Problem von Anonym - 21 Jahre

Kann nicht glücklich sein

Seit einem Jahr habe ich Depressionen und bin auch teilweise in Therapie. ich nehme Antidepressiva und habe vor einem Monat die Dosis runter gesetzt (glaube aber nicht das es damit etwas zu tun hat, denn solche situationen gab es schon öfter)
Mein Problem: ich kann nicht glücklich sein. Wenn andere um mich herum glücklich sind schraube ich instant runter und bin neutral bis schlecht gelaunt. Es fühlt sich an als müsste mein Umfeld zuerst auf mein Stimmungslevel damit ich es erhöhen kann (vor allem beim engeren Umfeld). Wenn ich nicht auch gut drauf bin sind mit happy deppy Leute einfach zu viel. Beim Gedanken daran Spaß zu haben kommen mir die Tränen. Ich weis nicht ob ich ehrlich eifersüchtig auf andere bin die einfach Spaß haben oder ob ich mich zu sehr dazu verpflichtet fühle glücklich zu sein. Jedenfalls habe ich das Gefühl irgendetwas hält mich davon ab einfach glücklich zu sein.

Die Situation die mich dazu veranlasst hat hier heute Hilfe zu suchem war folgende:
ich komme von der arbeit nach hause. zuerst ist alles gut. Mein Freund überlegt was er den restlichen Tag macht. ich nehme mir vor zu zeichnen und fühle mich damit eigentlich auch sehr gut. Er ruft seinen besten Freund an und sie entscheiden mit ihren Gitarren raus zu gehen, vielleicht auch zum Dropkick Murphys Konzert, zu dem ich auch zufällig eingeladen wurde. während sie telefonieren und gut drauf sind, merke ich wie es mir schlechter geht. nachdem mein Freund gegangen ist bin ich so richtig depressiv und nur am heulen. nach einem kurzen nap überlege ich ob ich vielleicht auf das Konzert gehen soll. Ich höre mir eines der neuen Lieder an. Es gefällt mir und ich weis ich könnte auf dem Konzert Spaß haben. Und sofort schießen mir wieder die Tränen in die Augen und halten mich davon ab raus zu gehen.

Vielleicht sabotiere ich mich selbst, vielleicht will ich einfach das mich jemand rettet, vielleicht halte ich es nicht aus, dass es anderen gut und mir schlecht geht. ich will einfach Spaß haben und mir nicht ständig den Kopf zerbrechen. Ich will jung und dumm sein, aber wenn sich die gelegenheit bietet sagt meine Laune einfch Nein! Und es einfach zu ignorieren und sich zum Spaß zu zwingen fühlt sich auch falsch an.

ich brauche einfach eine erklärung dafür. ich will nicht das es mir aschlecht geht ich will nicht depressiv sein, aber ich sehe leider keinen Sinn im Leben.

Vielen Dank schonmmal für die Zeit und Hilfe

Arvid Anwort von Arvid

Liebe Hilfesuchende,

schön, dass Du Dich mit Deinem Anliegen an uns wendest.


Zum besseren Verständnis unterteile ich Deine Zuschrift in mehrerer Abschnitte:

1. Antidepressiva

Wenn Du die Dosis des Antidepressivum verändert hast, lässt der Spiegel in Deinem Blut etwas nach. Einerseits wird dann weniger Serotonin im Gehirn zurückbehalten. Andererseits kann es in der ersten Zeit mit einer schwächeren Dosis zu einer Verschlimmerung der Depression kommen. Deswegen sollte man das Medikament zum Beispiel auch schleichend absetzen.
Deine Stimmungsschwankungen könnten mit unter eine Reaktion dieser Dosisanpassung sein. In diesem Fall bleibt Dir nur, die Zähne zusammen zu beißen und diese Phase zu überstehen.
Auf jeden Fall solltest Du eine Absenkung der Dosis mit Deinem Therapeuten besprechen und die Einnahme ggf. wieder erhöhen, wenn es nicht besser wird.


2. Ursache der Depression

Die Depression ist eine sehr unangenehme Krankheit, schon allein aufgrund der Fülle an Symptomen. Die Medikamente dienen hierbei lediglich der Linderung der Symptome, sie machen jedoch nicht gesund. Und dennoch ermöglichen sie in vielen Fällen erst eine Veränderung im Leben. Denn oft ist die Depression so stark, dass man nichts mehr machen kann. Man hat keine Motivation, sein Leben zu verändern. Das erlebst Du ja selbst öfters.

Doch wenn Du wieder gesund werden willst, gibt es nur eine Möglichkeit: Du solltest die Ursache der Depression angehen. Jede Krankheit hat einen Auslöser, einen Grund.
Es soll zwar so sein, dass manche Menschen anfälliger für psychischer Erkrankungen sind als andere. Aber trotzdem hat jeder Erkrankung ihre Ursache.

Und wenn Du die Ursache beheben kannst, ist die Krankheit besiegt.

Dein primäres Ziel sollte also sein, der Krankheit auf den Grund zu gehen.

Am besten geht das durch eine regelmäßige und intensive Psychotherapie. Und da Du geschrieben hast, dass Du "teilweise" in Therapie bist, brauchst Du diese vielleicht intensiver, also mindestens einmal in der Woche eine Sitzung.

Nach Therapiemöglichkeiten kannst Du hier suchen: https://www.therapie.de/therapeutensuche/

Bei der Therapie wäre auch eine Persönlichkeitsanalyse sinnvoll. Denn auch unser Charakter hat Auswirkungen auf den Umgang mit der Depression.

Um die Ursache Deiner Depression zu bestimmen, kannst Du zeitlich zurückdenken. Was ist vor etwa einem Jahr bei Dir passiert? Welches Ereignis in Dieser Zeit könnte der Auslöser gewesen sein?

Auch das ist etwas, was Du mit Deinem Therapeuten herausfinden könntest.


3. Deine Rettung

Ich glaube, dass dieser Wunsch von Dir nach Rettung mit der Depression und Deiner Persönlichkeit zusammenhängt. Und auch Deine mögliche Selbstsabotage ist tief darin verankert.

Zunächst möchte ich Deine Beziehung ansprechen.

Bist Du mit Deiner Beziehung zufrieden? Bekommst Du von Deinem Freund die nötige Aufmerksamkeit, Zeit und Liebe?

Denn möglicherweise möchtest Du auch von ihm gerettet werden. Oder vielleicht sehnst Du Dich in Euer Beziehung auch nach mehr Liebe.

Anhand Deiner Beschreibung könnten diese innere Trauer und der Wunsch nach Rettung damit zusammenhängen. Denn es geht Dir ja auch dann schlecht, wenn er nicht da ist und Du allein bist, bzw. er seinen Spaß hat und Du nicht.

Hier könntest Du Dir gezielte Fragen stellen: Warum fühlte ich mich immer schlechter, als er sich verabredet hat? Weshalb geht es mir nicht mehr gut, wenn sie eine tolle Zeit haben?

Ich denke, dass es Dir auch um Aufmerksamkeit geht. Vielleicht möchtest Du, dass Deine Probleme, Sorgen und Ängste wahrgenommen werden. Dass Du Mitgefühl erfährst. Und dass Du Dich deswegen selbst Steine in den Weg legst und weiterhin unglücklich bleibst. Auch das kann der Grund für diesen Wunsch nach Rettung sein. Besprich das bitte auch mit Deinem Therapeuten. Denn das ist ein Teil Deiner Persönlichkeit und relevant für die Persönlichkeitsanalyse.

Interessant ist auch Deine Wortwahl: Du möchtest "gerettet" werden. Eine Rettung ist mehr als nur Hilfe. Eine Rettung ist meist der letzte Ausweg aus einer bedrohlichen Situation. Und damit man Rettung benötigt, muss bereits vieles sehr schlimm sein.

Doch wie soll diese Rettung aussehen?

Im Grunde hast Du doch auch die Möglichkeit, selbst dafür zu sorgen, dass es Dir wieder besser geht. Durch eine intensive Psychotherapie, temporärer Medikamenteneinahme und Veränderungen im eigenen Leben.

Du kannst Dich selbst retten. Und das solltest Du auch tun.

Denn Du solltest Dich dabei nicht zu sehr auf andere verlassen. Es geht um Deine eigene Gesundheit und dafür bist Du selbst zuständig.

Darauf zu warten, dass irgendjemand kommt, der all Deine Probleme beseitigt und die Krankheit besiegt, Dich also rettet, ist verschenkte Lebenszeit.

Deswegen kannst Du selbst Deine Rettung sein. Indem Du proaktiv nach einer Verbesserung in Deinem Leben strebst.


4. Veränderungen und ein neues Leben

Zunächst sind die regelmäßige Therapiesitzung und die Einnahme der Medikamente der sinnvollste Schritt auf dem Weg zur Besserung. Denn beides kann es Dir erst ermöglichen, Dein Leben zu verändern.

Läuft Dein Leben halbwegs stabil, bist Du in der Lage, Die Ursache für die Depression zu beheben, sofern Du sie herausgefunden hast.

Und dann kannst Du Dein Leben umkrempeln, es völlig verändern, indem Du z.B. Neues in Dein Leben integrierst.

Hierbei hast Du so viele Möglichkeiten:

- einen neuen Sport anfangen (z.B. Klettern, Kampfsport, Wassersport, Tennis, usw).
Sport trägt enorm zur Gesundheit bei, auch zur psychischen. Und Du lernst im Verein neue Menschen kennen.

- Such Dir ein Ehrenamt (z.B. THW, Lebenshilfe für alte Menschen, NABU und andere Naturschutzorganisationen, usw.)
Anderen Menschen zu helfen, kann sehr glücklich machen. Du tust Gutes, lernst tolle Menschen kennen und bist in Gesellschaft

- Geh öfter in die Natur, spazieren oder Radfahren: Frische Luft tut gut und macht gute Laune.

- Höre aufmunternde Musik, geh ins Kino, gern mit Freunden und gönn Dir hin und wieder mal einen Filmeabend.

- schreibe Geschichten und Gedichte, schau Deinen Lieblings-Anime

- usw.

Es geht hierbei darum, Deinem Leben neuen Sinn zu verleihen. Dann bist Du auch motivierter, Dich den Herausforderungen des alltäglichen Lebens zu stellen.


5. Abschließende Worte

Liebe Hilfesuchende, Deine Situation kann sich ändern. Dabei hast Du die Möglichkeit, diese Veränderung selbst zu bewirken. Denn letztlich bist Du für Dein Leben selbst verantwortlich. Und auch wenn Menschen gerettet werden, solltest Du in Deinem Fall nicht darauf warten. Du kannst Dir selbst helfen.
Der effektivste Weg zu einem besseren Leben ist die Beseitigung der Ursache Deiner Depression. Wenn Du regelmäßig zur Therapie gehst, solang es notwendig ist Dein Medikament nimmst und Dein Leben mit neuem Sinn füllst, kannst Du den Weg in ein neues Leben beschreiten und wieder gesund werden.

Für diesen Weg, der vor Dir liegt, wünsche ich Dir alles Gute.


Du kannst uns jederzeit wieder schreiben, wenn Dir etwas auf dem Herzen liegt. Wir würden uns auch freuen, von Dir zu hören, wenn es Dir wieder besser geht.


Alles Gute,

Arvid