Problem von Sereina - 19 Jahre

Vergewaltigung verfolgt mich

Liebes KuKa-Team!

Mein Problem ist eine Sache die nun schon 3 Jahre zurückliegt und die ich bis anhin immer verdrängt habe.

Also von Anfang an. Mit 16 Jahren wurde ich beinahe vergewaltigt. Ich lief am Abend alleine nach Hause, plötzlich packte mich jemand und zerrte mich auf eine Wiese. Ich kann mich an die Details nicht mehr erinnern, jedenfalls lag die Person auf einmal auf mir und ich erwachte wie aus einer Trance. Mir wurde klar in welcher Lage ich mich befand. Mit Müh' und Not wehrte ich mich und schlug ihm glücklicherweise mit genug Kraft zwischen die Beine.
Wie gesagt diese Geschichte ist schon eine Weile her. Bis vor kurzem habe ich niemandem etwas erzählt. Ich glaubte, dass ich alles überwunden habe (es ist ja eigentlich auch nichts passiert). Seit 4 Monaten habe ich nun meinen ersten festen Freund. Ich bin schon seit etwa einem Jahr mit ihm befreundet. Als ich das erste Mal bei ihm übernachtete und er sich irgendwann auf mich legte kam der grosse Schock. Es kam mir vor als würde ich wieder auf dieser Wiese liegen, obwohl ich ihn wirklich wirklich gern habe und es überhaupt nicht zu vergleichen ist. Ich stiess ihn von mir und begann zu weinen, konnte es ihm aber erst am nächsten Tag erklären. Ich wollte kein Mitleid, aber seine Reaktion enttäuschte mich.Er sagte sowas wie, wenn das stimmt dann ist es schlimm, ja. Und damit war für ihn das Thema beendet. Mit anderen Worten er glaubte mir nicht. Wahrscheinlich ist diese Reaktion auf seine Ex-Freundinnen zurück zu führen, von denen er zweimal belogen wurde.

Seitdem er diese Geschichte kennt sind einige Monate vergangen und ich habe auch mit meiner Besten-Freundin gesprochen, aber ich bin immer noch nicht wirklich begeistert über den Gedanken mit ihm zu schlafen. Es gibt meine ?guten Tage? an denen fühle ich mich für alles bereit und ich kann mich gehen lassen. Aber meistens wimmle ich ihn ab. Er bezieht dieses Abblocken auf sich und seine Männlichkeit und auf unsere Beziehung, eigentlich geht es aber nur um mich. Er meinte auch, dass er mir helfen wolle, aber ich weiss nicht wie er das könnte. Wahrscheinlich muss ich für mich alleine lernen das Sex nicht gleich Vergewaltigung ist, sondern genauso auch mit Liebe zusammenhängt. Könnt ihr mir weiterhelfen? Ich weiss nicht, wie ich meinem Freund erklären soll was ich fühle. Ich weiss nicht, wie ich ihm erklären soll wieso ich ihn abwimmle. Ich weiss nicht, wie ich mein verqueres Denken über Sex loswerde. Ihr müsst wissen, dass ich nicht sehr gut darin bin über meine Gefühle zu sprechen. Sonst bin ich nicht schüchtern, im Gegenteil, nur bei den Gefühlen happerts.

Noch zur Erklärung unserer Lage: Wir sehen uns nur samstags und sonntags, weil er im Militär ist.

Ich hoffe, dass ihr mein Problem versteht und dass ihr mir möglichst schnell Antworten könnt. Vielen herzlichen Dank!

Anwort von Sabine

Hallo Sereina!

Du hast in Deiner Mail geschrieben, dass Du 3 Jahre lang nie darüber gesprochen hast und es immer nur verdrängt hast. Es ist zur Vergewaltigung in dem Sinne vielleicht nicht gekommen, aber dieser Mann hat damals Besitz von Dir ergriffen und Du konntest Dich nicht wehren. Es kommt einer "Vergewaltigung" schon nahe, auch wenn es nur eine versuchte Vergewaltigung war. Es zu verdrängen bedeutet, dass Du es nie richtig verarbeitet hast, was damals eigentlich mit Dir geschehen ist. Du hast geschwiegen und es versucht zu vergessen. Wie Du jetzt feststellst, kann man es nicht vergessen, was den Gefühlen damals angetan wurde. Du hast Angst gehabt und dieses Gefühl der Angst ist jetzt wiedergekommen, als Dein Freund sich auf Dich gelegt hast. Wie du siehst, ist es nicht vergessen und verdrängen kann man es auch nicht. Ich habe vor einiger Zeit ähnliches erlebt und ich habe erfahren, dass man sowas nicht vergessen kann, aber man kann lernen damit zu leben. Dein Freund kann Dir schon helfen. Er kann helfen, wenn Du es zulässt. Ihr beide liebt euch und ihr möchtet Vertrauen aufbauen. Solange aber Deine Angst zwischen euch steht, könnte es schwierig werden. Wenn Du mit ihm darüber sprichst, was in Dir vorgeht und wie Du fühlst, dann kann er Dich verstehen und er kann Dir helfen. Helfen, wenn Du offen und ehrlich mit ihm darüber sprichst und nicht ausweichst. Helfen, wenn Du es zulässt, dass er Dir gefühlsmäßig näher kommen darf. Du möchtest - wenn ich es richtig verstanden habe - eine normale Beziehung mit ihm führen. Dazu gehören auch irgendwann die zärtlichen Berührungen. Was Dir der Mann damals angetan hat, hat er Dir angetan, weil er böse war und böse Gedanken hatte. Dein Freund hat jedoch keine bösen Gedanken, wenn er Dir näher kommen möchte. Zu vertrauen ist eine große Sache und man kann sich nur schlecht schützen, aber wenn man liebt, dann fällt es einem oft leichter zu vertrauen und zu geben.
Schlafe nicht mit ihm, wenn Du es nicht wirklich willst. Machst Du es unter dem Zwanggefühl oder nur, weil Du ihm einen Gefallen tun willst, dann wird es nur noch schlimmer. Sex zu haben, bedeutet auch zu vertrauen und sich fallen lassen zu können. Deine Angst verhindert im Moment, dass Du Dich gefühlsmäßig fallen lassen kannst. Wenn Du jedoch mit ihm sprichst und über das redest, was in Dir vorgeht, dann baut ihr gemeinsam eine Brücke auf, welche ihr später gemeinsam begehen könnt. Es ist nicht einfach, aber es hilft darüber zu reden. So lösen sich Deine Gedanken aus Deinem Kopf und man verarbeitet es mehr und mehr. Ich kann Dir nicht versprechen, dass Du es je vergessen wirst, aber Du kannst - wie gesagt - lernen damit zu leben. Nicht alle Männer sind gleich und nicht jeder will Dir weh tun. Es war bestimmt nicht die Absicht Deines Freundes Dich zu erschrecken. Ich kann mir gut vorstellen, dass es ihn erschrocken hat, wie Du reagierst hast. Er wollte zärtlich sein und bei Dir sein. Er wollte Dir ein Stück näher kommen um eure Gefühle noch mehr oder weiter zu realisieren. Das es für Dich ein Schreck sein könnte oder Angst auslöst, dass konnte er nicht wissen. Ich weiß, dass es schwer ist ihm zu vertrauen und ich kann Deine Angst sehr gut nachvollziehen, aber lass nicht zu, dass wieder alles verdrängt wird, sondern fange vielleicht an, es jetzt zu verarbeiten indem Du offen mit ihm darüber sprichst. Ich denke schon, dass er Dir glaubt. Ich kann mir vielmehr vorstellen, dass er so schweigsam war oder kurz angebunden, weil er nicht wußte, wie er auf die Situation reagieren sollte. Nicht jeder weiß Rat oder Hilfe, wenn er solchen Dingen begegnet. Lässt Du ihn aber an Deinem Leben mit allen Gefühlen und Gedanken teilhaben, dann kann er Dir auch helfen. Sollte es Dir unangenehm sein, wäre eine weitere Möglichkeit, wenn Du mit einem Psychologen darüber sprichst. Oftmals reicht schon eine einzige Sitzung um zu verstehen, was überhaupt in einem vorgeht.
Danke, dass Du Dich uns anvertraut hast und danke für Deine Mail. Du hast gewiss einen großen Schritt gemacht und es wäre schön, wenn Du jetzt den nächsten Schritt machst und nicht mehr stehen bleibst. Du bist bereit, dass man Dir hilft und das ist doch die beste Voraussetzung überhaupt.

Lieben Gruß