Problem von Anonym - 29 Jahre

absoluter Tiefpunkt

Hallo liebes Kummerkasten-Team,

ich weiß im Moment nicht mehr weiter...
Ich befinde mich zur Zeit im Referendariat (Gymnasiallehramt). Obwohl ich mich auf einem sicheren Berufsweg begeben habe, bin ich mit meiner Berufswahl oder (besser:) mit mir selbst nicht zufrieden.

Ich hatte damals fast zwei Jahre lang klassische Archäologie, Kunstgeschichte und Philosophie studiert. Dann wechselte ich auf zwei andere Fächer, studierte zwischendurch im Ausland weiter und machte das erste Staatsexamen hier in Deutschland.

Nebenbei machte ich eine Ausbildung in der Fitnessbranche. Dort arbeitete ich zwischen dem ersten Examen und dem Beginn des Referendariats. Eigentlich könnte ich mit meinen beiden Abschlüssen zufrieden sein, aber es belastet mich eher.

Der Fitness-Branche gehört meinm Herz, doch sie ist hart und man verdient nicht immer gut...
Um also einen handfesten Beruf zu haben, entschied ich mich dazu, das Ref zu machen. eigentlich finde ich es ganz okay, ich bin an einem guten Gymnasium, habe nette Betreuer.
Aber: dieser Druck macht mich fertig: Prüfungen ohne Ende, viel Kritik, Arbeitszeiten am Schreibtisch bis Mitternacht und am Wochenende von morgens bis Abends: Schreibtisch...Das habe ich doch schon alles hinter mir, warum jetzt schon wieder?

Für meinen geliebten Sport nehme ich mir zwar die Zeit, aber als Kursleiterin kann ich momentan nicht viel arbeiten, weil ich Choreographie-Stunden gebe, und die wollen gut vorbereitet sein.

Ich hatte ein Angebot in der Fitness-Branche (Management) und habe es zugunsten des Referendariats abgelehnt.

Ich habe nun auch Angst, dass ich das Ref nicht packe...an der Uni war alles so theoretisch, und ich stand im Ref zum ersten Mal vor einer Klasse. Mir wurde gesagt, dass ich zu hektisch wirke und mehr Selbstbewusstsein ausstrahen müsste, sonst würde ich's nicht schaffen. Die Persönlichkeit zähle mehr als 50% im Lehrerberuf.

Ich befinde mich noch im ersten Jahr, da bin ich nie mit der Klasse allein. Ständig steht man unter Beobachtung und Kritik.
Stehe ich jedoch im Studio vor den Teilnehmern, strahle ich vielmehr Selbstbewusstsein aus, woran liegt das nur?

Im Studio bin ich ein anderer Mensch. Als Trainer wird man/ frau bewundert, vom anderen Geschlecht "verehrt" usw. Das gibt einem selbstbewusstsein.

Doch im wahren Leben bin ich nicht selbstbewusst, habe Angst vor Männern, weil meine bisher einzige Erfahrung ziemlich schlecht war, und ich bin viel allein, weil ich wegen des Ref ständig am Schreibtisch sitze und nur per Telefon mit meinen Freunden und meiner Familie kommuniziere.

Ich weiß nicht genau, was mich fertiger macht: der Prüfungsdruck im Ref oder die Tatsache, dass ich mit meinen 29 Jahren noch immer Single bin und ständig vor Männern davonlaufe oder aber dieselben in die Flucht schlage, weil ich "zu kompliziert" bin.

Oder ist es, weil ich doch in die Fitness-Branche gehen möchte? Aber da müsste ich nochmal fast von vorne anfangen...

Ihr seht, ich bin noch nicht einmal in der Lage, mein eigentliches Problem klar und deutlich zu schildern.
Ich weiß nur, dass ich mich in meiner eigenen Haut nicht wohlfühle.
Vielleicht sollte ich noch kurz erwähnen, dass ich im Jahr 2004 einen lieben Menschen durch Krebs verlor und dass ich damals als Schülerin eine schüchterne Streberin war, die von ihren Mitschülern gemobbt wurde.

Ich war wirklich zeitweise ein "hässliches Entlein". Dieses lebt noch in mir (daher mein geringes Selbstbewusstsein). Äusserlich habe ich mich sehr verändert, niemand kauft mir mehr ab, dass ich tief im Innern an mir selbst zweifle. So kann man sich in einer "Fassade" täuschen.

Aber ich bin immer noch tief in meinem Herzen das hässliche Entlein, die Streberin (die jetzt im Ref allerdings völlig versagt).
Nur beim Sport bin ich die selbstbewusste, beliebte Trainerin, der keiner zutraut, dass sie fast jede Nacht Tränen vergießt.
Ich führe ein Doppelleben, glaube ich...

Ich fühle mich so undankbar, aber ich empfinde wirklich so, wie ich schrieb: ich würde am Liebsten alles hinschmeißen...vor ein paar Wochen wollte ich nur noch sterben (dieser Gedanke erschreckte mich selbst).

Was ist nur mit mir los?

Bin ich psychisch krank?

Ich weiß nicht mehr weiter...

Bitte verzeiht, dass ich euch mein Problem nicht verständlich schildern kann...ich befürchte, dass ich selbst nicht weiß, worin es eigentlich besteht...
Ich würde mich freuen, wenn Ihr mir weiterhelfen könntet :-)

Liebe Grüße aus dem Süden Deutschlands,
sendet Euch
die Referendarin

Jeanett Anwort von Jeanett

Hallo!

Ich habe den Eindruck, dass du dich selbst ziemlich unter Druck setzt. Du hast so viele verschiedene Dinge angefangen, willst alles machen und in allem perfekt sein. Leider geht das nun mal nicht.

Wenn du meinst, dass deine wahre Begeisterung in dem Job im Fitnessstudio liegt, und du hast dort im management sogar eine Stelle angeboten bekommen, dann verstehe ich echt nicht so richtig, warum du das nicht angenommen hast. Denn offenbar ist Lehrer zu sein ja auch nicht das, was du wirklich willst, oder?

Vielleicht solltest du dir mal am Wochenende Zeit nehmen und in Ruhe darüber nachdenken, was du wirklich willst. Da kannst du dir die berühmte Frage stellen: Wo siehst du dich in 10 Jahren? Glaubst du, eine gute Lehrerin werden zu können? Wenn ja, dann musst du dir auch keine Gedanken darüber machen, wenn du bei den ersten Stunden vor der Klasse nervös bist.

Du schreibst außerdem, dass du Choreographiestunden gibst! Und Kurse im Fitnessstudio leitest! Wieso hast du dann Angst, vor einer Klasse zu stehen? Leider schreibst du nicht, welche Fächer du im Gymnasium geben wirst. Vielleicht liegt es ja daran.

Also ich kann schreiben, was ich will, es kommt immer wieder auf dasselbe heraus: Nimm dir mal Zeit für dich selbst und denk darüber nach, was du wirklich willst. Klar verdienst du vielleicht als Gymnasiallehrerin mehr Geld. Aber wenn du mit diesem Job nicht glücklich bist, was nützt das dann alles?

Du schreibst außerdem ,dass du Probleme damit hast, noch Single zu sein und nicht genügend Selbstbewusstsein hast. Ich habe den Eindruck, dass das alles irgendwie ineinander greift. Wenn du einen Job ausübst, der dir Spaß macht und den du gern tust, dann wirst du mehr Selbstbewusstsein erlangen. Und mit mehr Selbstbewusstsein hast du natürlich auch mehr Chancen, Männer kennenzulernen, aus denen du dir dann den Richtigen auswählen kannst.

Versuch mal, alles etwas positiver zu betrachten. Du hast so eine Menge gelernt in deinem Leben, damit wird sich doch was anfangen lassen. Zähle dir doch mal alle deine Stärken auf, du wirst staunen, was da alles zusammenkommt.

Und denk mal über meinen Rat von s.o. nach, ich glaub, das wird dir sicher helfen.

Liebe Grüße und alles Gute!