Problem von Simone - 27 Jahre

Generalisierte Angst

hallo.... ich weiß jetzt gar nicht genau, wo ich anfangen soll.
vielleicht einfach ganz von vorne...
In meiner frühen Kindheit, so etwa mit 6-10 Jahren hatte ich einen "Freund" in der Nachbarschaft, der zehn Jahre älter war als ich. Ich habe ihn vergöttert und war oft bei ihm. Irgendwann hat er angefangen, sich auszuziehen und nackt vor mich hin zu sitzten. Ich sollte seinen Penis anfassen. Gelockt hat er mich mit Kaubonbons. Eine Zeit lang habe ich das sogar mitgemacht - ich war immer eine kleine Naschkatze - und ließ mich kaufen. Doch irgendwann fand ich das, was er da tat so ecklig, daß ich nicht wieder zu ihm ging. Bald darauf ließen sich meine Eltern scheiden und ich zog mit meiner Mutter und meiner Schwester in eine andere Stadt.
Als ich zwölf Jahre alt war, verbrachte ich viele Wochenenden bei meinen Großeltern. Ich wurde verwöhnt, bekam Süßes, durfte Fernsehen... manchmal sollte ich meinem Opa auf den Schoß sitzen und es war mir sehr unangenehm. Manchmal fragte er, ob ich zu ihm in die Badewanne wolle wenn er gerade badete (wie jeden Samstag) und ich auf Toilette mußte. Manchmal wollte er "testen" ob meine Brust gewachsen war.
Etwa zur selben Zeit schlief ich auch des öfteren bei meinem gleichaltrigen Cousin mit dem ich mich blendend verstand. Eines Abends waren seine Eltern nicht zuhause und sein großer Bruder brachte einen Pornostreifen mit. Der Bruder war damals 14 Jahre alt. Wir sahen einen Teil des Filmes an. Nachts wachte ich auf, weil ich eine schwitzige grabschende Hand in meiner Schlafanzughose spürte. Ich war noch etwas verwirrt und benommen und lief einfach aus dem Zimmer. Als ich am Kühlschrank stand und ein Glas Milch trank kam mein großer Cousin (der 14jährige) in die Küche und fragte ob ich nicht schlafen kann.
Eine ganze Weile dachte ich, ich hätte mir das eingebildet. Doch später manchmal, wenn ich bei den Großeltern schlief, und der Cousin auch, wachte ich nachts auf und es lag jemand hinter mir und steckte die Hand zwischen meine Beine. Ich lief jedes mal aus dem Zimmer ins Bad. Ich traute mich nie, das Licht einzuschalten. Ich hatte Angst, den Cousin zu stellen. Ich hatte angst davor, was dann passieren würde. Manchmal wachte ich nachts auf und er saß vor meinem Bett. Wenn er sah daß ich aufgewacht war, fragte er, ob ich auch nicht schlafen könne und ob wir Karten spielen wollten. Diese Dinge passierten immer immer wieder. Wenn er auch dort schlief hatte ich Angst vor der Nacht.
Also schlief ich nie mehr bei den Großeltern.
Als ich 13 Jahre alt war kam mein kleiner Bruder zur Welt. An diesem Tag verkaufte ich Kirschen am Kirschacker meines Onkels. Der Vater seiner Frau war auch mit auf dem Acker und kam immer wieder zu mir. Er war sehr nett. Doch dann interessierte er sich plötzlich sehr für meine Brust. Fragte, seit wann sie wächst und ob er sie mal anfassen dürfte. Ich sagte meinem Onkel ich wolle jetzt meinen kleinen Bruder endlich sehen und nach hause gehen. Ich habe den Mann seither gemieden. Wenn die Frau meines Onkels Geburtstag hatte und ich wußte er ist auch da ging ich nie mit. Ich erfand immer eine Ausrede.

Inzwischen bin ich 27 Jahre alt, verheiratet und zweifache Mutter und habe noch nie darüber geredet. Mit keinem.
Ich habe manchmal schwere Angsneurosen. Momentan ist eine gute Zeit. Aber manchmal geht es mir wirklich schlecht. Dann bilde ich mir Krankheiten ein, Tumore, Krebs... irgendetwas an dem ich sterben könnte. Ich male mir aus, wie meine Kinder ohne mich leben müssen. Es ist schrecklich. Ich bin manchmal wie gelähmt vor Angst.
Manchmal stelle ich mir vor, daß es ein Erdbeben gibt und das Atomkraftwerk in der Nähe es nicht heil übersteht. Daß ich mit ansehen muß, wie eines meiner Kinder stirbt und ich nichts tun kann.
Daß ich alleine mit den Kindern bin und plötzlich einen Schlaganfall habe....
Es gibt unzählig viele Ängste die mich quälen. Sie wechseln sich ab. Es sind wie Wellen, manchmal übermannt mich die Angst so, daß ich tagelang schweißnasse Hände habe und mein Herz ein harter, schwerer Klumpen ist.
Und zu anderen Zeiten, wie eben jetzt, kann ich das ganze rational sehen und wie von weit weg reflektiert darüber schreiben.
Manchmal bin ich traurig und muß weinen und kann nicht aufhören. Aber ich weiß nicht genau warum.

Ich weiß nicht, ob die sexuellen Übergriffe, die ich leider so vielfältig erleben mußte, die Auslöser dafür sind, oder ob es einfach nur eine vererbte Krankheit ist (mein Opa hatte wohl auch oft Angst-Depresssionen). Ich weiß nur, daß ich am meisten Angst davor habe, daß diese mich eines Tages so packt, daß es keine Hoch-Zeiten mehr gibt, daß sie mich nicht mehr los läßt. Daß ich lieber sterben würde als so weiter zu leben.
Ich weiß auch nicht genau, was ich von euch erwarte. Ich könnte es niemals meiner Mutter erzählen. Oder der Tante - Mutter des besagten Cousins - , denn wir sind eigentlich eine große Familie, wir treffen uns alle einmal jährlich zum Ski-Fahren und ich habe alles so weit verdrängt, daß ich auch nicht immerzu daran denken muß, wenn ich die Menschen sehe, mit denen ich dieses Geheimnis teile. Unsere Familie ist nach aussen hin eine große starke Gemeinschaft die zusammen hält. Es sind über 100 Leute, die ich nicht so brutal auseinander reißen will. Und auch nicht kann. Sonst hätte ich das schon längst getan.

Wer mich kennt, weiß nichts davon. Mein Mann weiß, daß ich des öfteren ein kleiner Angsthase bin, wie er es nennt. ABer WIE es mir in diesen Phasen wirklich geht weiß auch er nicht. Nach aussen hin bin ich immer fröhlich, freundlich, gut gelaunt. ICH bin ich nur wirklich tief in mir drin. Und wenn ich alleine bin.
Eigentlich kennt mich niemand wirklich. Und weil ich das weiß fühle ich mich manchmal auch unsagbar einsam.

Vielleicht könnt ihr mir ja irgendwie helfen.... oder einfach nur verstehen?
Viele liebe Grüße
Simone

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Simone!

Es tut mir leid, dass Dir all das in Deiner Kindheit passiert ist. Bis jetzt hast Du es mit Verdrüngung versucht, aber es holt Dich ein. Ich bin keine Psychologin, aber einen Zusammenhang sehe ich schon irgendwie. Diese lähmende Angst Deiner Kindheit betrifft heute andere Dinge; Naturkatastrophen, Krankheiten. Dinge, gegen Du nichts ausrichten könntest, so wie Du damals als Kind nichts ausrichten konntest. Jedenfalls in der kindlichen Gedankenwelt. Die Angst ist geblieben und heute sogar vor Dingen da, vor denen Du nicht weglaufen könntest.

Ich kann Dich verstehen, aber helfen kann ich kaum. Ich kann Dir nur raten, diese Dinge aufzuarbeiten, zusammen mit einem Therapeuten. Niemand muss mit einer Angsterkrankung leben. Sprich mit einem Arzt darüber, sowohl über die körperlichen Symptome als auch über die psychischen. Lasse nichts aus und hole Dir so Hilfe ins Boot.

Alles Gute!