Problem von Kerstin - 43 Jahre

Meine Tochter der Punk..

Hallo Kummerkastenteam,

vielleicht ist es ungewöhnlich das eine Mutter hier schreibt, aber im Moment versuche ich so ziemlich alles um meine Tochter verstehen zu lernen.
Billy ist 14 Jahre alt und seit letztes Jahr im November 04 ausgetickt. Zu dieser Zeit hat sie einen Jungen 16, kennengelernt. Dieser Junge hielt sich überwiegend in der Punkerszene auf. Er hatte auf meine Tochter einen derart großen Einfluß, das sie Weihnachten mit ihm abgehaun ist. Erst nach 7 Wochen wurde sie von der Polizei aufgegriffen. Diese Zeit in der ich nichts von ihr wußte war die schlimmste meines Lebens. Ich dachte immer, das (da in Deutschland ja die Bürokratie absolut abgehoben ist) man von Behörden in solch Extremsituationen Hilfe erwarten kann. Aber dem ist nicht so. Als Mutter muß man Geduld aufbringen, obwohl einem gesagt wird, das nichts getan werden kann. Es wird auch nicht gesucht. Die Informationen die ich zusammen getragen habe wurden ignoriert. Nachdem meine Tochter auch noch ein zweites mal für eine Woche weg war, bin ich mit ihr zum Jugendamt. Da wurde mir gesagt, das sie mit ihren 14 Jahren entscheiden könnte wie und wo sie leben möchte. Auch auf der Straße. Ich konnte es einfach nicht glauben. Sie will zwar weiterhin bei mir leben, ist aber nicht willig sich in irgendeiner Form an die Familie an zu passen. Sie geht und kommt wann es ihr passt. Die einzigen Menschen die ihr noch wichtig sind und nach denen sie sich richtet sind ihre Freunde. - Ein kleines Beispiel: Sie hat eine Taschengeldkontokarte. Mit dieser Kontokarte ist sie einkaufen gegangen - für über 1.000Euro innerhalb von 3 Tagen. Nachdem die Bank angerufen hatte weil das Konto ja nicht gedeckt war und sie somit Kartenbetrug begangen hatte, habe ich sie darauf angesprochen und ihr auch gesagt, das ich glaube, das sie nicht allein auf die Idee gekommen ist und ich glaube das ihre Freunde mitverantwortlich seien. Sie streitet das komplett ab. Aber ich kann nachweisen das es anders ist. Sie nimmt alle Schuld egal was es betrifft auf sich. Sie schützt ihre "Freunde" und liefert sich aus. Das ist doch nicht mehr normal. Wohin kann ich mich denn wenden um wirklich Hilfe zu bekommen, denn vom Jugendamt erwarte ich außer dummen Sprüchen gar nichts mehr. Ich möchte meine Tochter davor bewahren sich jetzt schon ihr Leben kaputt zu machen -- denn sie ist auf dem besten Weg dazu. Mir ist klar, das die Pupertät eine schwierige Phase ist. Aber so wie sie sich beeinflussen läßt und andere schützt, vermute ich, das sie teilweise auch gezwungen wird. Mit einem dicken blauen Auge kam sie ja schon heim und zwar genau zu der Zeit als das mit der Kreditkarte lief. Im Moment weiß ich mir einfach nicht mehr zu helfen. Wäre schön, wenn ihr mir einen Rat gegebn könntet.
Liebe Grüße Kerstin

Anwort von Phine

Hallo Kerstin!

Ich kann mir vorstellen, dass Du Dir machtlos vorkommst und die einzigen Stellen, die Dir helfen können, die zeigen sich auch machtlos. Meine Kinder sind zwar noch nicht in dem Alter, dass ich es direkt nachvollziehen könnte, aber ich kann mir schon vorstellen, dass man machtlos ist, wenn die pupertierende Tochter anfängt ihren eigenen Kopf durchzusetzen und ihre eigenen Erfahrungen machten möchte.
Ich finde es eigenartig, dass sie sich so distanziert hat. Wie war denn eurer Vertrauensverhältnis bevor sie den Jungen kennengelernt hat? Hat sie früher denn mit Dir über alles gesprochen? Falls es so war, muß ich auch davon ausgehen, dass es der Einfluss des Jungen ist, der sie Dir entzieht und so entfernt.
Wie Du allerdings festgestellt hast, haben sämtliche Aktionen bisher fehlgeschlagen und wie es sich anhört, irgendwie noch weiter von Dir entfernt.
Vielleicht solltest Du mal versuchen (auch wenn es schwer ist als Mutter) sie wirklich ziehen zu lassen, aber doch irgndwie ein Auge auf sie zu werfen. Ich meine, sie zwar beobachten, aber zu ihren Aktivitäten nichts mehr zu unternehmen. Vielleicht klappt ja der entgegengesetzte Weg.
Lass sie zugleich aber auch wissen, dass Du für sie da bist, wenn etwas ist. Dies kannst Du ihr vermitteln, indem Du ihr in Gesprächen halt zuhörst, Dich nicht äußerst oder Möglichkeiten anbietest, sondern einfach nur sagst: ok und wenn was ist, ich bin für Dich da. Die Grenzen setzt natürlich Du. Es ist klar, dass Du nicht zustimmen kannst, wenn sie Dir sagt, dass sie die Schule schmeißen will. Aber ich denke, Du hast verstanden, was ich meine. Sie wird Dir wahrscheinlich erzählen wo sie hingeht und was sie vor hat, kann ich mir vorstellen. Versuche halt in Zukunft zu nicken und sage ihr zugleich, dass Du da bist, wenn etwas ist. Vielleicht klappt es ja, denn die Methode, die Du bisher anwendest, scheint sie nur noch mehr zu entfernen.
Sie will ihre Erfahrungen selber machen, dann soll sie es. Du wirst sie nicht drehen können im Moment.
Wenn der Junge wirklich solche einen schlechten Einfluß hat, dann wird es vielleicht automatisch bald eine Trennung geben und sie kommt von alleine zurück.
Ihr Hausarrest zu erteilen, halte ich bei ihr für reichlich sinnlos, denn sie wird wieder abhauen, wie sie schon getan hat. Sie versucht sich halt so Deinen Befehlen zu wiedersetzen.
Ich weiß, dass Du verantwortlich für sie bist, aber die Strenge, die jetzt vielleicht viele durchziehen würden, scheinen sie zu entfernen. Klar, gibt es Menschen die sagen: knallhart und Kontakte verbieten. Andere wiederum sagen: Leinen locker und stolpern lassen.
Ich weiß nicht, welches der richtige Weg wäre und ich wählen würde. Ich denke, dass kannst Du nur alleine entscheiden, denn Du kennst Deine Tochter. Jeder Mensch ist unterschiedlich.
Wenn ich an meine Jugendzeit zurückdenke, dann hätte ich auch immer am liebsten ausbrechen wollen, wenn solche Komandos kamen. Nur leider hatte ich damals niemanden der mich aufgenommen hätte. Ich weiß nicht, vielleicht kann sie ja immer bei ihrem Freund unterkommen und hat daher die Sicherheit und den Mut sich Dir zu wiedersetzen.
Also, wie gesagt, ich würde vielleicht einmal den coolen-Weg wählen um ihr Vertrauen evtl. wieder zurück zu bekommen. Sie soll schließlich gerne nach Hause kommen und sich wohlfühlen und Dich nicht als Feind betrachten oder als Kampfgeist, der zuhause auf sie wartet und sie gar keine Lust hat heim zu kommen.
Versuche doch noch einmal mit ihr zu sprechen. Sage ihr vielleicht, dass sie die Freiheiten hat, die sie sucht (begrenzt, Du wirst es einschätzen müssen) und das Du im Grunde nur wissen möchtest, wo sie sich aufhält, da Du vom Gesetz her immer noch für sie haftest. Vielleicht versteht sie so dann auch Deine Position und Deine Reaktionen bisher. Sollte ein Gespräch jedoch nichts mehr bringen oder sie nicht mehr dazu bereit sein, dann versuche es sie halt spüren zu lassen.
Es tut mir leid, aber leider fällt mir mehr dazu im Moment nicht ein. Es wäre eine Möglichkeit. Ob es möglich ist oder anwendbar wäre, dass wirst Du selber abschätzen müssen.
Ich halte Dir die Daumen, dass sie bald etwas einsichtiger wird und sich nicht noch mehr entfernt.

Lieben Gruß.