Problem von Jasmin - 25 Jahre

Meine Freundin wurde vergewaltigt und will nicht zur Polizei

Hallo zusammen,

mein Anliegen ist folgendes: Meine beste Freundin wurde vor ungefähr einem halben Jahr auf offener Straße vergewaltigt.Nach der ganzen Sache trug sie auch heftige Verletzungen (aufgeplatzte Lippe, Prellungen, Schnittverletzungen am Rücken und am Hinterkopf, Dammriss) davon,die für alle sichtbar waren und zT noch sind. Auf jeden Fall weigert sie sich partout zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Ihre Begründung ist, dass sie sich so schrecklich schäme und Angst hat, ihr würde niemand glauben. Das ist doch total schwachsinnig! wer sollte ihr nicht glauben? So was kann man nicht spielen! Sie hat seitdem stark abgenommen, verschließt sich immer mehr, hat Depressionen,Heulkrämpfe und erzält immer wieder, wie schön es wäre, wenn das einfach alles vorbei wäre. Damit meint sie Suizid.
Ich weiß langsam nicht mehr, wie ich ihr helfen soll! Ich kann auch bald nicht mehr. Mich macht das auch sehr fertig. Aber sie tut mir so leid.
An der Uni haben wir eine Beratungsstelle, aber da möchte sie auch nicht hin...
WAS SOLL ICH NUR MACHEN?

Anwort von Sabine

Hallo Jasmin!

Im Grund wird sie es wollen müssen und Anzeige erstatten müssen.

Zum einen müssen diese Menschen, die ihr das angetan haben bestraft werden, weil sie es sonst immer wieder tun. Vielleicht trifft auch sie noch einmal auf diese Männer und sie würden es wieder tun, weil sie beim ersten Mal ja auch nicht bestraft wurden. Wenn nicht sie, dann andere. Was sie getan haben ist höchst strafbar und sollte auch umgehend bestraft werden. Dennoch kann ich auch ihre Angst verstehen.
Natürlich wird man ihr glauben. Man wird ihr auch nach einem halben Jahr noch Glauben schenken. Die Aussage, dass sie damals nicht zur Polizei gegangen ist, weil sie sich geschämt hat, hören die Polizisten sehr oft. Leider bleiben viel zu viele Vergewaltigungen unangezeigt, weil sich die Opfer schämen und Angst haben. Ich möchte wirklich nicht wissen, wie hoch die Dunkelziffer wirklich ist.

Ich kann die Angst Deiner Freundin nachvollziehen und kann mir sehr gut vorstellen, was in ihr vorgeht. Mir ist vor einiger Zeit ähnliches passiert.
Sie versucht wahrscheinlich einfach nur zu vergessen und abzuhaken. Sie stellt jedoch fest, dass es nicht geht. Das es ohne Hilfe nicht funktioniert. Um das Thema nicht ausbreiten zu müssen, fängt sie jetzt wahrscheinlich an eine Mauer um sich aufzubauen, damit niemand mehr erkennen kann,wie schlecht es ihr eigentlich geht.
Wichtig ist, dass Deine Freundin darüber spricht und sich so von den Gedanken lösen kann. Sich Fremden anzuvertrauen ist noch schwerer als schon mit einer Freundin darüber zu sprechen und wenn sie ein Mensch ist, der sowieso nicht viel über Sex gesprochen hat, dann ist es vielleicht noch unangenehmer für sie. Was ihr passiert ist, hat nicht nur äußerliche Verletzungen gebracht. Die, die Du aufgezählt hast. Die Verletzungen, die da drinnen entstanden sind, die sind viel tiefer und hinterlassen viel hässlichere Narben als sich überhaupt einer denken kann. Sie braucht Hilfe. Kaum einer schafft es alleine und wenn sie wirklich jetzt so anfängt, wie Du beschreibst, dann braucht sie Hilfe. Du kannst sie wirklich nicht dazu zwingen, aber Du kannst mit ihr sprechen und für sie da sein. Je öfter sie darüber spricht, auch über das, was sie im Traum gesehen hat und sie aufgeweckt hat, um so besser ist es für sie. Auch gute Freundinnen können manchmal gute "Psychologen" sein, weil man ihnen einfach alles erzählen mag. Das es Dich jetzt auch belastet, kann ich verstehen. Ich habe beim Lesen und Schreiben so überlegt, was ich tun würde. Ich glaube, wenn es wirklich so kritisch wäre, wie Du es im Moment über Deine Freundin beschreibst und wenn sie meine Freundin wäre, dann würde ich vielleicht einmal zu Polizei gehen (ohne Deine Freundin) und mich dort informieren, was man machen kann oder was überhaupt auf Deine Freundin zukommen würde. Einfach ein Beratungsgespräch mit einer Polizeibeamtin, wenn es auch Dir schwer fallen würde mit einem Beamten zu sprechen. Jede Dienststelle erteilt hierüber Auskunft, wenn Du sie fragen würdest.
Diese Anzeige wäre auch ein Teil oder Stück um das Erlebte weiter verarbeiten zu können. Vergessen kann man sowas vielleicht nie, aber man kann lernen damit zu leben und Deine Freundin wird es auch lernen, wenn sie sich nicht komplett anfängt jetzt zu verstecken.

Lieben Gruß