Problem von Leah - 16 Jahre

Meine Mama

Liebe Sabine bzw. liebes Kummerkasten-Team!

[Ich hoffe es ist möglich, dass Sabine mein Mail beantworten kann. Ich habe ihr schon einige Male geschrieben und sie kennt meine Geschichte schon. Bitte, versteht mich nicht falsch. Ich weiß ihr beantwortet jeden Tag etliche Probleme und ich möchte mich nicht aufdrängen oder eine Sonderbehandlung. Ich kann nur einfach nicht alles noch mal aufschreiben, das kann ich einfach nicht. Tut mir Leid.]

Ich weiß gar nicht womit ich anfangen soll. Ich glaube, als ich das letzte Mal geschrieben hatte ging es mir relativ gut. Es hat sich seitdem so vieles geändert und momentan bin ich so am Boden.
Meine Mama ist tot. Die Beerdigung was heute. Ich kann einfach nicht glauben was passiert ist. Ich wache jeden Tag auf und jeden Tag tut es immer wieder aufs Neue so sehr weh. Ich will, dass sie wieder zurück kommt und bei mir ist. Ich kann nicht mehr. Ich schaffe das alles nicht und ich kann nicht ohne meine Mama weiterleben. Es war eine Blutung im Gehirn und niemand konnte irgendetwas dagegen machen. Ich versuche für meinen kleinen Bruder da zu sein, aber ich schaffe es nicht. Ich muss bald wieder ins Krankenhaus, wegen meiner Bulimie. Dann bin ich wieder ganz alleine. Mein Papa und mein Bruder besuchen mich, aber es ist nicht dasselbe. Ich kann einfach nicht mehr, ich möchte nur meine Mama wieder haben. Sonst will ich nichts. Ich dachte eigentlich, dass alles wieder besser wird, aber es wird immer schlimmer. Ich habe wieder zugenommen, und ich durfte aus der blöden Klinik. Jetzt muss ich wieder rein. Ich will nicht und ich kann dort nicht mehr hin. Ich versuche auch die ganze Zeit mich nicht zu übergeben, aber es passiert wenn ich weine oder wenn ich Albträume habe. Ich würde so gern wieder glücklich sein, aber es geht nicht. Alles wird immer schlimmer und oft, wenn ich gute Momente habe, nehmen die schlechten wieder überhand. Die ganze Zeit kann ich nur noch weinen, es ist alles so leer und so dunkel und so schrecklich. Ich dachte, dass mein Leben irgendwann wieder besser wird, aber jetzt ist es nur noch die Hölle. Ich weiß, dass viele Leute versuchen für mich da zu sein. Mein Papa und seine Freundin, mein Bruder und so. Richtig reden kann ich nicht mit ihnen, weil es ihnen selber schlecht geht. Und ich möchte sie nicht weiter belasten. Wir müssen weg ziehen von zu Hause, zu Papa. Nach den Ferien muss ich auf eine neue Schule, wo ich niemanden kenne. Die Freunde, die ich noch habe sind so weit weg. Ich hatte mal eine Therapeutin mit der ich reden sollte und so. Das hat geholfen, auch wenn es oft so mühsam und blöd war. Aber im April ist sie zu ihrem Freund nach Kanada gegangen. Reden kann ich also mit niemand so richtig. Es gibt im Internet so Foren und dort schreiben Leute, denen es so geht wie mir, oder denen es ähnlich geht wie mir. Die Leute schreiben, dass es hilft mit anderen zu reden denen es ähnlich geht. Bei mir ist das anders. Je mehr ich zuhöre wie vielen Leuten so schlimme Sachen passiert sind, umso schlechter fühle ich mich. Es ist alles so ungerecht. Egal ob es mir gut oder schlecht ging, meine Mama war immer für mich da. Und sie hat alles für meinen Bruder und mich gemacht. Sie fehlt mir so und es tut alles einfach so weh. Ich verstehe nicht, wieso das passieren musste. Ich vermisse sie so sehr und ich kann mir nicht vorstellen wie es ohne sie weiter gehen kann. Jetzt in den Ferien ist es so, dass mein Papa und seine Freundin bis abends arbeiten sind und mein Bruder meistens irgendwo unterwegs. Alleine ist man so einsam und traurig. Ich denke den ganzen Tag nur nach und ich strenge mich so sehr an etwas Gutes zu denken und mich gut zu fühlen. Es klappt manchmal, aber dann nur kurz, und wenn ich dann wieder weiß was alles passiert ist, wird es nur umso schlimmer. Ich möchte fröhlich sein und lachen können, aber es klappt nicht und ich denke es wird nie wieder klappen. Es gibt keinem mit dem ich reden kann, so wie ich es mit meiner Mama konnte. Und es ist schwer mit allem alleine klar zukommen. Okay, ich schreibe ein Online-Tagebuch und manche Leute schreiben mir was. Das ist gut, aber es hilft auch nicht sehr viel. Ich würde gerne alles aufgeben, weil ich nicht mehr kann und alles so weh tut, aber das kann ich meinem Bruder jetzt nicht an tun.
Bitte, kannst du mir irgendwie helfen.
Leah

http://mein-kummerkasten.de/47604/Feedback-ich-habe-jem-mit-HIV-infiziert.html

Anwort von Sabine

Hallo Leah!

Es tut mir leid zu hören, was geschehen ist.
Es ist schwer zu verstehen, warum solche Dinge geschehen und warum Menschen gehen müssen, die uns so am Herzen liegen bzw. die wir so sehr lieben.
Ich kann gut nachvollziehen, dass Dir Deine Mama fehlt, wenn sie eine so wichtige Position in Deinem Leben für Dich hatte. Es ist auch gut, dass so sehr trauerst. Zu trauern ist völlig ok und es gehört dazu. Du darfst jedoch nie vergessen, dass Deine Mama Dir nur körperlich nicht mehr nah ist. Sie ist ansonsten immer noch sehr nahe bei Dir. Sie hat ihren Platz in Deinem Herzen und ist Dir jetzt vielleicht näher als zuvor. Diesen Platz, den kann ihr niemand nehmen. Die Erinnerungen ,die sie Dir geschenkt hat, die sind ein Geschenk von ihr an Dich und sie gehören Dir ganz alleine. Die Momente und die Bilder, sie gehören nur Dir und niemand kann sie Dir nehmen.
Der Moment, wo man jemanden verliert, ist sehr traurig, aber ich finde auch, dass die Momente und Erinnerungen, die man im Herzen trägt, ein Lächeln in Dein Gesicht zaubern sollten. Es gibt bestimmt reichlich Momente und Erinnerungen, wo Du heute noch drüber lächeln oder sogar lachen kannst. Diese Dinge solltest Du auch beachten. Deine Mama hätte bestimmt nicht gewollt, dass Du nur traurig daheim sitzt oder nur weinst. Sie mag Dich, wenn Du lachst und fröhlich bist. Sie weiß, dass Du nicht gewollt hast, dass sie geht oder fort ist, aber sie hätte gewiss auch nicht gewollt, dass alle schlechten Dinge jetzt wieder hochkommen und Du krank wirst. Sie möchte Dich jetzt lächelnd sehen und glücklich. Sie nimmt noch an Deiner Zukunft teil. Sie wird immer bei Dir sein. Sie wird Dich führen und Du wirst es kaum spüren. Das sie nun fort ist, ist traurig, aber vergiss bitte nie, dass sie tief in Deinem Herzen einen großen Platz hat. Ein Platz, den ihr niemand nehmen kann und den Du stets in Wärme spüren wirst.
Niemand kann sie ersetzen, aber jeder mag für Dich da sein. Deine Familie und Freune und ich natürlich auch. Gerne bin ich für Dich, soweit es mir möglich ist. Verkrümel Dich jetzt nicht, sondern sprich darüber, wenn Dir danach ist. Dein Bruder und Dein Vater, sie müssen genauso reden, wie Du. Sie denken vielleicht genau wie Du und wollen auch keinen belasten. Dabei ist es keine Belastung, sondern eine Hilfe, wenn man spricht. Manchmal reicht es schon, wenn man sich nur in den Arm nimmt. Ich möchte Dich jetzt gerne in den Arm nehmen und Dir damit zeigen, dass es vielmehr hilft, als wenn man die schlechten Dinge wieder siegen lässt. Das übergeben oder das einigeln, sind keine Lösung, Leah. Die Trauerzeit ist eine blöde Zeit, aber sie gehört dazu und die Zeit sollte sich der Mensch nehmen. Auch Du. Doch komm auch wieder raus. Hier draußen wartet die Welt auf Dich. Die Welt, auf die Dich Deine Mama so vorbereitet hat. Gehe mit ihr im Herzen und vergiss nie, dass sie Deine Hand hält, wo immer Du auch bist und was immer Du auch machst.

Lieben Gruß
Sabine