Problem von Matthias - 16 Jahre

Gedanken an die schreckliche Zeit

Ich bin 16 Jahre alt und habe ein großes Problem, bei dem ich nicht mehr weiß, wie ich es ändern kann. Hintergründe meines Problems: Ich habe einerseits eine schöne Kindheit gehabt, eigentlich. Doch mir kommt immer das schwarze, schreckliche hoch. Das schwarze, schreckliche ist die Zeit, in der mein Bruder (jetzt 22 Jahre alt) noch zu Hause lebte und uns tyrannisiert hatte, mich und meine Familie (ausgenommen mein Vater, der nie da war/ist). Meine Mutter hatte schwer mit ihm zu kämpfen, sie wollte ihn vernünftig erziehen, doch sie hat es nicht geschafft und es geriet außer Kontrolle. Mein Bruder hatte immer irgendwelche Aggressionen, die er an uns, meiner Schwester (jetzt 20), meiner Mutter und mir ausgelassen hatte. Ich kann nur für mich sprechen. Ungefähr im Alter von 5 Jahren bis 12-13 Jahren hat er mein Leben in gewisserweise zerstört. Er hatte mich, ob meine Mutter da war oder nicht, z.B. auf den Boden geschmettert, uns mit Zwillen, Luftpistolen und anderen Gegenständen beschossen, doch das war für uns schon Alltag, das schlimmste, was mir hängen geblieben ist, ist dass er mich immer öfters auf den Boden gedrückt, mich in den Schwitzkasten genommen, mich verprügelt, etc? hat. In der Schule hatte ich immer blaue, große Flecke, auf die mich jeder in Sport angesprochen haben. Ich musste mir immer Ausreden einfallen lassen, um nicht gemobbt oder so zu werden. Zu Hause wurde ich dann wieder verprügelt, meine Mutter tat mir immer ziemlich leid, wenn sie von meinem Bruder angegriffen wurde, deshalb bin ich oder eher, wollte ich ihr immer helfen und eingreifen, doch sie hat mich immer weggeschickt, wollte mich immer beschützen. Meine Schwester habe ich auch oft beschützen wollen, ich habe meinen Bruder zur Not mit einem Stock auf seinen Kopf geschlagen, danach ist er auch Gott sei Dank zu Boden gesackt, sodass meine Schwester nicht erstickt worden wäre. Das war ja aber nicht das einzige Mal, mich hatte er auch schon oft soweit, doch ich konnte mir immer helfen oder mir wurde geholfen. So mit 12 passierte mir aber das Schlimmste. Ich lag wieder einmal auf dem Boden im Schwitzkasten (von meinem Bruder natürlich) und wollte mich befreien. Das Schlimmste kommt aber noch. Meine Mutter saß in der Couch und wollte mir helfen, doch sie wurde von meinem Vater festgehalten und dann kam der Satz aus seinem Munde zu meiner Mutter: ,,Jetzt siehst du, wie dein eigener Sohn umgebracht wird?! Also war mein Vater auch gegen mich habe ich mir da gedacht. Dann hat sich mein Opa eingesetzt und hat meinen Bruder aus dem Haus geworfen. Das hat mich erlöst. Ich war aber trotzdem immer noch ziemlich fertig von den Jahren, bin schüchtern geworden und musste immer daran zurückdenken. Ich hatte trotzdem mein Grundschulzeugnis nur mit Einsen, außer einer (Mathe), absolviert. Dann kam ich aufs Gymnasium, auf eine Ganztagsschule. Es lief alles gut, hatte ein paar neue Freunde gefunden, nicht viele, aber immerhin welche. Meine Schwester war auch auf der Schule. Dann weiß ich nicht mehr genau wie alles von dannen ging. Ich weiß nur noch, dass meine Eltern, dann immer mehr und immer heftigere Streitigkeiten hatten. Ich hab immer versucht sie wieder zusammenzuführen, doch jedes Mal vergeblich. Ab meinem 12. Lebensjahr ging wieder alles schief. Meine Eltern liebten sich nicht mehr, alles war anders, ich dachte immer an eine schöne, liebende Familie, doch da schmolz alles hin, die ganze Harmonie. Ich wusste nicht mehr weiter, meine Schwester hat mich immer versucht aufzubauen und mich zu trösten, doch ich habe letztendlich alles in mich hinein gefressen. Immer mehr und immer weiter. Meine Eltern hassten sich förmlich. Bis heute, weitere 4 Jahre hat das angedauert, damals wollte ich nicht, dass sie sich scheiden lassen, doch heutzutage, wünsche ich es mir sehnlichst. Ich halte das hier nicht mehr aus. Jeden Tag die Distanzierung. Meine Schwester ist auch ausgezogen und studiert, hat weniger Zeit für mich und ich bin auf mich allein gestellt. Meine Eltern wollen sich nicht scheiden lassen, weil meine Mutter nicht alleine zurechtkommen würde und mein Vater einen schlechten Ruf im Krankenhaus hätte, da er dort Chefarzt ist. Ich hab dann auch noch herausgefunden, dass meine Mutter schon zweimal Fremdgegangen ist und seit 10 Jahren in psychiatrischer Behandlung ist, doch auch das hat, denke ich, nichts gebracht. Jetzt ist es schon soweit gekommen, dass sie sich Gegenstände wegnehmen, meine Mutter meinem Vater seinen Laptop zum Beispiel und mein Vater meiner Mutter wichtige Unterlagen. Wie im Kindergarten. Dann ziehen die mich immer rein jeden Tag. Aber um meine schulischen Leistungen hatten sie sich nie wirklich gekümmert, die haben immer gesagt, du packst das schon, du wirst das schon machen. Aber wenn ich mal wirklich Hilfe brauchte, waren sie nie wirklich da. Mein Vater kommt erst spät wieder, mein ganzes Leben war das schließlich so, ich komme um 17.00Uhr wieder und meine Mutter meistens um 12.00Uhr. Mit meiner Mutter kann ich auch nicht mehr wirklich über meine Probleme sprechen, weil?s sie nicht mehr interessiert. Sie macht mir zwar immer etwas zu essen und wäscht meine Wäsche, dafür danke ich ihr auch, aber ihr sind meine Probleme egal. Ich glaub auch, dass sie irgendwie verkommt, da sie nie etwas unternimmt, keine wirklichen Freunde hat und mich immer mehr anlügt, dass sie kein heimlichen Freund habe, obwohl ich das genau weiß und es an ihrer Handyrechnung sehe. Auf jeden Fall sind das, alles Gegebenheiten, die mich psychisch ziemlich fertig machen, dabei ist ziemlich, ziemlich untertrieben. Ich hatte schon so oft vor mich umzubringen, mir ein Messer genommen und auf mein Herz gerichtet, um unter anderem um meine Eltern wieder zusammen zu bringen, aber ich schaff?s halt auch nie und das wissen die mittlerweile auch, auch drohen vom Dach zu springen, schaffe ich nie. Ich weiß zwar, dass mein Leben nicht sinnlos ist und ich so was unterlassen soll. Aber es war halt ziemlich schlimm. Wäre das alles Vergangenheit, wäre ja alles wunderbar, aber es passiert ja jetzt gerade. Ich halt das hier alleine nicht mehr aus. Ich bin schon so psychisch überlastet, dass meine Noten, drastisch in den Keller gesackt sind. Ich habe jetzt die erste 6 meines Lebens geschrieben und ich denk immer, ja ich habe mir schon eingeredet, dass ich dumm bin und zu nichts zu tauge bin. Jetzt in der Oberstufe lese ich mir Zettel durch und ich raff gar nichts, ich schaff das nicht, stehe dabei aber gleichzeitig voll unter starkem Druck. Ich muss das schaffen, ich will hier weg und meine Schwester hat das auch geschafft, ich muss das auch schaffen. Ohne Abitur geht heute gar nichts und ich muss später reich sein. Und nun gehe ich so unter. Ich schwänze eigentlich nicht, aber jetzt habe ich keine Lust mehr in die Schule zu gehen. Ich schreibe deswegen euch, weil ich denke, dass ihr mir helfen könnt, mir vor dem Abgrund zu helfen, weil ich denke, da bin ich jetzt angelangt. Ich weiß nicht, wie ich wieder in der Schule aufholen kann, da ich mir immer um das Geheule und die Streitereien Gedanken gemacht habe, aber nicht viel über die Schule. Ich weiß nicht wie ich in der Schule wieder auftrumpfen kann. Ich hab mir schon bei euch im Archiv ein paar Lerntipps zur Hilfe gezogen und wollte diese auch umsetzten, doch ich hab es nicht geschafft, wenn ich an eine Sache dran gehe, denk ich immer gleich, ich bin eh zu dumm und ich schaff das nicht. In der Schule sagen dann auch wieder Leute, du bist eh zu dumm, obwohl ich ja bisher ganz gut war. Wen ich mich an eine Aufgabe setzte alleine oder für die Arbeit lerne, raff ich nichts mehr, ich schaff es auch nicht mehr mein Gehirn richtig zum arbeiten zu bringen, sodass ich mir alles selbst erarbeite, ich habe kein Geduld mehr und gebe sehr schnell auf, weil ich schon oft von mir enttäuscht wurde und auch von anderen. Ich will mich wieder aus dem Tief holen, ich muss das schaffen, ich hab ja schließlich noch einen gewissen Ehrgeiz, aber wenn ich den nicht mehr habe, denke ich, hab ich auch keine Lust mehr zu leben und wenn es wirklich nicht mehr geht, sind mir die Schmerzen, die mir dann bevorstehen werden, wenn ich irgendeine Methode zu sterben durchziehe, dann auch egal. Ich hoffe, dass ihr mir helfen könnt, wenigstens in der Schule wieder glücklich zu sein, den Rest würde ich dann schon selbst irgendwie schaffen.

Liebe Grüße

Matthias

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Matthias!

Es tut mir Leid, dass Deine Kindheit nicht nur schöne Seiten hatte. Eine Familie sollte eigentlich Halt geben; so recht scheinst Du das nicht erlebt zu haben. Dazu kann ich Dir leider nur den Rat geben, einmal mit einem Arzt darüber zu sprechen und ggf. eine Therapie anzustreben, um die Bilder, die Gedanken, das Erlebte aufzuarbeiten und ein Stück weit hinter Dir lassen zu können. So, wie Du es beschreibst, hattest Du Todesangst. Und die kann sich festfressen. Leider kenne ich keinen anderen Weg da heraus, als die fachliche Hilfe.

Mag sein, dass Du jetzt sagst: Das hilft meiner Mutter ja auch nicht. Aber ich kenne viele, denen es mehr als gut getan hat. Menschen sind verschieden. Bei Dir ginge es um die Aufarbeitung der Vergangenheit - das ist etwas anderes, als das Lernen im Heute, wie es bei Deiner Mutter ist. Und es geht um Dich, Deine Gefühle, Deine Erlebnisse und Deine Zukunft - es wäre doch schon, wenn Du all das etwas freier erleben könntest, oder?

Lass Dir nicht von außen sagen, was Du kannst und was nicht. Wer kennt Dich besser als Du selbst? Wer hat das Recht, Dir zuzusprechen, was zu schaffen ist? Ich weiß, solche Sprüche von anderen kann man sich sehr zu Herzen nehmen und lange daran knabbern. Aber denke daran, dass es in Deiner Hand liegt, zu zeigen, wie sehr sie Unrecht haben. Glaube nicht den anderen, sondern an Dich selbst.

Du kannst Dich runterziehen lassen von diesen Sprüchen - aber Du kannst sie auch für Dich nutzen. In mir löst sowas immer einen Trotz aus. Z.B. hatte ich während meiner zweiten Ausbildung einen Politik-Lehrer, der es nicht lassen konnte, Blondinenwitze zu erzählen (ich bin blond) und eben den Blonden in der Klasse ein vollkommenes Unvermögen zu unterstellen. "Ich nehme mal die Blondinen zuerst dran, dann können die Brünetten es ja richtig stellen" - diesen Satz habe ich ihm absolut krumm genomm. Und dann kam mein Trotz. Ich habe gelernt und gelernt, nicht unbedingt für mich (gebe ich zu), aber diesem arroganten Kerl da vorne wollte ich es zeigen. Und ich habe es geschafft. Straffe nun Du innerlich und äußerlich die Schultern und zeige es ihnen!

Wenn sich jemand sagt: Das kann ich sowieso nicht - wird er es wahrscheinlich auch nicht schaffen. Die Motivation ist weg, man nimmt eine egal-Haltung ein usw. Lass diese Gedanken fallen. Von jetzt an erst recht! Du hast noch diesen Ehrgeiz in Dir. Fütter ihn. Setze Dir kleine Ziele, die leichter zu erreichen sind als das große. Z.B. beim Vokabeln lernen: Du musst in der nächsten Stunde nicht alle im Kopf haben, aber die ersten 10. Das schaffst Du. Und dann nimm die nächsten in Angriff. Und so kannst Du Dich durch die Bücher arbeiten. Ein Berg lässt sich nicht versetzen, aber die Steine lassen sich nach und nach abtragen. Beginne damit.

Alles Gute!
Dana