektieren, wie es zu verschiedenen Gedanken und Gefühlen kommt. Aber wenn etwas Elementares "quer liegt", muss das natürlich verändert werden! Sprich: Du solltest schauen, wie du dich in diesem Gesamtsystem Arbeit siehst und wie sehr dein beruflicher Alltag zu - oder abträglich für dein Wohlbefinden ist. Denn es nützt nichts, sich selbst Fehler vorzuwerfen, die u.a. einem ungünstigen Arbeitsumfeld zuzurechnen sind.
Es kann auch sein, dass du die Arbeit an sich zu schätzen weißt, aber trotzdem nicht so richtig dort hinpasst. Sei es von den Aufgaben her, von der Firmenkultur, den Arbeitszeiten, der Vergütung, usw. Du bist vielleicht einfach fehl am Platz - was nicht bedeutet, dass du zu schlecht seist. Jedenfalls nicht als gesamte Person. Vielleicht bist du einfach nicht das richtige Puzzleteil dort. --> Je mehr du herausfindest, wie und wo du arbeiten möchtest, desto eher kannst du dich selbst "sichern", weil diese eventuell künstlich entstandenen Unsicherheiten verschwinden würden.

Es ist schon auch normal, dass es holperige berufliche Phasen gibt, in denen man sich irgendwie durchschlägt. Nur sprechen die Leute da nicht immer so offen darüber - leider.
Ich möchte dir diese Perspektive aufzeigen: Wie stolz du auf dich sein kannst, wenn du in den kommenden Monaten weitere wesentliche Erfahrungen gewonnen und deine Fertigkeiten vertieft bzw. erweitert hast. Du kannst dann zurückschauen und weißt: Ich habe nicht aufgegeben und mich weiterentwickelt. Das ist doch eine klasse Vorstellung, oder?! :) Übrigens gilt dieser Blickwinkel auch für den Fall, dass du dich beruflich umorientierst (falls du merken solltest, dass mehr im Argen liegt als erst angenommen).

Was ich dir definitiv empfehlen würde: Sprich mit deinen Vorgesetzten über die unzulängliche Einarbeitung bzw. mache situativ klar, dass du bemüht, aber wegen mangelnder Unterrichtung stellenweise noch unsicher bist. Fordere das Wissen ein! Stelle Fragen!

Du musst nichts perfekt können. Diese Vorstellung von Perfektion ist viel schädlicher, als eine "positive Fehlerkultur" zu entwickeln, in der du deine gemachten Fehler sachlich betrachten und analysieren kannst. Da gehört auch das Liebevoll-Sein zu dir zu selbst dazu: Sei nachsichtig mit dir, du darfst und sollst Fehler machen! Kurzzeitiger Ärger ist okay, wenn er dann Platz macht für Vergebung. Es hat keinen Sinn, sich selbst als dumm oder unfähig hinzustellen. Was hast du davon? Nur neuen Ärger. Dein Selbstbild leidet. Und das ist nicht nur schade, sondern auf Dauer auch krankmachend.

Was deinen Partner betrifft, ist ebenfalls offene Kommunikation ganz wesentlich. Bitte sprich über deine Ängste. Es hilft weder dir noch euch als Team, wenn du mit deinen Sorgen und Gedankenspiralen allein bleibst.
Es ist total okay, dass ihr verschiedene Bedürfnisse habt. Es kann Kompromisse geben bzw. diverse Lösungen, um Raum für das Ausleben der Bedürfnisse zu geben. Im gemeinsamen Austausch könnt ihr euch da gegenseitig verstehen und neues Vertrauen schaffen. Das fördert also nicht nur eure Bindung, sondern ermöglicht auch ganz handfeste Ergebnisse für den Alltag. Eine Idee könnte vielleicht so aussehen, dass dein Freund nach der Arbeit zunächst Zeit für sich hat und ihr euch dann erst später bewusst begegnet. Der Vorteil wäre, dass auch du kostbare Zeit nur für dich hättest! Ihr könntet euch dafür sehr exklusive Paarzeit ausmachen, die weder von Anrufen noch von anderen Einflüssen gestört werden sollte. Ich bin mir sicher, dass es viele Optionen für euch geben kann. :)

Ganz generell gibt es mehrere mögliche Quellen für dein Gedankenkreisen. Hochsensible und/oder hochbegabte Personen neigen beispielsweise sehr oft zu Grübeleien und dem Gefühl, nicht zu genügen.
Vielleicht hast du auch schon vom "Hochstapler-Syndrom" gehört, das vielfach Frauen* betrifft - oft sehr gut (aus)gebildete Menschen, die potenziell viel erreichen würden, wenn sie an sich glauben könnten.
Es hat viel mit unseren früheren Erfahrungen, Prägungen und Charaktereigenschaften zutun, wie wir mit den täglichen Herausforderungen umgehen. Leider werden Mädchen noch immer eher zu defensivem braven Verhalten hinerzogen, anstatt ihren Taten - und Entdeckungsdrang zu fördern und ihnen ein gesundes Selbstvertrauen zu vermitteln.
Auch Depressionen oder deren Vorstufen können Gedankenkreisen hervorbringen. Ich weiß nichts über deine generelle psychische Situation, daher möchte ich das einfach mit aufgezählt haben. - Du siehst: Es kann sehr viel zusammenkommen, was dich hemmt und ausbremst. Sowohl beruflich als auch privat. Wenn du nach und nach mehr über dich erfahren hast, weil du dich selbst beobachtest, über die genannten Phänomene nachliest und abgleichst, ob das auch bei dir so ist, kannst du immer gelassener werden. Du kannst lernen, für dich günstige Umgangsstrategien mit Stress und (beruflichen) Herausforderungen zu finden. Du kannst dich akzeptieren und wertschätzen lernen. Mit allen Fehlern und Zweifeln - die aber immer weniger werden bzw. dich nicht mehr so in einen Strudel reißen können. Du kannst lernen, sie nüchtern zu sehen und nicht in eine Selbstabwertung abzugleiten. Das ist dann so wie "Aha, so war das. Nun weiß ich es für die Zukunft." Das schafft eine ganz neue Lebensqualität. Und im Endeffekt ist es sehr befreiend, mehr über die eigene Persönlichkeit erfahren zu haben - besonders bei Hochsensiblen und Hochbegabten ist das absolut erleichternd! Viele Dinge lassen sich erklären, die vorher schleierhaft waren (Perfektionsdrang, Zweifel, aufdrängende Gedanken, Unsicherheit...).

Mein letzter großer Tipp: Versuche, auf dich selbst zu hören, also deinem Innersten genau zuzuhören. Es ist schnell passiert, dass dir dein Verstand etwas einredet á la "mit mir stimmt etwas nicht". Schwieriger ist es, dieses vordergründige "Geplapper" zu übergehen und sich auf das Wesentliche, aus der Seele, zu besinnen. Hier können dir beispielsweise Entspannungs - und Meditationsübungen und viel Aufenthalt in der Natur helfen. Natürlich auch alles, was dir viel Freude macht - sei es Sport, Kunst, Musik, bestimmte handwerkliche Aktivitäten, enger Kontakt mit Nahestehenden, Sexuelles, ein Ehrenamt, guter Schlaf, usw. Das eingangs erwähnte Coaching könnte dir übrigens dabei behilflich sein, deine volle Stärke zu entfalten.

Es geht vor allem um die Gegenwart. Und in dieser kannst du viel dafür tun, dass du dich wohlfühlst und dich als einzigartiger Mensch so anerkennen lernst, wie du eben gemeint bist. Du bist gut so und nicht "reparaturbedürftig"! Es geht vielmehr darum, sich selbst treu zu sein. Das verschafft inneren Frieden.

Ich verlinke dir abschließend noch Lesematerial: https://mein-kummerkasten.de/333583/Ich-kann-nicht-mehr.html


Alles Liebe wünsche ich dir :)
Nuala