Problem von kim - 20 Jahre

Mutterersatz

halli hallo ihr...
keine ahnung warum ich hier schreibe, normalerweise mach ich das nicht und komm mit meinen problemen ganz gut klar, aber diesmal überfordert mich alles ein bisschen.
seit meinem elften lebensjahr sind meine eltern geschieden, ich hab das nie für besonders schlimm empfunden, es wurde mir immer erzählt, dass es das beste für uns alle sein, solange, bis ich dem auch glauben geschenkt hatte.
mein bruder war damals acht. meine mutter arbeitete tagsüber, meist bis in die nacht, weil mein vater uns einen berg schulden hinterlassen hatte und sich weder um alimente noch um allgemeinen unterhalt kümmerte. deshalb lag es an mir, morgens aufzustehen, früstück zu machen und meinen jüngeren bruder in den kindergarten zu bringen, ihn mittags wieder abzuholen, mittagessen machen und ihn abens ins bett zu bringen bis meine mutter von der arbeit kam. das ging meistens gut und wir hatten ein sehr gutes verhältnis zueinander. für mich war es normal geworden, mich um ihn zu kümmern...
seit zwei jahren aber, macht er was er will, man kann es mit pupertät entschuldigen, ich glaube aber, dass das nichts mehr damit zu tun hat. er nimmt drogen, hat die lehre hingeschmissen, lässt sich am wochenende vollaufen und hängt auf der faulen haut. er bemüht sich nicht einmal mehr drum überhaupt zu arbeiten, alles ist ihm zu viel. vor kurzem hat er mir 150 euro aus meiner brieftasche gestohlen, die ich brauchte um meine prüfungsgebühren zu bezahlen. als ich ihn dabei ertappte, ging er auf mich los, versuchte mich zu verprügeln und ging dann auf meine mutter los.. ich konnte ihn von ihr wegbringen, und versuchte ihn zu beruhigen, doch es ging nicht. er haute ab und tauchte bis jetzt nicht mehr auf. ich hab ein unheimlich schlechtes gewissen, weiss nicht was ich noch anfangen soll mit ihm, scheinbar ist es mir nicht möglich ihn umzustimmen, da er sich nicht helfen lassen will. ich komm mir vor als hätte ich brutal versagt, es ist alles schiefgelaufen was schieflaufen konnte, dabei hatte ich es doch in der hand. ich war ja auch auf mich alleine gestellt, und endete nicht so, ich weiss nicht was ich noch tun soll, es macht mich vollkommen verrückt....
ich weiss nicht ob ihr mir helfen könnt oder nicht, ist eigentlich auch egal, es ist aber auf jedenfall einen versuch wert....
grüsse, kim

Anwort von Michaela

Hallo Kim,

während ich das lese, entsteht vor mir das Bild einer jungen starken Frau, die schon sehr früh sehr viel Verantwortung übernommen hat, und die auch sehr viel Energie in diese Aufgabe investierte und das immer noch tut. Es ist eine Riesenleistung, wenn man sich wie eine Mutter um seine Geschwister kümmert!
Das ist eine erfüllende und auch sehr schöne Aufgabe, und ich glaube herauszulesen, dass du es bis jetzt auch ein wenig genossen hast, diese Position einnehmen zu können und deine Familie damit zu unterstützen, quasi auch am Laufen zu halten.

Aber - und das ist die andere Seite - du bist die Tochter der Familie und nicht die Mutter. Gut, ihr habt euch arrangiert, weil es nicht anders ging, und es hat auch bis vor kurzem funktioniert, bis dein Bruder ausgebrochen ist mit seinem Drogenkonsum und seinem auf-der-faulen-Haut-liegen. Dafür kannst du nichts, denn du hast dein bestes und alles (Über-)menschenmögliche getan, deine Frau zu stehen, obwohl du ja auch erst ein Kind warst!
Ich denke nicht, dass man hier von Versagen sprechen kann. Versagen bedeutet, dass etwas überhaupt nicht gelaufen ist, dass es von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, und ich kann beim besten Willen nicht sehen, dass es bei euch so gewesen ist. Gut, dein Bruder nimmt Drogen und stellt sich gegen euch. Aber dein Einfluss hat entscheidend dazu beigetragen, dass er in der Lage war, einen freien Willen zu entwickeln und ihn auch einzusetzen. Dass er sich für Drogen entschieden hat, liegt in seinem Ermessen. Das hätte auch unter anderen Umständen geschehen können, es liegt nicht an dir! Genauso hätte es gutgehen können, so wie bei dir. Er hat eben andere "Anlagen" mitgebracht, wenn du so willst.

Du schreibst einen schönen Satz: "dabei hatte ich es doch in der Hand". Es stellt sich die Frage, ob man den anderen wirklich "in der Hand" hat, denn es gibt ja nicht allzu viele Möglichkeiten: Entweder man nimmt etwas in die Hand und kontrolliert es von A-Z, oder man gibt es aus der Hand und lässt es sich frei entfalten. Was dabei herauskommt, ist, wie schon gesagt, Sache des Anderen. Du hast deine Sache gut gemacht, im Rahmen deiner Möglichkeiten, und dass es so lange so gut gegangen ist, liegt meiner Meinung auch darin begründet, dass du deine Fähigkeiten gezielt und sicher eingesetzt hast, was bei deinem jugendlichen Alter nicht die Regel ist. Du bist deinem Alter ein Stück voraus :-)

Was kannst du nun konkret tun? Ich weiß leider nicht, wie die Drogenhilfe in der Schweiz organisiert ist. Vielleicht weißt du jedoch schon jemanden, an den du dich diesbezgl. wenden kannst, vorzugsweise jemanden, der mit Drogenkonsumenten arbeitet. Gibt es so etwas wie ein Jugendamt bei euch? Dort wird man sich mit dem Thema auch weitergehend befassen. Ich denke, dass auch eine anonyme Kontaktaufnahme möglich sein wird, probier es einfach. Ich kann dir hier nur die Adressen des deutschen Kinder- und Jugendtelefons geben, vielleicht bekommst du darüber noch ein paar Infos:

Kinder- und Jugendtelefon
Telefon 0800 111 03 33
Internet: www.kinderundjugendtelefon.de
E-Mail: info@kinderundjugendtelefon.de

Ich wünsche dir alles Gute! Viele Grüße,

Michaela