Problem von Nik - 32 Jahre

Ich will kein Mann sein, ich will nicht Hetero sein

Liebes Kummerkasten-Team, schon lange hege ich eine tiefe Faszination für die sapphische (lesbische) Liebe, und dabei meine ich NICHT die gänige Heterovorstellung von lesbischem Sex. Seit ich den Graphic-Novel "Blau ist eine warme Farbe" von Julie Maroh gelesen habe, hab ich viele weitere Bücher, in denen sapphische Beziehungen im Zentrum stehen, mir zu Gemüte geführt, was meine Faszination noch vertiefte. Auch in meinen Zeichnungen und Bildern versuche ich dem Ausdruck zu verleihen. Gestern habe ich den Roman "We fell in love in october" von Inka Lindberg ausgelesen und habe mir dann noch gleich den gleichnamigen Song von "Girl in Red " samt Video angehört. Hier war für mich das emotionale Fass am Limit. Seit gestern Nacht bin ich nur noch am weinen. Der Roman mit seinen lebendigen und liebenswürdigen Figuren und der Song mit dem unglaublich intim wirkendem Video haben mir eins verdeutlicht. Diese Liebe, die ich so sehr bestaune, wird immer eine Welt sein, die sich mir nie erschließen wird. Ich bin ein Mann und ich bin Hetero. Eine Geschlechtsumwandlung kommt für mich absolut nicht in Frage, da ich mich als Mann fühle und genau das hasse ich. Die sapphischen Beziehungen scheinen immer von einer solchen Intimität, Verständnis, Zärtlichkeit, Hingabe und Sinnlichkeit geprägt zu sein. Heterobeziehungen dagegen erscheinen immer so entsetzlich plump, animalisch und triebhaft, das es mich schon fast anekelt. Genau das ist es was mich gerade zur Verzweiflung und die Tränen mir in die Augen treibt. Was gäbe ich nicht dafür eine sapphische Frau zu sein. Der Kummer darüber frisst mich gerade zu auf und ich weiß nicht, was ich tun kann damit das aufhört. Jedes mal wenn ich an den Song nur denke werden meine Füße kalt und es fühlt sich an als hätte ich einen Eisklumpen im Magen. Meine Brust zieht sich zusammen und es fühlt sich an, als stünde ich kurz vor einer Ohnmacht. So sehr nimmt mich das gefangen.
Ich hoffe ihr könnt mir einen Rat geben, wie ich damit umgehen könnte
liebe Grüße
Nik

Arvid Anwort von Arvid

Lieber Nik,


wenn ich Deine Zeilen lese, scheint es so, als würdest Du eine kleine Identitätskrise haben.

In der Literatur wird viel mit den Emotionen der Leser gespielt. Ein Roman soll schließlich ans Eingemachte gehen, er soll begeistern und fesseln.


Doch das ist Fiktion. Zumindest im Vergleich zu Deiner Realität.


Und Dein Leben ist die Realität.

Du bist ein Mann und wie Du selbst geschrieben hast, hetero.

So ist es nun einmal.

Es macht also keinen Sinn über ein "Was wäre wenn?" oder "Ich will eine Frau sein" nachzudenken.

Du bist, wer Du bist. Und das ist auch gut so. Denn wenn Du nicht so sein solltest, wärst Du nicht so geworden.


Was Du jetzt gerade durchmachst, ist nur eine Phase. Es ist ganz normal, dass uns bestimmte Literatur oder auch ein Film so berührt, dass wir in eine melancholische Zeit fallen. Mir ergeht es nicht anders. Doch das Entscheidende ist, nie den Bezug zur Realität zu verlieren und zwischen Fiktion und echtem Leben unterscheiden zu können

Lass etwas Zeit verstreichen und Du wirst merken, dass Du diese Krise überwunden hast. Und dann wirst Du auch nicht mehr dieses Verlangen nach einem anderen Leben haben.

Denn eines steht fest: So sehr wir uns manches wünschen, so müssen wir einsehen, dass bestimmte Dinge nie real werden können. Du bist ein Mann. Und Du wirst immer einer bleiben. Selbst Transgender behalten ihr biologisches Geschlecht. Es ist das, was wir bekommen haben, von Gott oder der Natur.

Das ist so. Alles andere wäre nur Realitätsflucht oder Leugnung der menschlichen Schöpfung.

Also lass den Kopf nicht hängen. Solche Phasen erleben viele Menschen manchmal. Schon bald wird sie vorbei sein und Du kannst Dein Leben wieder so genießen, wie Du es vor der "Identitätskrise" konntest.

Wenn Du Hilfe brauchst, kannst Du Dir gern einen Psychotherapeuten suchen und gemeinsam könnt ihr das Thema aufarbeiten. Ansprechpartner kannst Du hier suchen: https://www.therapie.de/therapeutensuche/


Alles Gute,

Arvid