Problem von Milena - 17 Jahre

Bin viel genervt und gestresst , gemein und gefühlskalt

Hallo
Ich weiß nicht mehr was ich tun soll. Ich bin jeden Tag anders gelaunt. Ich Versuche stets und ständig positiv und gut gelaunt zu sein, aber es funktioniert nicht. Ich gerate mit Leuten aneinander und im Nachhinein tut es mir wieder leid. Ich weiß oft nicht wo ich mit meinen Gefühlen hin soll und wie ich mich selbst kontrollieren kann um nicht gemein zu werden und andere zu verletzen. Ich möchte oft ernst gucken und das tue ich auch, aber irgendwie passt es nicht zu mir. Ich habe sonst immer viel gelächelt und gelacht. Könnt ihr mir helfen?:)

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Milena!

Auf die Gefahr hin, dass ich dich etwas missverstanden habe, sende ich dir jetzt meine Einschätzung:
Ich vermute, dass du aus einem ungünstigen Auffassung heraus in einen Teufelskreislauf geraten bist, der dich quält und dafür sorgt, dass du noch unsicherer und unzufriedener wirst.
Damit du verstehst, was ich meine, teile ich meine Ausführung in mehrere Unterbereiche auf.

1. Launen, Stimmungen
Soll ich dir was verraten? Ich bin auch jeden Tag anders gelaunt und erlebe über den Tag hinweg verschiedene Stimmungsnuancen sowie "Gefühlseinbrüche". Dafür bin ich auch dankbar, weil es zeigt, dass ich lebendig bin - emotional, gedanklich und rein körperlich. Wir Menschen werden erst dann frei, wenn wir uns so annehmen, wie wir sind. Dazu gehören eben auch verschiedenste Gedanken, Gefühle, Körperreaktionen und wiederum Reaktionen aus der Umwelt. Von den ganzen Reizen, die auf uns einprasseln, einmal abgesehen. Bei jeder Person zeigt es sich ein bisschen anders, d.h. die Einen neigen eher zu Stimmungsschwankungen (bei Personen mit Zyklus kommen die Hormone hinzu), die Anderen spüren weniger starke Veränderungen oder haben lediglich bestimmte wiederkehrende Auslöser. Es ist jedoch wichtig, das nicht zu bewerten. Wir sind alle einmalig und das zeigt sich auch durch unser Temperament, unsere Sensibilität und Erregbarkeit.

2. Anders sein wollen
Warum möchtest du dich überhaupt anders geben? - Mit dieser Frage fängt es an!
Ein Schlüssel zur inneren Freude, die sich in Lächeln und Lachen von Herzen zeigt, liegt in der Authentizität, also echt, du selbst zu sein.
Du bist von Haus aus stets "gut genug". Du kannst zwar lästige Verhaltensweisen ändern, etwas trainieren oder dir etwas von anderen Menschen abschauen, was du halbwegs leicht selbst umsetzen könntest. Aber du musst kein anderer Mensch sein, um dir selbst oder der Umwelt zu gefallen!
Woher kommt dieser Wunsch in dir, dich so anzupassen oder dich zu verändern? Gehe den Ursachen auf den Grund, damit du dich verstehen lernst und dadurch zufriedener werden kannst. Vielleicht würde dir auch ein psychologisches Beratungsgespräch gut tun, um die Details und Zusammenhänge aufzurollen und zu erkennen.
Eventuell bist du hochsensibel - lies dir gern einmal unsere Soforthilfe durch, um zu schauen, ob du betroffen sein könntest: https://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/53/Hochsensibilitaet.html

3. Die "Positiv-Falle"
Warum solltest du stets gut gelaunt sein? Das ergibt keinen Sinn (siehe Punkt 1). Wenn dir was Blödes am Tag passiert, ist es nur logisch, dass du dich auch ärgerst. Der Ärger darf dann zwar auch wieder gehen, aber prinzipiell ist er eine von vielen Emotionen, die du zeigen darfst. Genauso mit Trauer, Eifersucht, Neid und weiteren Empfindungen, die sich unangenehm anfühlen, aber eine wichtige Funktion haben: Sie zeigen an, was wirklich los ist in dir. Und das ist etwas Feines.

Das berühmte Niemanden-Verletzen-Wollen ist schlussendlich auch nur eine Illusion (denn a) können wir immer mal jemanden verletzen, ohne es zu beabsichtigen und b) ist es Menschen zuzumuten, dass es eben auch mal etwas [möglicherweise] Verletzendes gibt - solange man sich um Respekt und Höflichkeit bemüht, ist alles okay. Man kann nicht alles "richtig" machen!).

Ich bekomme nur am Rand mit, welch "Selbstoptimierungswahn" v.a. in den sozialen Medien betrieben und beworben wird. Dazu scheint seit einiger zeit zu gehören, möglichst "gut drauf" zu sein. Soll heißen: Man soll am besten kein echter Mensch mehr sein, sondern eine eindimensionale Puppe, die möglichst gefällig zu sein hat. Daher leben diejenigen, die sich kaum oder gar nicht in sozialen Netzwerken herumtreiben und auch sonst sparsam beim (Medien)konsum sind, deutlich entspannter und unterliegen nicht diesem Vergleichsdruck, so meine Beobachtung. Und ja, auch sehr junge Menschen können sich bewusst dafür entscheiden, sich weniger online zu sein und dafür mehr mitten im prallen echten Leben.

4. Negativer Stress
Die täglichen Anforderungen sind meistens hoch. Wenn man sowieso schon viel um die Ohren hat, ist man auch schneller gereizt, was sich dann wiederum in sozialen Kontakten bemerkbar macht (Konflikte, Streitereien, gegenseitiges Unverständnis).
Leider lassen sich Stress, Hektik und Druck (zeitlich, leistungsbezogen, sozial...) nicht gänzlich vermeiden. Doch wenn wir darauf achten, was uns besonders schadet, können wir es umgehen oder zumindest reduzieren und dafür möglichst viel von dem machen, was zu uns passt und uns Energie spendet. Die täglichen Gedanken und Gefühle gehören eindeutig zu einem positiven Lebensstil, weil wir dann ausgeglichener sind.

5. Die Folgen
Wer sich verstellt oder versucht, anders zu sein, als es eigentlich dem eigenen Wesen entspräche, bekommt früher oder später die Quittung. Es kann sein, dass dein Gefühl von Unausgeglichenheit und Unglück genau daher kommt (vielleicht auch in Kombi mit anderen Ursachen).
Wenn du zu Anderen gemein bist, zeigt es an, dass du zu dir selbst gemein bist. Genauso mit der Gefühlskälte.

6. Veränderungen
Fang' bitte wieder an, dich zu spüren, dich in allen Varianten anzuerkennen und zu schätzen. Dann kannst du das auch Stück für Stück nach außen tragen und eine liebende Person sein, die von den Mitmenschen gemocht wird (ohne etwas Künstliches dafür machen zu müssen!). Das ist tatsächlich etwas, was du üben kannst: Wenn etwas in dir hochsteigt, kannst du es aufmerksam "betrachten", also innerlich da sein lassen und durchleben. Das ist ein bisschen so, als wärst du eine Forscherin, die etwas Interessantes entdeckt hat und mehr darüber wissen will, nur dass es in erster Linie um deine Wahrnehmung und das Fühlen geht. Die Erkenntnis, der Verstand kommen danach. Also erst Spüren und Akzeptieren, dann Schlüsse daraus ziehen.

Sprich auch mit vertrauten Menschen über deine Empfindungen, schreibe sie auf, wandle sie vielleicht um in etwas Schöpferisches (z.B. ein Bild, eine Collage, etwas Gebautes, einen Songtext...).

Sollte es sehr schwierig für dich sein, überhaupt etwas zu spüren oder solltest du unter starken Stimmungsschwankungen leiden, wäre das schon erwähnte psychologische Gespräch und danach vielleicht eine ärztliche und dann ggf. therapeutische Abklärung ratsam.


Insgesamt möchte ich dir mitgeben, dass wir kein durchweg rosarotes Leben führen können; "Aufs und Abs" werden sich immer munter abwechseln (die "Abs" dürfen aber ruhig in der Unterzahl sein ;)). Umsonst gibt es den Spruch "Das Leben ist kein Ponyhof!" nicht. Andererseits haben wir viele Möglichkeiten, uns dieses Leben so annehmlich wie nur möglich zu gestalten bzw. mit den Herausforderungen mutig und kreativ umzugehen.

Liebe Milena, ich hoffe, dass ich dir ein paar nützliche Dinge an die Hand geben konnte, die dir helfen, dich besser zu verstehen und nachsichtiger mit dir umgehen zu können.
Melde dich gerne erneut, wenn du dir etwas von der Seele schreiben möchtest.

Hier gibt es ähnliche Schilderungen:
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Alles Liebe und entspannte restliche Dezembertage wünscht dir
Nuala