Problem von Anonym - 19 Jahre

Ich bin extremst enttäuscht von mir selbst

Hallo,
Unzwar habe ich schon seit ich 15 bin so ein ständiges Gefühl mir nie wirklich zu genügen. Das hat sich mit den Jahren unglaublich verstärkt, da ich schon 2 mal versucht habe meinen Schulabschluss zu schaffen, doch bin ich immer wieder gescheitert. Mit 14 habe ich mit Drogen angefangen, habe dadurch Panikattacken und eine starke Angststörung bekommen. In der Zeit bin ich nicht mehr in die Schule gegangen und habe es verlernt, überhaupt eine Routine aufrechtzuerhalten und konnte mich um echt nichts mehr kümmern. Meine Mutter war da auch nicht wirklich hilfreich, denn sie war sehr voreingenommen von Kliniken und dachte, eine Psychiatrie würde mir keinesfalls helfen, obwohl es mir vielleicht gut getan hätte. Ich war sehr isoliert und hab echt niemanden an mich ran gelassen. Generell ist meine Mutter viel zu locker mit mir umgegangen und hat mein Leben lang versucht, jeden Stress und jedes Problem von mir fernzuhalten, und hat anderen nie wirklich vertraut & dachte, sie könnte mich irgendwie wieder allein "hinkriegen".
Nach 2 Jahren dann wurde alles etwas besser, ich hatte keine Panikattacken mehr und konnte auch wieder "normal" leben, aber konnte trotzdem so gut wie keinen Stress aushalten. Mein Vater hatte mir in der Zeit auch extremst Druck gemacht, da er mentale Krankheiten generell einfach 0 nachvollziehen kann und dachte, meine Mutter hätte mir das alles eingeredet (meine Eltern sind getrennt, also wusste er von unserem Alltag nicht wirklich viel bescheid). Er hofft jetzt auch schon seit Jahren dass ich das mit dem Abschluss endlich hinbekomme.
Ich bin jetzt auf einer privaten Online Schule und soll diesen Sommer mein Realschulabschluss machen. Leider sind die Lehrer dort aber immer katastrophaler geworden & ich muss mir das meiste selbst beibringen, und irgendwie schauen, ob ich noch auf eine andere Schule wechseln kann. Auch ziehe ich derzeit um, wodurch sich mein ganzes Leben ziemlich verändert und mir neue Freunde suchen muss (ich ziehe zu meinem Freund, worauf ich mich sehr freue, aber was mir auch viel Stress bereitet), wo ich auch nicht weiß, ob ich das mit meiner Sozialphobie schaffe. Ich warte derzeit auf einen Therapieplatz was noch lang dauern könnte. Zurzeit bin ich also mal wieder sehr überfordert mit absolut allem. Falls ich den Abschluss wieder nicht schaffe, werde ich und vor allem mein Vater erneut sehr enttäuscht von mir sein. Ich weiß nicht einmal, ob ich später wirklich arbeiten gehen kann und will, da ich bei der deutschen Arbeitsmentalität (8h lang irgendwo hin zu müssen bis zum burnout) Suizidgedanken bekomme.
Zusammengefasst; Ich bin einfach enttäuscht von mir und auch meiner Umgebung, dass echt nichts in den letzten Jahren geklappt hat und ich in Zukunft wahrscheinlich noch viele Probleme haben werde. Ich weiß nicht, wo mich das alles hinführt und kann mir gut vorstellen, dass ich einfach als arbeitsunfähig gemeldet werde. Ich prokrastiniere auch extrem, habe keinen richtigen Schlafrhythmus, schaffe es nie Sport zu machen und will mich am liebsten täglich für das alles bestrafen.
Ich fahre in ein paar Tagen für 2 Wochen mit meinem Vater in den Urlaub, wo er mir dann wahrscheinlich wieder etliche Predigten halten wird, dass ich mehr für die Schule machen muss.
Ich hab einfach keine Ahnung mehr, wie ich mit dem ganzen klar kommen soll.

Lan Anwort von Lan

Liebe Ratsuchende,

ich danke dir für deine Nachricht und dein Vertrauen.

Das trifft mich sehr, dass du so viel in deiner Vergangenheit durchgemacht hast. Fühl dich gern von mir gedrückt.

Ich bin sehr froh zu lesen, dass es dann mit der Zeit etwas besser geworden ist. Schlimm, dass deine Eltern nicht so empathisch waren und dich nicht unterstützt haben. Gerade Eltern sollten die Vertrauenspersonen sein, auf die man sich verlassen kann und die für einen da sind. Da hattest du es noch schwerer als viele andere.


An Selbstwertgefühl arbeiten

Ich lese in deinem Text ganz stark heraus, dass du mit deinem Selbstwertgefühl haderst, du hast "ein ständiges Gefühl...nie wirklich zu genügen." Woher kommt dieses Gefühl? Wie kam es dazu?

Ich bin mir sicher, dass du ein wertvoller Mensch bist, dass du liebenswert bist und dass du genug bist, so wie du bist. Egal, ob was schief gelaufen ist und egal, wie oft du den Schulabschluss nicht geschafft hast. Du bist und bleibst trotzdem ein wertvoller Mensch, unabhängig von dem, was du getan oder nicht getan hast. Du hast sicherlich dein Bestes gegeben, dafür gekämpft, aber es hat aus verschiedenen Gründen nicht gereicht. Vielleicht konntest du auch nichts dafür.

Jeder Mensch ist genug wie er ist. Doch um das zu verinnerlichen, musst du an daran arbeiten, dich zu akzeptieren wie du bist. Und vor allem auch deine positiven Seiten, deine Stärken sehen.

Vielleicht schreibst du mal auf, was du an dir magst, was positiv ist, was dir leicht fällt, woran du Spaß hast. Das wird anfangs schwer sein, aber vielleicht kannst du auch mal Freunde, deinen Freund oder deine Familie fragen. Die sehen vielleicht auch andere Seiten an dir, die du bisher nicht wahrgenommen hast.

Ich glaube, wenn du an dir und deinem Selbstwertgefühl arbeitest, erkennst, dass du gute Seiten hast und du keine Enttäuschung bist, wie du vielleicht denkst, kannst du neue Kraft und Motivation schöpfen. Ich denke, dass du dadurch eine andere und positivere Einstellung gewinnen könntest, die dich weiterbringt. Wer sich darauf einstellt, zu scheitern und erwartet, enttäuscht zu werden bzw. zu enttäuschen, bei dem wird das auch der Fall sein. Das nennt sich selbst erfüllende Prophezeiung. Negatives Denken wirkt sich sehr stark darauf aus, wie wir die Welt wahrnehmen und wie wir handeln. Wenn wir Fehler vermeiden wollen, fokussieren wir uns zu sehr, sodass wir tatsächlich dann Fehler machen. und so ist es auch, wenn du glaubst, dass du wieder nur enttäuschen wirst - dich und deine Eltern. Positives Denken ist nicht alles, kann aber schon meiner Ansicht nach gut helfen, anders an alles ranzugehen.

Vielleicht hilft es dir ein Glückstagebuch zu schreiben. Täglich notierst du dir kurz und knapp, was heute positiv war, wofür du dankbar warst und was du gut gemacht hast, sei es noch so klein gewesen. Je länger du das machst, desto mehr schärfst du deine Wahrnehmung auf die positiven Dinge im Leben. Versuch es gern mal.

Hier sind noch einige Beiträge, die das Thema "geringes Selbstwertgefühl" behandelt. Vielleicht kannst du auch etwas mitnehmen, lies dir die Texte gern durch:
https://mein-kummerkasten.de/333298/Habe-nicht-genuegend-selbstwert.html
https://mein-kummerkasten.de/333578/Denken-ueber-sich-schlecht-Sich-nicht-genug-fuehlen.html
https://mein-kummerkasten.de/211715/Bin-nicht-gut-genug-fuer-meine-Eltern.html

Es wird außerdem Zeit, dass du auch die Erwartungen an dich selbst und die deiner Mitmenschen an dich hinterfragst. Sind diese Erwartungen erfüllbar und realistisch? Oder sollten sie nicht lieber angepasst werden?

Hier noch weitere Anregungen, wie man mit Enttäuschungen besser umgehen kann.
https://starke-gedanken.de/wenn-du-dich-wie-eine-enttaeuschung-fuer-dich-selbst-oder-andere-fuehlst-lies-das-hier/
https://zeitzuleben.de/von-enttaeuschung-selbsterkenntnis/


Nicht aufgeben

Auch wenn es schwer fällt: Gib die Hoffnung nicht auf, gib dich selbst nicht auf. Und ich weiß, tief in dir drinnen, willst du nicht aufgeben, willst weitermachen. Denn sonst hättest du schon längst die Schule geschmissen, aber das hast du nicht. Du hast dich trotz dieser Erlebnisse durchgebissen, bist auf der Online-Schule und willst deinen Realschulabschluss machen. Bleib dran, ich glaube fest an dich, dass du es schaffen kannst.

Ich merke, dass du generell sehr schlecht von dir denkst und auch eher den Fokus auf dem Schlechten hast. Aber blick nochmal auf dein bisherigen Leben zurück: War wirklich alles schlecht? Gab es nicht doch paar Dinge, die gut gelaufen sind, die du geschafft hast? Zum Beispiel hast du die Schule gewechselst und da sicherlich einige Erfolge erzielen können. Dass du drangeblieben bist, ist auch etwas, worauf du stolz sein kannst. Oder dass du jetzt in einer sicherlich guten Beziehung bist. Ist das denn nichts? Denk auch an all die kleinen Dinge. Du hättest dich von allem unterkriegen lassen können, aber das hast du nicht. Du hast weitergemacht, weitergekämpft, das ist nicht selbstverständlich. Bitte hör auf dich weiter schlechtzumachen, denn das bist du ganz sicher nicht.

Lass dir auch von deinem Vater und anderen etwas anderes einreden. Sie wissen nicht, wie es dir ergangen ist, können es nicht nachempfinden.
Vielleicht sprichst du nochmal in Ruhe mit deinen Eltern und schilderst aus deiner Sicht, wie du dich fühlst, was dich belastet. Vielleicht wird deinen Eltern dann auch bewusst, was du durchmachst und durchgemacht hast? Eine Familienberatungsstelle als Externer könnte in dieser verfahrenen Situation auch zwischen euch vermitteln.

Such dir Unterstützung von den Menschen, die an dich glauben, die das Positive in dir sehen, die dich aufbauen können wie beispielsweise dein Freund. Rede mit ihm darüber.

Es gibt Möglichkeiten und du kannst dir Hilfe suchen, wenn du es allein nicht mehr schaffst. Das ist keine Schande, sondern total normal und verständlich. Wichtig ist, den Glauben an sich selbst nicht zu verlieren.


Schulabschluss machen

Wenn du schreibst, dass es gerade auf der privaten Online-Schule sehr schlimm für dich ist, würde ich auf dein Gefühl hören und so schnell wie möglich wechseln. Du musst da unbedingt auf dich achten und vermutlich versuchst du schon dein Bestes, eine andere Schule zu finden. Gäbe es nicht die Möglichkeit, sich noch außerhalb Nachhilfeunterricht zu holen, damit du deinen Realschulabschluss dennoch schaffst? Du könntest dich an einen Vertrauenslehrer oder deinen Klassenlehrer oder Schulsozialarbeiter (sofern vorhanden) wenden. Diese können und sollten dir bei Problemen weiterhelfen können.

Wenn du jedoch merkst, dass du mit dem ganzen Stress nicht klar kommst und eine Auszeit brauchst, höre auf deine innere Stimme. Wer psychisch so überlastet ist, kann keine großen Leistungen vollbringen. Dann steht ohnehin nicht der Schulabschluss an erster Stelle, sondern dein Wohlergehen, deine Gesundheit. Sich darum zu kümmern, ist jetzt das Wichtigste. Das ist überhaupt die Grundlage für alles im Leben. Alles andere sollte warten, finde ich. Du solltest dir von niemandem Druck machen lassen. Am Ende tut es dir nicht gut, wenn du dich dazu quälst.

Hier noch ein Beitrag zum Thema Stress und Schule:
https://mein-kummerkasten.de/index.php/332454/Schlechte-Noten-Angst-zur-Schule-zu-gehen.html

Wir haben bereits viele Gedanken und Antworten zum Thema "Schule abbrechen oder durchziehen" gesammelt, schau gern rein:
https://mein-kummerkasten.de/332430/Schule-abbrechen.html
https://mein-kummerkasten.de/Suche/Schule%20abbrechen


Neuanfang wagen

Du schreibst auch, dass du bald umziehen wirst. Das zieht natürlich eine große Umstellung mit sich. Mit einer sozialen Phobie neue Leute kennenzulernen und Freundschaften zu schließen, kann schwierig werden. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.

Doch es ist trotzdem möglich, du müsstest vielleicht auf alternativen Wegen Menschen finden. Mir hat beispielsweise das Online-Portal "Beste Freundin gesucht" sehr geholfen, in einer neuen Stadt trotz Phobie neue Leute kennenzulernen. Da schreibt man erstmal eine Weile miteinander und trifft sich dann zu zweit. Das Miteinander schreiben hilft, erste Hürden und Hemmungen zu überwinden und sich trotzdem schon mal ein bisschen vorher kennenzulernen, bevor man sich persönlich sieht. Das hat es für mich leichter gemacht, einen Zugang zu anderen zu finden.

Auf einen Therapieplatz zu warten, kann lange dauern. Doch in der Zwischenzeit kannst du dir trotzdem alternative Unterstützung suchen. Schau gern mal auf die folgende Webseite, da sind einige Möglichkeiten aufgelistet:
https://www.die-inkognito-philosophin.de/blog/kein-therapieplatz


Angst vor dem Arbeitsleben

Dir bereitet es auch Sorgen, dass du später nicht arbeiten gehen kannst. Dass du Angst hast, verstehe ich. Das ist für viele schwer vorstellbar. Hattest du schon mal ein Praktikum absolviert, um erste Erfahrungen zu sammeln? Keiner verlangt von dir, sofort 8 Stunden täglich zu arbeiten. Du kannst auch erstmal langsam anfangen, zumal du ja auch aufgrund psychischer Beschwerden sowieso langsamer anfangen solltest, damit dich das nicht zu sehr belastet. Vielleicht wäre ach verhandelbar, erstmal auf 20 bis 30 Stunden zu gehen und dich langsam zu steigern? Also auch erstmal Teilzeit zu arbeiten, damit du ein Gefühl für eine solche Arbeitsroutine bekommst?

Wenn es soweit ist und du deinen Schulabschluss hast, kannst du dir auch Hilfe von der Arbeitsagentur suchen. Die helfen auch bei Problemen, wie beruflicher Einstieg und stehen dir beratend zur Seite.


Ich hoffe, dass ich dir ein bisschen weiterhelfen konnte. Ich kann dir nur einige Möglichkeiten und Anregungen auf den Weg mitgeben, aber was du davon umsetzt, liegt in deiner Hand.
Ich glaube fest an dich, dass du das für dich Richtige tun wirst. Bitte glaube auch an dich!

Ich wünsche dir alles Gute und viel Erfolg! Melde dich gern, wenn du noch Redebedarf hast.

Viele Grüße,
Lan