Problem von Anonym - 22 Jahre

Alles perfekt?

Hallo,liebes Kuka-Team,

Eure Seite kenne ich jetzt schon seit längerem und habe mich nun endlich dazu durchgerungen,Euch zu schreiben,weil es mir sehr sehr peinlich ist,daß ich in meinem Alter noch so ein "Teenager"- Problem habe.Ich hoffe,daß ich mich überhaupt traue, es abzuschicken. Also,wo soll ich anfangen?
Seit ich denken kann,hatte ich eine ziemlich problematische Einstellung zu meinem Aussehen (insbesondere zu meinem Körper).Schlimmer wurde es,als ich nach der Grundschule aufs Gymnasium ging,weil ich dort ständig eine Außenseiterin blieb.Wenn ich Freunde gehabt hätte,hätte es sich vielleicht gebessert,aber ich blieb immer allein.Hinzu kam,daß viele über mich lästerten und lachten und echt fiese Kommentare über mich abgaben.Im Alter von fünfzehn war ich dann fast in die Magersucht abgerutscht (39 Kilo bei 1,70)
und nur weil meine Mutter drohte,mich ins Krankenhaus einzuweisen,fing ich wieder an zu essen (habe einen Horror vor Ärzten und Krankenhäusern).
Mit siebzehn hatte ich dann meinen ersten richtigen Freund.Er war siebzehn Jahre älter als ich,und zuerst dachte ich,daß alles gut lief.Aber dann fing er an,mir unter die Nase zu reiben,daß ich ihm zu dick wäre und überhaupt viel hübscher sein könnte und verglich mich ständig mit irgendwelchen Titelbildern,flirtete vor meinen Augen mit anderen Frauen und so.Was das Körperliche anbetraf - ich will es nicht Vergewaltigung nennen,weil ich ja gesagt habe,aber er drängte immer so,und noch heute wird mir schlecht,wenn ich an die Male mit ihm denke.Da fing das dann wieder an mit den Freßattacken und abwechselnden Fastenkuren.Als ich dann wegen des Studiums umzog,brachte ich endlich die Kraft auf,mich von ihm zu trennen,und das kam einer Erlösung gleich,vor allem,weil ich jemanden kennenlernte,der mich beinahe auf Händen trug.Bei ihm stellte sich allerdings heraus,daß er nur auf Sex aus war,und das war erst recht die Hölle für mich; es war auch bald Schluß.Kurz darauf überstürzte sich alles: Ich fand keinen rechten menschlichen Anschluß in meiner Umgebung,fing an zu trinken,extrem viel zu rauchen und sogar zu kiffen.Ich nahm mal extrem ab und dann wieder zu,aß tagelang gar nichts und stopfte dann wieder alles in mich rein,was ich finden konnte,weil ich mich selbst auch unerträglich häßlich fand und vor allem niemandem zum Reden hatte.Die Jahre als Außenseiter haben mich ziemlich mißtrauisch werden lassen,und ich habe auch mitgekriegt,wie Leute in meiner unmittelbaren Umgebung über mich reden.(Ein Beispiel:Einmal hat jemand direkt vor meiner Tür laut gesagt,ich hätte einen echten Knall und wäre geistesgestört.)Außerdem scheinen auch die Sprüche über meine Häßlichkeit nicht weniger zu werden,erst vor kurzem hat mich so ein Typ damit provoziert,bis ich fast geheult habe.Nun,letztes Jahr war es beinahe so weit.
Eines Abends im November saß ich wie immer allein und wieder einmal total betrunken in meinem Zimmer,und da kam ich in meinem Rausch auf den Gedanken,es sei eine gute Idee,ein wenig mit einer Rasierklinge herumzuspielen.Ich weiß nicht mehr wieviel Alkohol ich intus hatte,auf jeden Fall habe ich zuerst nur ein bißchen an den Unterarmen herumgeschnitten und plötzlich merkte ich,daß ich mir die Pulsadern ernstlich angeritzt hatte.Was danach kam,weiß ich nicht mehr,aber ich brauchte Tage,um mich zu erholen und bin fast gar nicht mehr aus meinem Zimmer herausgekommen.Seitdem hab ich den Alkohol aus meinem Zimmer verbannt,weil ich weiß,daß ich schon nach einem Schluck die Kontrolle verliere.Im Augenblick bin ich in einer Beziehung und eigentlich sieht von außen alles gut aus.Vielleicht klingt das jetzt blöd,aber
trotzdem habe ich schon wieder diese Nichts-oder Alles essen Phase.Ich habe nämlich auch schon wieder solche Kommentare zu hören bekommen,ich hätte viel Fleisch auf den Knochen und einen großen Körper,sozusagen als freundliche Beschreibung für stämmig.Ich bin jetzt 1,73 m groß und wiege 63 Kilo.Das klingt nicht viel,ich weiß,aber vielleicht sehe ich ja tatsächlich dicker aus als ich bin,oder warum sagen mir die Leute ständig,ich sei "kräftig" oder "stämmig"? Nacktheit ist für mich ein großes Problem und Sex der Horror,besonders seit diesem Spruch seinerseits,ich kann mich nie fallenlassen.Vor kurzem wollte ich wieder abnehmen,habe es auch geschafft,aber anscheinend ist es ihm nicht mal aufgefallen,denn er hat gar nichts dazu gesagt.Inzwischen versucht er auch gar nicht mehr,sich mir anzunähern, worüber ich einerseits froh bin,andererseits auch traurig.Ich weiß nicht was ich noch tun soll,um für ihn attraktiv und reizvoll zu sein.Bin auch sehr schüchtern und verschlossen und gehe nicht so auf seine Freunde zu,was ihm ebenfalls als Eigenschaft sehr wenig gefällt.Bin hier immer noch alleine (wohne seit vier Jahren hier).Ich habe keine Kontakte aufbauen können,außer ein paar "Hallo-wie gehts" Bekanntschaften,ich scheine einfach nicht auf der Wellenlänge der meisten Leute zu sein.Andernfalls wären ein paar Probleme vielleicht einfacher zu ertragen.Im Augenblick kommen mir diese ganzen Erinnerungen wieder hoch,von denen ich dachte,ich hätte sie längst vergessen.Wenn ich in den Spiegel sehe,muß ich fast heulen.Wenn ich nichts esse,fühle ich mich mies,und wenn ich etwas esse noch mieser.Habe wieder so einen Jieper auf irgendwas Alkoholisches,daß ich nicht weiß,wie lange ich es noch ohne aushalte,und weiß nicht,ob ich vorm Leben oder dem Tod mehr Angst habe.Fühle mich völlig einsam und isoliert,von allen abgestoßen.Ich habe jetzt viel mehr geschrieben als ich ursprünglich wollte,tut mir leid ,daß es so lang geworden ist.Werde es nicht noch mal durchlesen,sonst mache ich wahrscheinlich doch einen Rückzieher.Ich hoffe,Ihr könnt mir helfen,ich glaube,
ich drehe sonst irgendwann noch durch.

Anwort von Sabine

Hallo!
Ich finde Deine Probleme echt heftig und sie haben Dich schon echt heftig weit gebracht. Ich habe Deine Mail jetzt zweimal gelesen und möchte Dir ans Herz legen, Dir fachliche Hilfe zu holen. Das klingt vielleicht jetzt im ersten Moment schockierend, aber manchmal schafft man es nicht mehr alleine. Du greifst auf das Ritzen, den Alkohol und andere Drogen inzwischen zurück, ganz zu schweigen von Deinem Ess-Fress-Problem.
Ich kann den Ursprung Deines Problems nicht wirklich erkennen aus Deiner Mail und weiß nicht in welche Richtung ich denken soll. Dein Verhalten streckt sich über soviele Jahre.
Denke einmal darüber nach, über dieses Problem mit einem Arzt zu sprechen, damit das alles bald ein Ende hat mit dem ewigen Kreislauf. Du hast uns geschrieben, wohl mit dem Hintergedanken, dass Du endlich möchtest das das aufhört. Wir hier können uns der Probleme für den ersten Moment annehmen und evtl. Denkstützen geben, aber lösen wirst Du es müssen. Du hast den ersten Schritt hierher gewagt und das finde ich, ist ein großer Schritt aus sich heraus. Jetzt rate ich Dir zum nächsten Schritt und mit Deinem Hausarzt genau das zu besprechen, was Du uns hier geschildert hast. Er wird Tipps und Ratschläge für Dich haben, die wir hier nicht mehr geben können, denn wir sind keine Ärzte und keine Psychologen.
So gerne ich Dir auch weiterhelfen möchte. Ich kann es nicht weiter als bis hierher. Deine Probleme, Deine Sorgen, die sitzen wahrscheinlich so tief, dass Du sie selber nicht mehr erkennen kannst. Den Einfluss, den die Worte andere auf Dich haben, den finde ich erschreckend. Das Worte einen so tief reißen können, dass solltest Du nicht mehr zulassen. Alleine ist es schwierig und ich denke, Du solltest es fachliche Hilfe heranziehen. Erschrick nicht davor. Dein Hausarzt wird Dir erklären können, wie einfach es ist Hilfe zu bekommen und Du wirst es auch bald spüren, wenn man wagt aus sich herauszukommen. Du hast es hier gewagt und bist auf dem besten Wege, dann schaffst Du es auch weiter.

Lieben Gruß.