Problem von Anonym - 23 Jahre

Umzug zum Opa

Hallo.
Vor einem Jahr ist meine Oma gestorben und mein Mann und ich hatten uns dazu entschlossen zu meinem Opa zu ziehen.
Das haben wir dann auch getan, was leider nur zwei Wochen gehalten hat. Vielleicht lag es am großen Altersunterschied (60Jahre). Nun hat mein Opa versprochen sich anders zu verhalten, auch auf unsere Wünsche einzugehen, nicht immer zu fragen wo wir hin wollen, was wir am Wochenende machen, usw.
Davor habe ich aber wirklich Angst, wir haben das zwar schriftlichfestgehalten wie es laufen soll, aber da gibt es ja keine Garantie. Im Moment läuft es so, dass wir jeden Abend zu Opa fahren und ich ihn ins Bett bringe, seine Post erledige und so weiter. Von daher sehe ich es ja auch wohl ein, dass es sinnvoll ist dort wieder hin zu ziehen, aber was ist wenn es nicht klappt... Wenn wir wieder nur zwei wochen aushalten? Mein Mann hat gesagt er hält auf jeden Fall zu mir und überläßt mir die Entscheidung. Was auch noch ein Probelm ist: die Eltern meines Mannes stehen absolut nicht zu dem Umzug. Ich kann nicht ganz sicher sagen warum. Ich glaube, dass sie sich vorgestellt haben, irgendwann mit ihrem Sohn zusammen zu ziehn! Aber ich kann doch nicht umziehen und das Risiko eingehen, mich mit seiner Familie zu verkrachen. Mein Mann ist der Meinung das ein Umzug das einzig richtige ist. Kann ich nicht eine Lösung finden, die für alle ok ist? Ich weiß nicht wie es weiter gehen kann und soll!

Vanessa Anwort von Vanessa

Hallo,

zunächst einmal muss ich dir sagen, dass ich es toll finde, dass du bereit bist, dich so um deinen Opa zu kümmern und ihn zu unterstützen. Ich werde im Folgenden auf zwei Themen eingehen, einerseits darauf, was der Umzug für euch bedeuten könnte, andererseits darauf, was für deinen Opa relevant sein könnte.

Aber zunächst zu dem Umzug. Wenn ihr, also du und dein Mann, zu deinem Opa zieht, dann geht ihr ja in gewissem Maße eine Wohngemeinschaft mit ihm ein. Und er wird auch ein Teil eurer Beziehung werden. Das heißt, wenn ihr es zuvor gewohnt ward, Entscheidungen alleine zu treffen, beispielsweise bezüglich euerer Tagesplanung, kann es jetzt sein, dass dein Opa miteinbezogen werden möchte. Das solltet ihr euch vergegenwärtigen.
Desweiteren kann es sein (muss aber nicht), dass ihr für ihn eine Art "Ersatzpartner" darstellt, der deine Oma ersetzt. Vielleicht ermöglicht dir dieser Blickwinkel ein bisschen mehr Verständnis für sein Verhalten.

Ich glaube, dass es sehr sinnvoll ist, für ih da zu sein, aber ihr solltet euch überlegen, in welchem Maße ihr das tun wollt. Eine zu enge Bindung oder eine "Ersatzbindung" führt auf die Dauer zu konflikten (nicht zuletzt zwischen dir selbst und deinem Partner/anderen Familienangehörigen). Vielleicht reicht es ja aus, wenn du nur hin und wieder zu ihm hinfährst und ihm da Unterstützung bietest, wo er sie braucht?

Dein Opa selbst hat jetzt ein kritisches Ereignis hinter sich, steckt vielleicht in einer Art Lebenskrise. Seine Partnerin (Wahrscheinlich langjährig) ist nun verstorben und er ist nun auf sich gestellt. Verscheidene Phasen der Bewältigung dieser Krise stehen ihm jetzt bevor. Wichtig für ihn könnte nun sein,
- dass er die Realität akzeptiert (und sich nicht zurückzieht, als wäre nichts gewesen)
- eine Rettung des Selbstbildes (es muss sich nun neu als Single definieren)
- eine Wiederherstellung des emotionalen Gleichgewichts
- die Aufrechterhaltung guter Beziehungen
All das wird nicht zugleich und auch jetzt sofort passieren. Du kannst ihn zwar dabei unterstützen, aber er muss das schon irgendwie selber machen. Wichtig in der Art deiner Unterstützung ist, dass dein Opa sie auch als Unterstützung wahrnimmt. Das bedeutet, dass nur Unterstützung, die auch als Unterstützung wahrgenommen wird, ihm wirklich hilft. Also, im emotionlen Bereich (sich mit den eigenen Emotioenen verstanden fühlen), im instrumentellen Bereich (Einkaufen, Post - jed nach dem, was er braucht), bei der Lösung von Problemen. Unterstützt fühlt man sich auch, wenn man sich sicher fühlt und wenn man positive Erlebnisse miteinander hat.

So, nach den ganzen "Unterstützungshinweisen" solltest du dir nun überlegen, wie du ihm die Bestmögliche Unterstützung bieten kannst. Wieviel Nähe will dein Opa überhaupt? Möchte er, dass ihr einzieht, wie äußert er sich? Wie ist es für dich - ist es stressig für dich, zu ihm zu fahren und dich um ihn zu kümmern, oder wäre es auch weiterhin in Ordnung? Gibt es die Möglichkeit, dass er Dinge selbst erlernt (ich kenne seinen gesundheitlichen Zustand nicht) - wie zum Beispiel die Bearbeitung der Post? Kannst du ihn da mit einbeziehen? Ziel sollte es sein, dass er auf langfristige Weise sein Leben wieder selbst in den Griff bekommt.
Wie schafft er es in den Bereichen klarzukommen, die zuvor deine Oma übernommen hat? Kann er kochen/kannst du es ihm beibringen/mit ihm gemeinsam kochen? Wie viel Hilfe schaffst du zu bieten, ohne deinen eigenen Freiraum zu verlieren, ohne dich aufzugeben? Gibt es andere Verwandte, die Teile deiner Aufgaben übernehmen könnten? Zum Beispiel das ins Bett bringen? Gibt es die Möglichkeit einen Pfleger zu beschäftigen, der sich um die grundlegenden Dinge kümmert?
Sprich ruhig diese Fragen und die Themen mit deinem Mann durch und erörtert gemeinsam, was das sinnvollste ist. Gib dich nicht selbst auf und überfordere dich nicht. Eine Hilfe einzustellen ist keine Unmenschlichkeit, solange du den Kontakt deswegen nicht abbrichst! Muss der Umzug wirklich sien, oder geht es auch so? Wer kann sich noch kümmern und helfen? Hört auf euer Bauchgefühl und lasst euch noch ein bisschen Zeit mit der Entscheidung!

Ich wünsche euch alles Liebe und Gute für eure Zukunft! Vanessa