Problem von Anonym - 25 Jahre

Bindungsängste oder verfälschte Realitätswahrnehmung

Hallo!

Bevor ich mein Problem schildere, möchte ich euch sagen, dass ich eine Türkin bin. Ein etwas eigenartiger Anfang aber ein nicht unwesentlicher Teil meines Problems. Ich bin von meiner Familie nicht besonders "türkisch" erzogen worden. Was leider Probleme mit sich bringt, wenn ich unter "Türken" bin. Meist wird meine Meinung nicht einmal als die Meinung einer Türkin akzeptiert, sondern direkt mit dem Satz "Du bist ja keine Türkin" abgewehrt. Natürlich wird das weniger als Vorwurf formuliert, sondern vielmehr als ein Scherz, der aber auf Dauer kaum witzig ist. Wahrscheinlich hätte ich kein Problem damit, wenn ich wirklich so deutsch wäre wie immer gesagt wird.

Na ja jetzt zu meinem Problem. Meist zieht es mich dann doch zu türkischen Männern hin, da ich nur bei diesen das Gefühl habe eine ernsthafte Beziehung zu haben. Ich hatte auch schon mal einen deutschen Freund, der in vielerlei Hinsicht wirklich toll war, aber ich konnte kein Vertrauensverhältnis zu ihm aufbauen. Ich wurde den Gedanken "Lebensabschnittspartner" nicht los.

Jetzt komme ich zu meinem Problem. Ich habe vor fast drei Jahren jemanden kennen gelernt. Er ist ebenfalls Türke, jedoch eher ein "richtiger" Türke. Er ist etwas eifersüchtig und hat bereits Probleme damit wenn ich ein Kleid in Knielänge anziehe oder etwas ähnliches. Seine Einstellungen sind mir schon gleich zu Beginn aufgefallen und ich dachte mir, bevor ich mich früher oder später für ihn verbiege trenne ich mich von ihm. Dummerweise habe ich als Trennungsgrund einen Typen genannt, den ich im Urlaub kennen gelernt habe. Ich gebe zu es war feige, aber ich wollte einen absoluten Schlussstrich ziehen und war davon überzeugt, dass er mir so etwas nicht verzeiht. Wie Recht ich doch damit hatte. Jetzt kenne ich ihn schon seit fast 3 Jahren und wir sind seit damals "gute Freunde". Wieso ich das in Anführungsstriche setze, na ja für mich ist es mehr als eine Freundschaft. Es gibt keinen Tag an dem nicht an ihn denke. Eigentlich ist er mein erster Gedanke, wenn ich morgens aufstehe und mein letzter Gedanke, wenn ich abends schlafen gehe. Ich habe ihm das auch schon einmal gesagt. Seine Antwort darauf war, dass er mir den Betrug nie verzeihen könnte. Jetzt stellen sich mir verschiedene Fragen:

1. Kann ein Mensch wirklich so endgültig "Nein, mit dir kann ich nicht noch einmal etwas anfangen" sagen? Das er mich nicht liebt glaube ich nicht. Er hatte in der Zwischenzeit keine feste Freundin. Er lernt wohl welche kennen von denen er mir auch erzählt, aber eigentlich nichts ernstes. Er sagt mir auch, dass ich eine Superfrau wäre, aber leider nicht seine Superfrau. Kann ich überhaupt herausfinden, ob er was für mich empfindet? Oder sollte ich einfach sein letztes Wort hinnehmen und auch die Freundschaft kündigen?

2. Ich weiß nicht, ob ich mich wieder so verhalten würde, wenn wir wieder zusammen wären und er sich stark bei mir einmischen würde. Ich glaube, dass ich ein Problem damit habe, wenn mir jemand Dinge vorschreiben will. Wie komme ich aus diesem Teufelskreis heraus? Ich denke in jeder Beziehung gibt es Vorschriften, die sich die Partner auferlegen. Aber wie schaffe ich es in meiner nächsten Beziehung diese Hürde zu überwinden? Diese Angst davor mich in einer Beziehung total zu verbiegen hat nicht zum ersten Mal dazu geführt, dass ich mich getrennt habe. Aber ich kann mich doch nicht anders Kleiden oder nicht mehr tanzen gehen, nur weil mein Partner das nicht will. Sogar gemeinsam Unternehmungen waren meist tabu. Oder liegt das Problem bei mir, bin ich zu egoistisch?

Vielen Dank für eure Hilfe. Falls das in meinem Fall überhaupt möglich ist. Um ehrlich zu sein, hat mich nicht einmal dieser Eintrag erleichtert. Ich werde vielmehr das Gefühl nicht los, dass man mein Problem nicht lösen kann. Ich stecke zwischen zwei Kulturen fest und passe in keine so richtig rein. :(

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich!

Ich habe schon oft über den Spagat nachgedacht, den man zwischen den Kulturen machen muss. Auch aufgrund einiger Mails, die ich hier gelesen habe. Einfach ist anders. Aber wohl dennoch machbar. Auch und gerade in Deiner Situation, da Du keinerlei Druch von der Familie ausgesetzt bist, wirklich 'Türkisch' zu sein. Oder zumindest kaum.

Weißt Du, bei einem Mann, der mir vorschreibt, wo ich hingehe, was ich anzieht, hätte ich auch Bindungsängste. Du bist ein eigenständiger, erwachsener Mensch und kannst diese Entscheidungen für Dich treffen. Du brauchst keinen Mann, der das für Dich tut. Verbiegen muss man sich in keiner Beziehung. Die Kunst ist es, den Mann zu finden, für den man es auch nicht muss. Und glaub mir, damit haben wir alle - egal welche Kultur - unsere kleinen und großen Sorgen. Ich sehe ein Deiner Mail weder eine sorgenbereitende Bindungsangst, noch eine verfälschte Realitätswahrnehmung. So, wie Du denkst, wie Du bist, kann ich es absolut nachvollziehen. Lebe danach.

Wenn die Verletzung groß ist, kann jeder Mensch ein endgültiges 'nein' aussprechen. Ungeachtet der Liebe, die er vielleicht empfindet. Jeder hat sein Mass, das er tragen kann. Wenn das erreicht ist, dann geht es nicht mehr. Nicht jeder kann einen Betrug auch verzeihen.

Die beste Möglichkeit herauszufinden, wie er empfindet, ist, zu sagen, wie Du empfindest. Wenn Du in das Blatt des anderen schauen willst, solltest Du Deine Karten auch auf den Tisch legen. Warum gibst Du Deiner Situation nicht ein Stück mehr Realität zurück, indem Du die Lüge aus der Welt räumst. Erkläre ihm den wahren Trennungsgrund. Dann wird er und auch Du vieles klarer sehen.

Ich würde im Zusammenhang mit einer Beziehung nicht von Vorschriften oder Verboten sprechen wollen. In einer Partnerschaft hat das nichts zu suchen. Es gilt, den Partner zu finden, der die gleichen oder ähnliche Grundsätze hat, so dass man wie von selbst in vielen Bereichen auf dem gleichen Nenner ist. Die Vorstellungen sollten sich ähneln, die gleichen Wünsche für die Zukunft. Ich habe von meinem Mann noch nie ein Verbot, eine VOrschrift bekommen - und noch nie etwas in der Art ausgesprochen. Es funktioniert - nur den richtigen Menschen dafür muss man finden. Was, zugegebenermaßen, eine nicht leichte Aufgabe ist.

Alles Gute!
Dana