Problem von Katrin - 22 Jahre

Möchte keinen Kontakt mehr zu meiner Mutter. Mein Vater versteht es nicht

Hallo,

seit drei Wochen bin ich in der Psychiatrie (offen) aufgrund eines versuchten Suizidversuches. Ich bereue den Versuch mir das Leben zu nehmen. Jetzt möchte ich mein Leben besser in die Hand nehmen. Ich bin froh, dass ich noch lebe. Meine Eltern sind das Problem. Besonders meine Mutter. Sie hat mich seit meiner Kindheit jahrelang körperlich und psychisch misshandelt. Mein Vater hat nichts unternommen. Das kann ich meiner Mutter auch nie verzeihen. Mein Vater möchte, dass ich meiner Mutter verzeihe. Der versteht die ganze Situation nicht. Mein Leben ging seit der Geschichte nur noch bergab. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen. Alles was mir Freude bereitet hat, hat mir keinen Spaß mehr gemacht. Wurde depressiv. Ich hasse meine Mutter so sehr. Sie tut so als wenn nichts gewesen wäre. Sie behandelt mich wie ein kleines Kind. Sie versucht es z.B mit Geld wieder gut zu machen. Vor zwei Jahren bin ich von Zuhause ausgezogen. Aber auch dann ging es mir nicht besser. Jetzt geht's mir schon wieder besser. Habe lange in der Psychiatrie nachgedacht. Wenn ich entlassen werde, möchte ich keinen Kontakt zu meiner Mutter haben. Möchte ihn komplett abbrechen. Das tut mir nicht gut, wenn ich sie sehe. Mit meinem Vater möchte ich erst mal keinen Kontakt haben. So lange er das nicht versteht, dass ich keinen Kontakt zu meiner Mutter haben möchte, möchte ich ihn auch nicht sehen. Er versteht die ganze Situation sowieso nicht. Meine Mutter kann das gar nicht verkraften, wenn ich den Kontakt abbreche. Ich glaube sie wird einen Aufstand machen. Sie leidet an starken Depressionen. Ich weiß nicht, ob sie sich dann was antut. Aber sie muss mit den Konsequenzen leben. Sie hat den Mist gebaut. Zu meinen anderen Verwandten möchte ich aber den Kontakt halten. Die können ja nichts dafür. Aber wie verhalte ich mich auf Familienveranstaltungen? Da sehe ich meine Mutter ja. Das wird nicht leicht werden. Und wie sage ich meinen Eltern, dass ich keinen Kontakt mehr möchte? Ich bedanke schon mal für eure Antwort.

Liebe Grüße
Katrin

Lan Anwort von Lan

Liebe Katrin,

ich danke dir für dein Vertrauen und deine Nachricht. Das ist sehr mutig von dir gewesen, dich an uns zu wenden.

Ich bin auch sehr froh, dass du das Leben nicht aufgegeben hast und jetzt dein Leben in die Hand nehmen willst. Manchmal brauchen wir erst solche Tiefpunkte, um zu erkennen, was wirklich wichtig ist und dass es sich lohnt für das Leben zu kämpfen. Ich finde es toll, dass du einen Neuanfang machen willst und dankbar bist, am Leben zu sein.

Das tut mir sehr leid, dass du das alles in deiner Kindheit erfahren musstest. Dir wurde von deiner Familie sehr wehgetan, sie haben dir viel Schmerz und Leid zugefügt. Es ist durchaus verständlich, dass du deiner Mutter dafür nicht verzeihen kannst, was sie dir angetan hat. Vor allem wenn das auch noch jahrelang passiert, das vergisst man nie wieder. Das sind Wunden, die Zeit brauchen, bis sie irgendwann verheilen, vielleicht auch nie. Das ist fürchterlich, was dir deine Mutter angetan hat. Ich kann verstehen, dass du sie hasst und nicht mehr in deinem Leben haben willst. So etwas sollte man seinem eigenen Kind nicht antun.

Ich bin schockiert, dass dein Vater nichts unternommen und dich beschützt hat. Und jetzt sogar will, dass du deiner Mutter verzeihst. Das ist für ihn nicht verständlich, weil er das nicht durchgemacht hat. Ich finde jedoch, dass ihm vor allem auch Empathie fehlt. Wenn er nachvollziehen könnte, was du ertragen musstest, würde er nicht um so etwas bitten.

Du hast allen Grund, den Kontakt zu deinen Eltern abzubrechen. Deine Mutter hat dir großes Leid bereitet. Weiterhin Kontakt zu halten, tut dir nicht gut. Dir steht es frei, zu entscheiden, zu wem du Kontakt haben willst und zu wem nicht. Niemand kann dir das vorschreiben, du entscheidest allein. Und wenn dir bestimmte Kontakte wie eben der zu deiner Mutter eher schadet, dann wäre es meiner Ansicht nach auch total in Ordnung und auch sehr wichtig, dass du den Kontakt abbrichst. Dir zuliebe, um dich selbst zu schützen, um das alles zu verarbeiten, um wieder neu anzufangen. Du gibst damit deinen Wunden Zeit und Raum, zu heilen, du gibst dir damit auch die große Chance besser zu heilen. Denn der ständige Kontakt würde das erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen, zumal deine Mutter deiner Ansicht nach nicht einsieht, dass sie Fehler begangen hat.

Auch wenn sie vielleicht darunter leidet, wenn ihr keinen Kontakt habt: Es geht nicht um sie, es geht um dich. Du bist dein Mittelpunkt im Leben und sorgst dafür, dass es dir besser geht. Sie hat auf dich auch keine Rücksicht genommen und dir so geschadet. Warum solltest du das tun? Du kommst an erster Stelle und wenn es dir nicht gut tut, dann brichst du den Kontakt ab. Sie und ihr Verhalten sind der Grund dafür. Vielleicht wird sie erst dann, wenn der Kontakt abbricht, merken, was sie eigentlich falsch gemacht hat. Ich würde vermuten, dass sie das dazu bringt, mal über ihr Verhalten zu reflektieren und einzusehen, dass sie schwere Fehler begangen hat. Insofern ist es auch für sie eine Möglichkeit, das Geschehene zu reflektieren und sich danach zu ändern.

Ich finde, dass du richtig handelst. Es fällt natürlich schwer, den Kontakt abzubrechen, wenn du weißt, dass deine Mutter selbst seelische Probleme hat. Das darf dich aber nicht daran hindern, für dich etwas Gutes zu tun. Es liegt nicht in deiner Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es deiner Mutter gut gut. So blöd wie es klingt: Hat sie sich mal darüber Gedanken gemacht, welches Leid du ertragen musstest? Vermutlich nicht. Zumal es dir selbst nicht gut geht. Man kann nicht für andere da sein, wenn es einem schlecht geht. Wie du schon schreibst: Sie muss mit den Konsequenzen leben. Sie hat dir das angetan und damit muss sie auch mit der Schuld leben. Die Verantwortung, was passiert ist, liegt ganz bei ihr.


Du fragst, wie du dich auf Familienveranstaltungen verhalten solltest, wenn du deine Mutter siehst. Ich würde an deiner Stelle erst mal solche Veranstaltungen nicht besuchen, nicht solange das alles noch so frisch ist. Kannst du deine Verwandten nicht anderweitig außerhalb der Veranstaltungen besuchen oder zumindest mit ihnen telefonieren, um den Kontakt zu halten? Ich glaube, dass du da einfach Zeit brauchst, um loszulassen und das alles zu verarbeiten. Und solange würde ich auch deinen Eltern ausweichen, so gut es geht. Wenn du merkst, dass du stärker geworden bist und bereit dafür bist, deine Mutter zu sehen, könntest du dich langsam rantasten und mal ein Familienfest oder eine Feier besuchen. Du musst ja auch nicht viel mit ihr reden, kannst dich ja auch distanzieren und ihr klar sagen, dass du nicht mit ihr reden willst. Vielleicht wird sie das nicht verstehen und erst recht immer wieder auf dich zukommen. Dann bleib konsequent und suche Abstand. Das ist nicht leicht, das verstehe ich, aber wichtig, um dich weiter zu lösen.

Ich würde deine Eltern um ein ehrliches und offenes Gespräch bitten. Dabei kannst du erzählen, wie es dir geht und warum du den Kontakt abbrechen willst. Erkläre, was du nicht mehr willst: die psychische und körperliche Gewalt, dass dich deine Mutter wie ein kleines Kind behandelt etc. Bitte darum, dass deine Eltern jegliche Kontaktaufnahme unterbinden, sowohl persönlich als auch per Internet beispielsweise. Das ist für deine Eltern ein klares Statement und sie werden einsehen, dass es dir ernst damit ist. Es schützt auch dich selbst davor, wieder rückfällig zu werden.

Wenn dir das zu schwer fällt, kannst du das auch telefonisch machen oder gar in einem Brief, in dem du die guten Gründe benennst, warum du keinen Kontakt mehr willst.

Gehe davor nochmal in dich und frage dich: Willst du nie wieder Kontakt zu deiner Mutter haben? Ist das nur vorübergehend? Vielleicht weißt du es selbst nicht, man weiß ja nie, wie sich das noch alles entwickeln wird. Dann sei so ehrlich und kommuniziere das. Dass du erstmal nicht weißt, wie lange du den Kontakt abbrechen willst, das aber unbedingt brauchst, um ein neues Leben anzufangen und das alte zu verarbeiten. Halte dich kurz und knapp und lasse auch keine Diskussionen zu.

Sehr wahrscheinlich werden es deine Eltern nicht verstehen, aber dann ist das eben so, müssen sie auch nicht. Du hast es ihnen klar kommuniziert und was sie damit machen, ist ihnen überlassen. Ich würde da auch nicht weiter drüber diskutieren, weil das eben auch deine Entscheidung ist. Und die gilt es eben zu akzeptieren. Du entscheidest, ob du Kontakt haben willst oder nicht und wie lange das sein wird.

Mag sein, dass beide nicht damit zurechtkommen und immer wieder den Kontakt suchen. Da gilt es, stark zu bleiben und dir vor Augen zu führen, warum Kontaktabbruch so wichtig für dich ist.

Ich finde, dass es in deinem Fall absolut verständlich und gerechtfertigt ist, dass du den Kontakt abbrechen willst. Der Abbruch bietet dir eine große Chance, ein neues Leben aufzubauen und hoffentlich die Wunden wieder heilen zu lassen. Ich denke auch, dass es dir damit einfach auch viel besser gehen wird.
Darum bitte ich dich: Bleib bei dir, horch in dich hinein, was du brauchst und willst. Und wenn es der Kontaktabbruch ist, der dir hilft, dann bleib dabei.

Mit dem Kontaktabbruch werden die Probleme zwischen dir und deinen Eltern nicht verschwinden oder sich auflösen. Aber du kannst dann besser damit arbeiten und sie hoffentlich für dich in Form einer Therapie nach und nach lösen.
Sofern nicht passiert, denke ich, dass es dir guttun würde, dich in Therapie zu begeben. Du musst da nicht allein durch, sondern kannst dir Hilfe suchen. Gemeinsam könnt ihr daran arbeiten, das Vergangene zu verarbeiten.

Es wird Zeit, dass du ein schönes Leben führen kannst. Du hast das so verdient!


Ich habe einige Beiträge verlinkt zum Thema "Kontaktabbruch zu den Eltern". Ich hoffe, du kannst da einiges für dich mitnehmen:
https://mein-kummerkasten.de/index.php/333538/Kontakt-zu-Eltern.html
https://praxistipps.focus.de/kontakt-zu-eltern-abbrechen-das-sollten-sie-beachten_120286
https://queer-lexikon.net/2020/06/01/kummerkastenantwort-422-darf-ich-den-kontakt-zu-meinen-eltern-abbrechen/
https://www.wunderweib.de/kontakt-abbrechen-so-machst-du-mit-einem-familienmitglied-schluss-110192.html
https://www.spektrum.de/news/wenn-kinder-den-kontakt-zu-ihren-eltern-abbrechen/1808894
https://editionf.com/ja-darf-man-das-man-darf-nicht-man-muss/

Ich hoffe, ich konnte dir damit einige Anregungen geben.
Ich wünsche dir ganz viel Kraft, Selbstvertrauen, Mut und Hoffnung, dass du das schaffst und ein neues besseres Leben beginnen kannst. Dafür wünsche ich dir alles Gute und Liebe!


Viele Grüße,
Lan