Problem von Anonym - 17 Jahre

Ich sehe keinen Sinn weiterzuleben.

Hallo,
Ich habe schon vor Monaten beschlossen das ich keinen Sinn sehe weiter zu leben. Ich würde auch soweit sagen das ich nur noch hier bin da ich ein relativ starker Dickkopf bin denn, ich habe bevor ich zu diesem Entschluss gekommen bin mir 3 Lebensziele gesetzt die ich noch "abhaken" muss. Die wären: 1. Feiern gehen, 2. Intime Erfahrung sammeln und 3. ein Auto zu besitzen um unabhängig zu sein. Eins meiner Ziele habe ich schon "abgehakt". Das heißt ich habe noch zwei Ziele vor mir die ich wahrscheinlich in naher Zukunft ebenfalls "abhaken" werde. Jetzt wo ich das hier schreibe wird mir bewusst das ich von ca. 1-3 Jahren verbleibende Lebenszeit rede.

Meine Mutter ist als ich 15 war an Krebs verstorben und da ich eine kleine Schwester habe die zu dem Zeitpunkt 9 Jahre alt war hat sie mir am meisten leid getan. Man könnte dann ein Argument erwähnen wie z.B. Deine Schwester braucht dich oder Du kannst deine Schwester nicht alleine lassen etc. aber ich habe selbst gesehen wie gut meine Schwester sowas meistert. Ich mache mir in diesem Punkt keine Gedanken.
Meine Familie ist dementsprechend sehr verstritten und es sind Äußerungen gefallen wie z.B. das mein Vater ein Mörder sei weil er zu dem Zeitpunkt auf uns aufgepasst hat und so weiter.
Ich habe selbst eine zwar sehr Mildere aber trotzdem starke Anschuldigungen bekommen deswegen ist es mir egal was meine Familie von mir hält oder möchte das ich lebe sowas in der Art.

Was ich eigentlich damit sagen möchte ist, dass ich aktiv nach Gründe gesucht habe weiterzumachen aber ich finde jedes mal einen noch stärkeren Grund aufzuhören.
Was mir zum Glück meinen Alltag erleichtert sind Videospiele auf meinem PC und Animes. Ein Haufen von Animes. Videospiele, Serien und besonders Animes sind sowas wie meine kurzeitige Pause und Flucht vor der Schule (Ich mache Abitur momentan) und Leben.
Hätte ich keine Videospiele und Animes wären mir wahrscheinlich auch meine drei Ziele egal.

Natürlich habe ich Freunde und auch wenn es nur ein paar wenige sind und der Rest Kollegen würde ich niemals mit denen sowas bereden weil ich aus Erfahrung weiß das es entweder noch schlimmer wird, die Freundschaft sehr "komisch" wird etc.
Ehrlich gesagt interessiert mich Freundschaft, Beziehungen und das Soziale zusammenleben (damit sind Nachbarn und allgemein neue Menschen gemeint) nicht mehr. Ich behalte meine Freunde und lasse sehr selten neue dazu hinein, da sie vielleicht auch noch traurig werden nach meinen Zielen.

Ich möchte keineswegs den Eindruck vermitteln das ich nichts mit Sozialismus zu tun haben möchte oder neue Freundschaften schließen möchte, nur ich stelle mir dann vor was daraus wird wenn ich nicht mehr lebe. Und so denke ich auch beschütze ich meine Mitmenschen und mich selbst ein wenig.

Es gibt auch Personen die mich nicht mögen was vollkommen in Ordnung ist, ich bin auch relativ froh darüber es heißt nämlich die werden nicht traurig sein.

Ich habe sehr viele Fehler in meiner Kindheit gemacht denn ich war in der 5-7 ein schon recht aggressiver Mobber worauf ich keineswegs stolz bin. Das hat sich aber schnell in der 8 gelegt da ich zu dem Zeitpunkt aktiv Freundschaften geschlossen habe. Anschließend habe ich mich bei jedem ehrlich entschuldigt der in irgendeiner weise durch mich eine schwere Zeit hatte. Ich wurde während der gesamten Grundschule gemobbt wodurch ich dann meinen Frust an jemanden anderem ablassen musste.

Ich sehe mich nicht komplett als schlechter Mensch aber ein weißes Schaf bin ich auch nicht.

Ich müsste soweit alles gesagt haben was ich zu diesem Zeitpunkt um 4:01 Uhr Nachts sagen würde.
Wie gesagt habe ich mehrere Monaten aktiv nach Gründe gesucht um weiterzuleben und habe so ziemlich alles durch deswegen bin ich gespannt auf eure Meinung.

Ich akzeptiere jegliche Meinung und erwarte keine "Zurückhaltung" ich möchte eine Ehrliche Konfrontation mit meinem Text.
Ich hoffe das kommt nicht falsch herüber und entschuldigt bitte meine Rechtschreibung.
LG.

Arvid Anwort von Arvid

Lieber Hilfesuchender,

Wenn Du direkte Hilfe benötigst, wende Dich am besten an die TelefonSeelsorge unter:
0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 (Anruf ist kostenfrei).

Zu aller erst möchte ich Dich bitten, dass Du über eine Psychotherapie nachdenkst. Es kann sehr sinnvoll sein, mit einem Professionellen über das zu sprechen, was einen bedrückt und dann gemeinsam nach Lösungen für die Probleme zu lösen. Und da Du offensichtlich einer Identitätskrise unterliegst, bzw. eine depressive Phase durchlebst, wäre das momentan sehr wichtig für Dich.
Therapeuten kannst Du hier suchen: https://www.therapie.de/therapeutensuche/


Ziele sind wichtig. Sie helfen uns, das Leben anzupacken. Ohne Ziele werde viele Menschen passiv und lassen das Leben einfach so geschehen. Nicht nur das: Manche Menschen brauchen Gründe, um aktiv zu werden.
Hierbei sollte man kurzfristige Ziele von Lebenszielen unterscheiden. Die von Dir beschriebenen Ziele hören sich eher nach kurzfristigen Zielen an. Aber auch, wenn Du Lebensziele hättest, z.B. eine Familie gründen, eine Weltreise machen, usw. Das wichtigste Ziel im Leben ist aber ganz einfach:

Das Ziel des Lebens ist es, zu leben.

Das mag hochtrabend philosophisch klingen und sicherlich lässt sich das auch diskutieren. Aber die Quintessenz beschränkt sich darauf, dass allein die Tatsache, dass wir leben Motivation oder Grund genug sein soll.

Das ist schwer, keine Frage. Gerade früher in meiner depressiven Phase war das so gut wie unmöglich. Ich sah den Sinn im Leben nicht mehr. Aber eines habe ich gelernt:

Es ist trotzdem besser als der Tod.

Was erwartest Du Dir vom Tod? Es bedeutet, dass nichts bleibt. Der Tod ist endgültig und Du kannst ihn nicht rückgängig machen. Das sollte Dir klar sein.

Und weil Du um eine ehrliche Antwort gegeben hast: Ich finde es sehr egoistisch und rücksichtslos, dass Du "entschieden" hast, nicht mehr weiterleben zu wollen. Als wäre das etwas, welches man so einfach entscheiden könnte. Du hast möglicherweise nicht verstanden, worum es dabei geht: Es geht um das eigene Leben, das Wertvollste auf der Welt.

Du hast dieses Leben geschenkt bekommen, um es zu nutzen. Und nicht, um es wegzuwerfen.

Ich muss zugeben: Auch ich habe früher hin und wieder mal an Suizid gedacht. Aber weil ich diese Erfahrung gemacht habe und den richtigen Weg beschritten habe, kann ich Dir heute sagen, dass Deine Gedankengänge falsch sind.

Bei gewissen Dingen gibt kein eindeutiges "Richtig" oder "Falsch". Aber bei Selbstmord ist das anders. Denn egal wie groß unsere Probleme sein mögen: Das Leiden im Leben hat einen Sinn. Wir sollen aus schlechten Zeiten lernen.

Suizid ist die schlimmste Form von Egoismus.

Denn dabei denkt man nur an sich selbst und seine eigenen Probleme. An die Mitmenschen und wie sehr man diese unglücklich machen würde, verschwendet man oftmals keine Gedanken.

Natürlich ist es sehr schlimm, als Kind seine Mutter zu verlieren. Dafür möchte ich Dir mein Beileid aussprechen! Aber Deine Mutter hätte bestimmt nicht gewollt, dass Du in Deinem Leben keinen Sinn mehr gibst. Du solltest ihr deswegen die Ehre erweisen und ein gutes Leben weiterleben.


Jetzt möchte ich ein wenig auf Deine anderen Zeilen eingehen:

Es ist völlig in Ordnung, einen festen Freundeskreis zu haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wenige gute Freundschaften viel mehr wert sind, als immer neue Freunde mit denen man doch nicht so dicke ist. Was Du beschreibst ist also vielleicht sogar die richtige Entscheidung für Dich.

Und auch das mit den Videospielen und Animes empfinde ich als einen guten Ausgleich zum oftmals tristen Leben. Wahrscheinlich deswegen, weil es das genauso liebe.

ABER: Es gibt eine Grenze, welche wir erkennen sollen. In der Fiktion ist alles genauso, wie wir es haben wollen. Das Leben der Charaktere ist oftmals viel spektakulärer und toller als unser echtes Leben. Doch das ist nicht real. Das muss uns bewusst sein. Und es ist wichtig, dass man dieser Fiktion nicht nachtrauert. Denn es ändert in unserem echten Leben nichts.
Animes und Videospiele sind super. Aber es braucht eine gewisse Distanz. Das echte Leben sollte im Fokus stehen.

Fehler zu machen gehört zum Menschsein dazu. Perfektionismus existiert nicht. Es gibt keine "weißen Schafe" unter den Menschen. Jeder macht seine Fehler. Und manchmal machen wir auch echt schlimme Fehler. Das ist nun einmal so. Entscheidend ist, dass wir aus Fehlern lernen und dieselben nicht noch einmal machen.

Du magst Dich vielleicht in einem schlechten Licht sehen, weil Du Fehler gemacht hast. Aber ich kann Dir eines versichern: Wenn Du Dein früheres Fehlverhalten aufarbeitest und ein besserer Mensch wirst, hast Du viel Weisheit gewonnen und wirst glücklich werden können. Der Schlüssel zu einem glücklichen Leben ist ein positives Selbstbild, welches sich auch auf alle anderen Bereiche im Leben auswirken wird.


Lieber Hilfesuchender, der Tod löst keine Probleme. Er verändert nichts. Echte Veränderung kannst Du nur erreichen, indem Du Dich dafür einsetzt. Ist Dir Dein Leben zu langweilig, such Dir neue Leidenschaften. Sport zum Beispiel oder Musik, Kunst, etc. Für manche Menschen ist der Sinn des Lebens auch, einfach für andere da zu sein. Du könntest Dich ehrenamtlich engagieren: Für Mitmenschen, für Naturschutz, für einen Verein.

Dass Du momentan keinen Sinn im Leben siehst, ist nur eine Phase. Aber vergiss bitte nicht, dass schwere Zeiten zum Leben dazugehören. Sieh sie als Herausforderung. Und in diesem Moment ist die Bewältigung dieser Krisen Dein Sinn.

Man kann viel darüber philosophieren, was der Sinn des Lebens genau ist. Wenn Dich das mehr interessiert, könntest Du nach Deinem Abitur ein Philosophie-Studium beginnen. Doch wie man es auch dreht und wendet:

Der Sinn des Lebens ist es, zu leben. Ganz einfach. Deswegen lebe jeden Tag, jeden Monat und jedes Jahr. Mit all den Schwierigkeiten, aber auch schönen Momenten. Eine Therapie kann Dich auf diesem Weg unterstützen.


Alles Gute,

Arvid