Problem von Anonym - 27 Jahre

Mutter kann mich nicht loslassen

Hallo Ihr Lieben,

ich hoffe, Ihr könnt mir (27 Jahre alt) helfen. Ich bin Einzelkind, bin immer super mit meinen Eltern klar gekommen, haben viel zusammen erzählt usw. Aber seit Februar wohne ich mit meinem Freund zusammen. Bin glücklich mit ihm und wir fühlen uns in der neuen Wohnung wohl. Das wissen meine Eltern auch. Mein Auszug aus dem Elternhaus fiel uns allen sehr schwer, aber in der Zwischenzeit bin ich selbständig geworden, genieße meine Freiheit und würde auch nicht mehr zurück wollen. Bin ja erwachsen. Jedoch leiden meine Eltern noch sehr darunter. Alles hat sich immer um mich gedreht und tut es immer noch. Manchmal nervt es.
Mein Vater ist noch berufstätig, geht erst nächstes Jahr in Rente. Ich habe einen Vollzeitjob. Das heißt, meinem Versprechen, meine Eltern oft zu besuchen und den Kontakt intensiv aufrecht zu erhalten, kann ich nicht nachkommen. Es ist zeitlich schwer zu managen. Seit meinem Auszug kränkelt meine Mutter vor sich hin, hat 10 Kilo abgenommen, keinen Appetit, macht sich Sorgen um sich (grundlos), ist tagsüber alleine, da mein Vater ja arbeitet usw. Sie weint viel und es tut ihr weh, mein altes Zimmer bei ihr leer zu sehen. Ihre Magenprobleme haben sich sehr verschlechtert, so dass sie vor Kurzem sogar ins Krankenhaus musste mit Verdacht auf Magengeschwür, aber man hat nichts gefunden. Es ist bei ihr eher ein seelisches Problem. Oft schlägt sie vor, wir sollen uns eine Wohnung suchen, die nicht so weit weg ist. Dabei wohnen wir etwa 15 Minuten Fußweg entfernt. Das ist wirklich nicht weit. Ich finde es übertrieben, so dass ich nicht mal weiß, ob ich wütend sein soll oder traurig. Ich bin hin- und hergerissen. Ich weiß, dass es richtig ist, loszulassen. Habe ich ja auch. Aber sie kann es nicht, da sie keine Beschäftigung hat bzw. keine Ablenkung. Sie ist jetzt 56 Jahre alt und Hausfrau, hat keine Bekannten, mit denen sie mal was unternehmen könnte und mein Vater ist auch nicht der "optimale" Gesprächspartner für sie. Sie fühlt sich von ihm oft unverstanden usw. Ich denke, sie reden viel über mich. Bin wohl das Gesprächsthema Nr. 1 bei denen. Sie vermissen mich beide zu sehr. Das ist nicht mehr normal.
Früher kam ich ja abends immer heim und daran hat sie sich gewöhnt. Ich würde ihr gerne helfen, nehme mir jetzt vor, sie abends nach der Arbeit öfter zu besuchen. Es tut mir weh, sie so leiden zu sehen. Ich denke, sie wird/ist langsam depressiv. Sie denkt zuviel nach und fühlt sich alleine. Was könnte ich noch tun, außer mehr mit ihr zu unternehmen? Ein Haustier schenken? Johanniskraut? Bin echt ratlos. So kann es nicht mehr weitergehen. Wird sie sich jemals an meinen Auszug gewöhnen? Wenn ich jetzt etwas durcheinander geschríeben habe, tut es mir leid. Ich hoffe, Ihr versteht mich trotzdem. Danke im Voraus für Eure Antwort.

Anwort von Susi

Grüß Dich!

Ich glaube, Deine Mutter will noch nicht so recht akzeptieren, was es heißt ELTERN zu sein. Man zieht ein Kind nach bestem Wissen und Gewissen groß und muss es dann seiner Wege ziehen lassen. Jeder steht auf seinen eigenen Beinen im Leben.
Deine enge Bindung zu Deinen Eltern und der Respekt lassen Dich ein schlechtes Gewissen haben, Deine Mutter sich quasi sich selbst zu überlassen. Meines Erachtens ist allerdings ein anderes das größere Problem: Deine Eltern haben sich vermutlich tatsächlich nicht mehr viel zu sagen. Möglicherweise gab es vor langer Zeit (als Du noch zu "umsorgen" warst) eine Krise, die sie nicht wirklich aus der Welt geschafft haben, sondern zusammengeblieben sind, um Dich großzuziehen - da waren sie wieder ein Paar und hatten eine gemeinsame Aufgabe. Diese Aufgabe ist nun aber "abgeschlossen" und plötzlich stehen sie sich gegenüber wie zwei Fremde. Es wäre jetzt wichtig, dass sie gemeinsam einen Weg finden, sich als Paar wieder zu entdecken. Deine Mutter sollte sich in der Nachbarschaft nach Möglichkeiten umsehen, sich ein bisschen mehr ins Gemeinschaftsleben einzufinden. Nachbarschaftshilfen, Brauchtumsvereine, ehrenamtliche Hilfseinrichtungen wären Dinge, die mir einfallen, um Deine Mutter ein bisschen zu fordern.

Ich denke, dass Ihr Euch wirklich mal hinsetzen müsst und das Kind beim Namen nennen sollt. Sag ruhig, dass Du Dich ein bisschen unter Druck gesetzt fühlst. Eine innige, herzliche Beziehung zu seinen Eltern muss nicht zwangsläufig auch JEDEN TAG gelebt werden! Ich habe zu meinen Eltern auch eine tiefe Bindung, sie sind in allen Lebenslagen meine ersten Ansprechpartner, aber wir hören oft tagelang nichts voneinander und freuen uns über gemeinsame Stunden, die wir ab und zu finden können. Der Punkt ist: sie leben IHR Leben und ich das Meine...
Schlag doch einmal vor, dass sich Deine Mutter eine Katze, einen Hund etc. zulegt, aber bitte bitte nach wirklich reiflicher Überlegung! Offene Gespräche sind immer noch am besten!

Ich wünsche Euch alles Gute und hoffe, dass Deine Mutter einen für sich schönen Weg findet, Dich "ziehen" zu lassen :)

Die besten Grüße
Susi