Problem von Ali - 33 Jahre

Zu viel Belastung

Hey, ich habe lange überlegt ob ich hier schreiben soll oder nicht. Zum einen bin ich im Vergleich zu den Anderen hier ein "Urgestein", aber ich weiß mir momentan nicht einfach selber zu helfen und bräuchte einen (kompetenten) Blick von außen.

Meine Mutter verstarb letztes Jahr, plötzlich, absolut unerwartet. Das hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen. Nachdem ich einige Wochen mit dem Schmerz und der Trauer gekämpft hatte, zog ich neue Kraft aus diesem Verlust und war auch auf einem guten Weg.
Ich war bei einer Trauerbegleitung und es schien bergauf zu gehen.

Dann meldete sich die Trauerbegleitung nicht mehr, ich erreichte niemanden telefonisch und dieser Teil war weg, ich wusste ich brauchte aber Hilfe, also versuchte ich eine Therapie in Anspruch zu nehmen.
Anscheinend ist es heutzutage fast unmöglich dies zu erreichen, ich bekam durchweg Absagen, wurde vertröstet und das mehrmals, also ich habe wirklich im 150km Radius gesucht. Ich habe wirklich drum gebeten und gesagt, dass ich Hilfe brauche, aber man erteilte mir immer weiter Absagen.
Nun lebe ich zwar weiter, jedoch merke ich langsam wie ich meinen "Halt" verliere, ich verfalle in alte Muster und das möchte ich nicht. Ich war schon vor Jahren depressiv und hatte auch Suizidgedanken, ich möchte nie wieder zu diesem Punkt gelangen. Und daher habe ich große Sorgen, dass mir dies wieder geschiet. Ich versuche mich aufrecht zu halten, weiß aber nicht wie lange ich dies noch kann und die Angst vor meinem eigenen Versagen, dass ich es nicht mehr "aufrecht halten kann" belastet mich zusätzlich.

Es ist nicht nur der Verlust der mich "erdrückt", sondern auch die Tatsache, dass es über ein halbes Jahr her ist und wir als Familie, noch immer nicht wissen, woran Sie genau verstorben ist und auch wann - der Zeitpunkt wurde nie konkret festgestellt, sondern nur ein Zeitraum von 3-4 Tagen angegeben und die Todesursache wurde mehrmalig geändert.
Ich möchte mir nur sicher sein, dass Sie nicht leiden musste, aber diese Frage will mir keiner beantworten, ich werde von Behörde A zu Behörde B verwiesen, niemand möchte/kann offiziell etwas sagen und auch wenn ich sage "Sagen Sie es einfach nur mir, von Mensch zu Mensch, nichts niedergeschriebenes, einfach nur sagen" - reagiert auch keiner.
Klar, für Beamte/Angestellte der Behörden ist dies nur einer von vielen Fällen, jedoch was Empathie betrifft traf ich bis jetzt bis auf 1 Person, auf eine absolute Mauer des Schweigens.

Ich weiß ihr könnt mir bei den Behörden nicht helfen, mir wäre es schon eine super Hilfe wenn ihr mir etwas Hilfestellung gebt, wie ich an eine/n Therapeut*in gelange.
Ich muss einfach mit irgendwem reden, von mir aus auch Online. Hauptsache jemand hört mir zu und hilft mir voran statt rückwärts zu gehen.

Ich bedanke mich, bleibt gesund.

Lan Anwort von Lan

Lieber Ali,

vielen lieben Dank für deine Nachricht und dass du dich uns anvertraut hast.

Du hast mein vollstes Mitgefühl. Das muss sehr hart für dich gewesen sein, deine Mutter so unerwartet verloren zu haben. Ein Elternteil zu verlieren ist eine sehr schlimme Erfahrung. Dass dich das so fertig macht und dein Leben auf den Kopf stellt, ist verständlich. Es freut mich zu hören, dass du trotz all des Schmerzes und der Trauer, diese Krise überstanden hast und mit dem Verlust umgehen konntest.

Es ist schade, dass diese Trauerbegleitung dir weggebrochen ist. Hat es in deiner Nähe noch andere Trauerbegleitungsangebote gegeben oder war das die einzige? Das klingt für mich sehr unverständlich, dass die Trauerbegleitung sich einfach nicht mehr bei dir gemeldet hat.

Ich lese stark heraus, dass du unbedingt jemanden zum reden brauchst, auch unbedingt eine Therapie anfangen willst. Ich denke, dass es auch das ist, was du gerade am meisten brauchst. Du merkst, dass du allein langsam den Halt verlierst und mit all der Belastung allein zurecht kommst. Du willst nicht mehr wieder in alte Muster verfallen, willst dich nicht wieder so fühlen wie Jahre zuvor.
Ein wichtiger und guter Schritt war, dass du uns geschrieben hast. Ich hoffe, dass ich dir mit folgenden Worten ein wenig helfen und Trost geben kann.


Alternativen, wenn keine Therapieplätze vorhanden sind

Es ist sehr zermürbend, heutzutage einen Therapieplatz zu bekommen. Es mangelt an Therapeuten und wenn man es auf die Warteliste geschafft hat, dauert es Monate, bis man doch die Chance auf eine Therapie bekommt. Ich finde es stark von dir, dass du nicht aufgegeben und dich durchgekämpft hast. Das schafft in einer solchen Situation nicht jeder. Du hast meinen vollsten Respekt, dass du die Kraft und den Mut hast, dir professionelle Hilfe zu suchen.

Auch wenn es derzeit keinen freien Therapieplatz gibt, bedeutet das nicht, dass du jetzt auf dich allein gestellt bist. Du kannst dir anderweitig Hilfe suchen.
Ich habe im Internet folgenden Artikel gefunden, der sich genau mit deinem Problem befasst:
https://www.die-inkognito-philosophin.de/blog/kein-therapieplatz

Die Webseite gibt einen Überblick über sinnvolle und effektive Hilfsangebote, die du nutzen kannst, während du noch auf der Suche nach einem Therapieplatz bist oder dann später die Wartezeit überbrücken musst. Bevor du also weiter auf dich allein gestellt bist, lies dir bitte den Beitrag durch und schau, was für dich hilfreich sein könnte:

Eine generelle hilfreiche Übersicht zur Suche eines Psychotherapeuten ist diese hier:
https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Professionelle-Hilfe-Wie-finde-ich-einen-Psychotherapeuten.html

Außerdem verlinke ich dir an folgender Stelle weitere hilfreiche Webseiten, die dir bei der Suche helfen könnten:
https://www.wege-zur-psychotherapie.org/wie-finde-ich-einen-psychotherapeuten/
https://hellobetter.de/blog/psychotherapieplatz-finden/
https://www.gesundheitsinformation.de/wege-zur-psychotherapie-wo-gibt-es-hilfe.html
https://www.psychotherapiesuche.de
https://www.therapie.de/psyche/info/fragen/tipps-erfolgreiche-therapeutensuche/artikel/
https://www.deutschepsychotherapeutenvereinigung.de/nc/patienten/psychotherapeutensuche/
https://www.kvb.de/service/patienten/koordinationsstelle-psychotherapie/

Solltest du in der Nähe niemanden finden, mit dem du darüber reden kannst, kann ich dir auch die Telefonseelsorge ans Herz legen:
http://www.telefonseelsorge.de/
Dort kannst du auch einfach kostenfrei anrufen, und dein Herz ausschütten.


Offene Fragen

Du hast einen weiteren wichtigen Aspekt beschrieben, der dir die Bewältigung des Verlustes noch schwerer macht: Der genaue Todeszeitpunkt und die Todesursache sind nicht geklärt. Das lässt bei dir offene Fragen, sorgt für Unruhe, hindert dich daran, wirklich loszulassen und damit abzuschließen, das verlängert den Trauerprozess.

Es ist traurig, dass dir auf so wichtige Dinge niemand vom Amt eine Antwort geben kann und wird. Das muss wirklich sehr belastend für dich sein, das kann ich mir vorstellen.

Könnte euch vielleicht ein Anwalt weiterhelfen? Ihr könntet ihm den Fall schildern. Dieser könnte beurteilen, ob es nicht Möglichkeiten gibt, mehr Informationen zu erhalten. Gab es einen Totenschein und habt ihr versucht, Einsicht in diesen zu erhalten?

Ich habe mich bezüglich ähnlicher Fälle im Internet recherchiert und folgende Beiträge gefunden, die dir vielleicht weiterhelfen:
https://lebenswege.faz.net/trauerratgeber/im-todesfall/totenschein
https://www.mymoria.de/todesfall/todesbescheinigung-ausstellung-und-inhalt-eines-totenscheins/#wer-bekommt-den-totenschein
https://www.trauer.de/mobil/trauer-und-trost/im-todesfall/Der-Totenschein
https://november.de/ratgeber/todesfall/totenschein/

In einigen Beiträgen wird darauf hingewiesen, dass Hinterbliebene nicht immer den vertraulichen Teil vom Totenschein anfordern können. Darin sind genauere Angaben zur Todesursache hinterlegt. Per Gesetz gilt das Recht zum Schutz persönlicher Daten auch nach dem Tod, sodass nur bestimmte Menschen den kompletten Totenschein einsehen dürfen. Vermutlich sind die Ämter darum auch gezwungen, keine weiteren näheren Angaben zu Todesursache und Todeszeitpunkt herauszugeben. Haben Sie dir das auch so mitgeteilt?

Es wundert mich sehr, dass auch der Todeszeitpunkt nicht mitgeteilt wurde, da diese zumindest im nicht-vertraulichen Teil des Totenscheins geschrieben steht. Ich vermute, dass es vielleicht im Falle deiner Mutter Schwierigkeiten gab, sodass man den Zeitpunkt nicht genau angeben kann. Und wahrscheinlich gab es auch bei der Todesursache Unstimmigkeiten. Das wäre jetzt meine Vermutung.
Die Frage ist natürlich auch, inwiefern die Behörden dir wirklich Auskunft geben können oder nicht. Auch hier kann ich nur vermuten, dass sie dir entweder Informationen vorenthalten oder diese Informationen, die du haben willst, nicht geben können.


Inneren Frieden finden

Ich würde dir dringend ans Herz legen, deinen eigenen inneren Frieden zu finden. Auch wenn es dir schwer fällt. Manche Dinge und Umstände lassen sich nicht ändern, so sehr man versucht, sie zu ändern, dagegen anzukämpfen. Aber du machst es dir damit nur schwerer, den die Trauer zu verarbeiten.
Es ist verständlich, dass dich diese Fragezeichen noch so umtreiben und es ist in Ordnung, dass du dich auch immer wieder damit beschäftigst. Das ist Teil der Trauerbewältigung, gehört dazu, damit du den Schmerz verarbeiten kannst.

Leider kannst du jetzt nicht mehr herausfinden, ob deine Mutter gelitten hatte oder nicht. Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern, aber wir können lernen, sie anzunehmen und nach vorne zu schauen. Vielleicht tröstet dich der Gedanke, dass deine Mutter jetzt keine Schmerzen mehr hat. Sollte sie welche gehabt haben, ist sie nun von diesen erlöst. Unabhängig davon, was mit ihr passiert ist, jetzt wird sie hoffentlich in Frieden ruhen können. Vermutlich würde sie nicht wollen, dass ihr euch als Familie länger mit etwas quält, was nicht mehr zu ändern ist. Auch wenn ich es sehr gut nachvollziehen kann, dass du dich immer noch fragst, wie es ihr während des Sterbens erging. Das wäre eine Versuch, ihr trotzdem nahe zu sein, auch wenn sie nicht mehr ist. Doch um weiterleben zu können, ist es wichtig, loslassen zu können. Das meint auch offene Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Sonst quälen sie dich noch ein Leben lang.


Trauern darf sein

Damit will ich nicht sagen, dass ihr jetzt alles verdrängen sollt, auf keinen Fall. Trauern muss sein, ist sogar sehr wichtig, um den Verlust zu verarbeiten. Trauer darf sein, das ist ganz natürlich. Und jeder trauert anders, es gibt kein richtig oder falsch. Und jeder braucht unterschiedlich viel Zeit, um die Trauer zu bewältigen.

Vielleicht gehst du auch mal in dich und fragst dich: Warum kannst du nicht aufhören, darüber nachzudenken? Warum hälst du daran fest? Was steckt dahinter? Was brauchst du, um die Trauer besser bewältigen zu können?

Zum Thema Trauerbewältigung habe ich dir einige Beiträge verlinkt, lies sie dir gern durch:
https://mein-kummerkasten.de/331675/Ich-kann-nicht-mit-dem-Tod-von-meinem-Vater-abschliessen.html
https://www.mein-kummerkasten.de/332992/Ich-kann-nicht-Weinen-nach-dem-Tod-meiner-Oma.html


Ich wünsche dir von Herzen alles Gute und Liebe für die Zukunft. Ich glaube an dich und deine innere Stärke und hoffe sehr, dass du die Anregungen annimmst und dir bald Hilfe suchst.

Wenn du Fragen oder noch etwas auf dem Herzen hast, kannst du dich bei uns melden.

Viele Grüße,
Lan