Problem von Anonym - 18 Jahre

Sinnkrise und Sinnsuche

Ok...ich würde euch auch gerne von meinen Problemen berichten und hoffe ihr seid da nicht zu sehr überfordert mit. Ich weiß allerdings garnicht wo ich anfangen soll. Ich bin seit mehreren nicht mehr glücklich, sprich unglücklich. Ich weiß allerdings nicht so genau warum aber ich glaube dass sich das irgendwie so entwickelt hat. Es gibt also keinen bestimmten Grund dafür. Eher so viele kleine. Angefangen hat alles in der 5.Klasse. Also als ich von der Grundschule aufs Gymnasium kam. Ich muss dazu sagen dass ich eine echt glückliche Grundschulzeit hatte und bis dahin nichts auszusetzten gab. Umso größer war deshalb der Schock als ich den Großteil meiner Freunde verlor und die Mentalität sich vollkommen veränderte. Innerhalb weniger Monate wurde ich zum Außenseiter und selbst fest geglaubte Freunde wanten sich von mir ab. Jedenfalls hatte ich das Gefühl. Auf einmal taten sich völlig neue Problemfelder auf von denen ich noch garnicht gewusst hatte dass es sie gibt. Ich wollte dass es wieder so wie früher ist und dass ich beliebt bin usw. Stattdessen wurde es immer schlimmer weil ich zudem noch Probleme mit den Noten bekam. Zu der Zeit versuchte ich verzweifelt Freunde zu finden um meine Situation zu verbessern. Aber alles was vorher so einfach war, war auf einmal eine Qual. Ich hatte Angst andere Leute anzusprechen oder mich in einer Gruppe aufzuhalten die ich nicht sehr gut kannte. Alles machte mir irgendwie Angst. Das ging dann so weiter bis zur 7.Klasse. Ich habe viel versucht aber nichts schien wirklich zu funktionieren. Außerdem wurde ich gehenselt, nicht auf Geburtstage eingeladen etc. Wenn ich dann meinen "Freunden" von diesen Problemen erzählt habe, haben die mich nicht ernst genommen. Ich fühlte mich ausgenutzt und ausgeschlossen. Von da an begannen dann glaube ich meine Depressionen. Ich habe mich zurückgezogen. Ich habe viele dafür gehasst dass sie mich nicht akzeptierten. Ich habe viele schlechte Gedanken gehabt in der Zeit. Sehr perverse auch. Die muss ich jetzt aber nicht verraten. Ich hab von da an versucht Stresssituationen zu vermeiden..wie z.B ein Zwanghaftes verabreden mit egal wem. Ich muss dazu sagen dass ich mit 13 den Buddhismus für mich entdeckt habe. Ich hab mich also daran gemacht ein neues Ich zu schaffen. Ich wollte mich nicht mehr...weil ich mich auch zunehmend selbst gehasst habe. Der Hass den ich auf die anderen hatte schwanke komischerweise(Ich weiß bis heute noch nicht wieso) auf mich. Ich hasste meine Art zu sprechen, meine Art zu denken, meine Art zu Handeln und überhaupt meine Art zu sein. ich entwickelte mir eine neue Identität...mit Aussehen Charakter...neue Freunde usw. Ich weiß nicht ob das gut war das zu tun. 2 Jahre lang kam quasi keiner an mich heran...auch meine Familie nicht, die ich auch gehasst habe. Ich mache jetzt einen kleinen Sprung in die 10. Klasse. Es ist nämlich so, dass sich die anderen mit dem Alter auch veränderten und jetzt netter zu mir waren. Ich wurde mehr mit einbezogen. Auch wenn noch längst nicht alles perfekt war...so respektierten mich die anderen jedoch zunehmend. Es sschien sich wirklich vieles zum Guten zu wenden bis auf einmal ohne Grund die heftigen depressionsanfälle kamen. Jede Kleinigkeit warf mich aus dem Ruder. Alles kam in solchen Situationen wieder in mir hoch. Ich war heilos durcheinander und verstand mich nicht mehr. Und wie das Schicksal dann so spielt mussten wir in eine andere Stadt umziehen wegen dem Job von meinem Vater. Um es jetzt mal kurz zu machen: In der Zeit des Umzugs..wo ich 6 wochen lang keinen kannte waren die schlimmsten meines Lebens. Ich wollte mich auch umbringen und so. Inzwischen hab ich wieder ein Paar Freunde gefunden...darunter auch einen Freund den ich mir immer gewünscht hab. Er ist wie ich immer sein wollte und das beste ist, dass er mich auch mag und wir schon viele schöne und verrückte Dinge gemacht haben. Ich bin jetzt fast 2 Jahre in der neuen Stadt und eigentlich ist es an sich ganz ok. Ich habe hier und da ein paar Freunde. Ich bin zwar immer noch ziemlich unbeliebt aber von meinen schlimmsten Phasen hab ich mich EIGENTLICH gut entfernt. Allerdings ist es keineswegs so dass alles in Ordnung ist. Ich stoße mich ab wie nie zuvor. Alles läuft quasi unabhängig von meiner Umwelt. Ich hasse mich nach wie vor. Meine 2. Identität wird immer stärker...Ich verspüre den Wunsch zu sterben ganz häufig. Ich fühle mich tot. Ich bin innerlich ausgebrannt und müde obwohl meine Emotionen durcheinander sind wie nie zuvor. Zu jedem Augenblick hängt eine dunkle Wolke über mir. Ich verspüre zwar noch hier und da Freude an manchen Dingen ...aber ich weiß auch nicht. Ich habe den Entschluss gefasst mich umoperieren zu lassen. Ich lasse meine Nase verkleinern und mein Kinn nach vorne schieben. Vielleicht ist das die letzte Lösung. Ich kann es mir beides nicht leisten und meine Eltern wollen es nicht bezahlen und haben sogar beim Artzt schon Stress gemacht so dass der mich schon garnicht mehr operieren will. Es kommt noch hinzu dass ich schon mal wegen einer Zyste im Gesicht operiert werden musste. Das nimmt mich alles zu sehr mit als dass ich es aushalten könnte. Bitte helft mir

Anwort von Michaela

Hallo,

manchmal hat man das Glück - oder das Pech - sich schneller weiterzuentwickeln als die anderen, weil eine neue Lebenssituation dich dazu zwingt. Das kann auch ein alles andere als harmloser Schulwechsel sein! Ich hatte damals das gleiche Problem, und das, was du beschreibst, kommt mir sehr bekannt vor: Die neue Schule, schlechtere Noten, keine Freunde mehr... Alles ist anders. Und man steht plötzlich neben sich und kommt nicht mehr zurück.
Ich habe damals sehr gelitten, habe es auch nie geschafft, mich in die neue Klasse zu integrieren, hatte zwar mal eine Freundin, aber das war eher problematisch. Besser wurde es erst, als ich nochmals die Schule wechselte (weil wir umzogen) und ich dort quasi von vorne anfangen konnte. So, wie du den Buddhismus entdecktest, habe ich mich intensiv mit Musik beschäftigt, also verschiedene Instrumente gelernt, Theorie gepaukt, mich auf Konzerte vorbereitet... Alles parallel zu meinem "wirklichen", aber unerträglichen Leben mit Schule + Familie. Das hat mich letztendlich am Leben erhalten, und das war auch gut so!

Die Depressionen, die du beschreibst, kenne ich (leider) auch. Eigentlich ist doch alles in Ordnung - man lebt das "Offizielle" und das "Andere", und plötzlich kollidieren beide Welten miteinander. Warum? Ist es das Bewusstsein, dass man nie das eine mit dem anderen in der Form verbinden können wird? Ich habe auf sehr schmerzhafte Weise herausfinden müssen, dass man sich irgendwann entscheiden muss, ob man sich selbst quasi "untreu" wird, indem man an die reale Welt Zugeständnisse macht, oder ob man all das für seinen "Traum von der Wirklichkeit" aufgibt, denn man will beides.

Ich weiß, dass du es nicht lesen willst, wenn ich schreibe, dass eine Veränderung des Äußerlichen nichts bringt, weil die Probleme im Kern bestehen bleiben - das hat mir die Erfahrung gezeigt. Ich habe, nachdem mich die Erkenntnis wie ein Schlag getroffen hat, alle Aggressionen gegen mich selbst gerichtet. Was mich dazu zwang, mich mit beiden WElten so lange und so intensiv zu beschäftigen, bis mir nichts anderes mehr übrig blieb, etwas neues zu schaffen, und das ist das Leben, das ich seitdem führe. Es ist nicht besser oder schlechter als damals, sondern schlicht und einfach anders. Aber es vereint beides, was ich damals angestrebt habe.

Um jetzt mal wieder auf den Boden der Tatsachen und auf deine E-Mail zurück zu kommen: Du hast seit dem Schulwechsel feststellen müssen, dass du anders bist als der Rest der Welt. Das muss jeder Mensch früher oder später erkennen, und jeder hat seine eigene Strategie damit fertigzuwerden: Manche sind sportlich, andere Partylöwen, wieder andere vergraben sich zu Hause in Büchern... Jeder stellt sich letztlich jedoch die Frage nach dem "Warum?" und versucht es zu beantworten. Die Suche nach der Antwort geht durch viele Täler und über hohe Berge, und vielleicht ist dein Weg ja der Buddhismus. Glaube ist etwas sehr Konkretes, das dich das Leben erkennen und leben lässt, wenn du es zulässt. Leben bedeutet auch Selbstzweifel, Depression und Todessehnsucht (was heutzutage leider "totgeschwiegen" wird). Ohne Tod gibt es kein Leben, ohne Verlust keine Veränderung, ohne Abschied kein Neuanfang.

Was die Gesichtsoperation angeht, kann ich dir nur den Rat geben, es nochmals zu überdenken und die OP erstmal nicht durchführen zu lassen. Klar, ein neues Gesicht sieht anders aus, aber verändert es auch dein Denken? Verschwinden dann die Depressionen? Sicher nicht. Der Prozess der Veränderung passiert im Kopf, nicht daran. Und er dauert und braucht sehr viel Kraft, die zu investieren es sich jedoch lohnt! Frag doch mal deine Freunde, was sie davon halten würden, wenn du dich äußerlich veränderst, ob du dann für sie jemand anderer wärst?

Ich würde mich freuen, wenn du nochmal schreiben würdest, weil mich das Thema auch persönlich sehr interessiert - nicht nur wegen der verblüffenden Parallelen.

Ich wünsche dir alles Gute!

Liebe Grüße,

Michaela