Problem von Heidi - 36 Jahre

Time to say goodbye?

Ich fange am Besten gleich an.

Normalerweise bin ich nicht der Typ dafür, dass ich meine Probleme im Internet schilder und mir versuche einen Rat von einem "Kummerkasten-Team" zu holen. Ich habe jedoch auf Eurer Homepage ein bisschen gesurft und habe gemerkt, dass ihr teilweise sehr auf die Personen eingeht. Also versuche ich es auch mal.

Ich bin seit knapp einem Jahr mit meinem Freund zusammen. Wir wohnen zwar ein paar Kilometer auseinander, sehen uns aber trotzdem fast jeden Tag, wenn nicht sogar jeden Tag. Es lief eigentlich immer alles perfekt - tut es jetzt auch, wenn da nicht diese kleinen aber feinen Probleme wären.

Erst lügt er mich wegen seiner Ex-Freundin an, obwohl ich ihm keinen Grund dazu gegeben habe - ich hatte nie was gegen sie, beide waren ja schließlich eine längere Zeit zusammen - bis sie damit anfing und um vier Uhr in der Nacht vor seiner Tür stand oder ihm komische SMS schrieb und auch Nachts - als wir beide schon schliefen - anrief. Sie stritt es immer ab als er sie drauf ansprach, was des denn sollte? Sie wollte es immer so hinstellen, als sei es ein "Versehen" gewesen. Und anscheinend glaubte er ihr das, denn als sie zum fünften oder sechsten mal in einer Nacht anrief, habe ich ihm gesagt, er soll sie doch höflich darauf hinweisen, dass ich arbeiten muss und keine lust auf ihre Spielchen habe. Er hat ihr nichts geschrieben, oder sie angerufen. Ich war richtig verletzt, weil ich nicht verstehe, wieso er das nciht klären kann. Die beiden sind seit ca. zwei Jahre auseinander - und auch wenn man jetzt vermuten mag, er will noch was von ihr, stimmt das nicht. Da bin ich mir sicher. Er ist einfach eine Person - die nicht ihre Meinung äußern kann - naja vielleicht ist das etwas hart ausgedrückt, aber er will einfach mit niemandem streß haben.

Nachdem mein lieber Freund eines Tages etwas den Bogen überspannt hat (Alkohol) habe ich ihm gesagt, dass es mir reicht, ich wollte meine Sachen holen und etwas Abstand haben. Letztendlich versöhnten wir uns doch. Das ist jetzt ca eine Woche her. Jetzt kommt er mit dem nächsten Streß. Er hat sich bei seinen Kumpels ausgeweint, dass er ja Streß mit mir hatte - weil er so "besoffen" war.
Diese Jungs halten mich jetzt wahrscheinlich für verklemmt und zickig. Aber das ist nicht wahr, ich möchte einfach nicht, dass er über die Stränge schlägt. Weil ich doch eine schöne Beziehung haben möchte - doch die Probleme häufen sich. Meine Bekannten meinen, er wäre eventuell etwas grün hinter den Ohren, denn er ist ein paar Jahre (ich 36 J. - er 29 J.) jünger als ich. Und mit jeder Lüge die er verbreitet hat - mit jeder Lüge habe ich mehr geklammert, ich will ihn nicht einengen, doch irgendwie möchte ich keine Zeit mehr ohne ihn sein. Und das er mit seinen Jungs feiern gehen möchte, dass passt mir gar nicht, aber ich kann ihn ja nicht festhalten, ich kann ihn nicht zwingen da zu bleiben?!

Natürlich war ich etwas böse auf ihn, da ich mri wirklich mühe gegeben haben - dieses Wochenende - schön gekocht, chic gemacht usw. doch dieser Anruf seines Freundes hat mich wirklich enttäuscht, er kann doch mit mir über die Probleme reden? Und ich finde es wirklich dreist, dass sein Bekannter mich anruft um sich von mir eine Erlaubnis einzuholen, dass er mit meinem Mann weg darf. Ich bin doch nicht seine Mutter?! Ich will seine Frau sein und nicht die Mama!
Langsam fange ich an die Probleme die ich mit ihm habe zu vergessen, vielleicht werde ich schon imun dagegen? Vielleicht wird mir die Beziehung langsam egal? Vielleicht möchte ich auch mich - ich komme aus einer sehr schmerzhaften Beziehung, und meinen Sohn (9 Jahre) schützen?

Anwort von Michaela

Hallo Heidi,

das, was du beschreibst, ist nicht leicht zu übergehen, da gebe ich dir Recht. Letztlich läuft es darauf hinaus, was du davon akzeptieren kannst und willst - und was nicht. Die Gründe dafür können vielfältig sein; sie sollten jedoch nicht darin begründet sein, dass dein Freund um jeden Preis da ist, damit du dich nicht einsam fühlst, sondern handfeste Argumente für dich, damit DU dich WOHLFÜHLST.

Du schilderst deinen Freund als eher unsicheren Menschen, der, wie du so schön schreibst, "mit niemandem Stress haben will". Das ist schön und gut, wenn er damit zurecht kommt, doch letztendlich bekommt er ja trotzdem mit dir Stress, weil du es nicht akzeptierst. Ist auch dein gutes Recht. Ich wäre auch leicht säuerlich, wenn die Ex meines Freundes sich ständig bei ihm meldet. Doch da er es immer wieder vermeidet, seiner Exfreundin klar die Grenzen aufzuzeigen, scheint noch nicht genug "Druck" da zu sein. Jemanden bewusst unter Druck zu setzen ist sicher das falsche Mittel. Etwas klar darzulegen hingegen kann helfen, sich zu positionieren. Gerade Frauen fällt es oft schwer - sei es wegen der Erziehung oder der vermeintlich schwächeren Position - zu sagen: "Ich will das nicht!", weil man Liebesentzug und Einsamkeit fürchtet, was ja auch in deiner E-Mail anklingt. Andererseits stellt sich natürlich die Frage, ob ich lieber glücklich alleine bin oder unzufrieden in einer belasteten Beziehung?

Du schreibst, dass er Lügen verbreitet. Welche Art von Lügen? Und warum? Das könnte ein weiteres Zeichen für seine Unsicherheit sein. Es ist peinlich, darauf angesprochen zu werden, weil der Grund für die Lügen meist verschwindend gering ist - und der Lügende sich trotzdem so bedrängt fühlt, dass er keinen anderen Ausweg weiß. Vielleicht fühlt sich dein Freund von seinen Kumpels gehänselt, weil er mit einer älteren Frau (einer "Mama"?) zusammen ist, vielleicht ist er insgesamt eher schwach (im Sinne von hilflos). Ein Indiz dafür wäre der erwähnte Anruf seines Freundes, ob mit ihnen ausgehen "darf".
Hinzu kommt evtl. auch der Hang, ihn aufgrund seiner Art zu "bemuttern" (versteh das jetzt bitte nicht falsch, wir Frauen neigen dazu, gerade wenn wir tatsächlich Mutter sind!), sich um ihn zu kümmern, den eigenen Wert festzustellen, da du ja auch einen Partner brauchst, auf den du dich verlassen kannst. Es ist eine Art, jemanden an sich zu binden, und es ist nicht mal die schlechteste, eher die angenehmste (welcher Mann wird nicht gerne bemuttert?! Frauen übrigens auch:-) Die Frage ist, und das ist das Paradoxe, wie dein Freund das verarbeitet? Einerseits mag er es genießen, andererseits wird er vielleicht aufgezogen (und bloßgestellt durch derartige Anrufe), und weiß nicht, wie er sich positionieren soll, weil er es nicht gelernt hat oder es bequemer findet, sich über deinen Mutterinstinkt zu beklagen... Das sind alles nur Hypothesen, die deiner Realität vielleicht nahe kommen.

Es ist schwer, sich nicht seinem eigenen Groll zu ergeben und hemmungslos draufloszuschimpfen (wie eine Mutter:-). Da du seine Partnerin bist, wäre ein Gespräch sinnvoll, in dem du all diese Punkte zu ergründen versuchst, mit dem Wissen im Hinterkopf, dass sein Verhalten nichts böswilliges ist, sondern seine Strategie, die Situation zu entspannen. Dass sie auf deine Kosten geht, ist natürlich weniger schön. Gemeinsam könnt ihr euch jedoch auf eine Basis berufen, auf die ihr beide zurückgreift, wenn es hart auf hart kommt. Vereinbart Regeln, dass, wenn z. B. wieder einer seiner Freunde anruft und fragt, ob er mitgehen darf, er das Gespräch führt und nicht du (denn du hast damit wirklich nichts zu tun - er ist erwachsen!!!). Macht euch gegenseitig klar, dass Eure Beziehung einzig eure private Angelegenheit ist, die nicht in der Öffentlichkeit erläutert werden soll, um keinen Preis, weil ihr bereits gesehen habt, was sich für Probleme daraus ergeben, ganz besonders mit seiner Ex-Freundin!
Manchmal ist es auch nötig herauszustellen, dass "Leistungen" für die Beziehung anerkannt werden sollten, z. B. deine Vorbereitung für einen gemeinsamen Abend, indem man dem Partner den "Vorzug" von anderen Dingen gibt und wie sehr es verletzt, wenn all diese Bemühungen zunichte gemacht werden. Dadurch klammerst du natürlich wieder, um eine weitere Verletzung zu vermeiden - was ganz klar unter Selbstschutz läuft, wenn man bereits eine gescheiterte Beziehung hinter sich hat so wie du. Selbstschutz heißt übrigens auch, sich selbst zu bewahren, indem man sich auch mal kleinere Schäden zufügen lässt. Man trainiert damit sein Selbstbewusstsein im Sinne von: Ich lebe noch, ich empfinde noch, ich bin dankbar für die vielen anderen guten Dinge, die ich erleben darf. Immer eitel Sonnenschein stumpft genauso ab wie ständige Aggression.

Probiert, miteinander zu reden, beruft euch auf die Werte eurer Beziehung, und überlegt vor allem, wie ihr euch eure Zukunft vorstellt. Ob ihr sie gemeinsam oder jeder für sich verbringen wird, liegt in eurer Hand, und das ist auch euer Trumpf!

Ich wünsche dir alles Gute!

Liebe Grüße,

Michaela