Problem von Susana - 17 Jahre

Wie soll es weitergehen?

Hallo,

momentan weiß ich gar nicht so wirklich, ob es richtig ist zu schreiben. Mhmm... Ich habe ein Problem, bzw. ist da etwas, das mich sehr beschäftigt. Ich versuche einmal zu beginnen:
Seit jetzt genau einem Jahr hat sich mein Leben verändert. Äußerlich scheint das kaum erkennbar, aber tief in mir ist alles anders. Damals verließ mich mein damaliger Freund - das soll nun aber gar nicht direkt Thema sein - "er" stellt kein Problem mehr für mich dar. Doch seit eben diesem Schlussstrich hat sich meine kleine Welt verändert. In mir wurden plötzlich Dinge wach, die mir zuvor nie wirklich bewusst waren. Während diesem starken Liebeskummer traten "von heut auf morgen" Erinnerungen an sexuellen Missbrauch hervor. Ich wurde als Kind mehrere Jahre von meinem Bruder sexuell missbraucht (ich glaube, es fing an als ich so um die 10 Jahre alt war). Mit diesen Erlebnissen war/bin ich mein ganzes Leben alleine. Es wissen nur sehr wenige Menschen davon, da es mir so unvorstellbar schwer fällt darüber zu reden, wie auch jetzt gerade! Meine Eltern wissen nicht, dass mein Bruder das tat - Ich habe leider ein sehr schlechtes Vertrauensverhältnis zu ihnen - ich erzähle eig. fast nichts von mir, meinem Alltag, meinem Leben - das ist traurig, aber wahr...
Jedenfalls versuche ich nun mal zum "Punkt" zu kommen. Vor einiger Zeit habe ich einen tollen Menschen über das Internet kennengelernt. Einen Mann, dem ich voll und ganz vertrauen kann, bei dem ich mich fallen lassen kann und zu dem ich kommen darf, wenn es mir schlecht geht und sonst natürlich auch immer. Er half mir immer und immer wieder aus meinen Löchern heraus, munterte mich auf weiter zu machen und weiter zu leben. Inzwischen sind sehr starke Gefühle hinzugekommen. Wir trafen uns und wir stellten fest, dass es Liebe ist, die uns verbindet. Er ist der wundervollste Mensch, dem ich je begegnet bin. Darüber bin ich so glücklich und es schenkt mir seit langem wieder Kraft.
Doch auch diese neue Kraft genügt leider nicht diesen Missbrauch zu "vergraben" ... immer wieder ist er mir vor Augen - sehe ich diese Bilder. Ich fühle mich deshalb seit langem sehr kalt, verlassen, nicht ganz bei mir. Ich sehne mich mehr denn je nach Zärtlichkeit, nach Geborgenheit, nach Wärme. Diese Wärme könnte ich von meinem Freund bekommen (trotz dieser Fernbeziehung), doch ich weiß nicht so recht, wie ich mit ihm und meinem Missbrauch "umgehen" kann. Ich würde ihm so gerne näher kommen, ihn küssen, umarmen um eben diese traumhafte Wärme zu empfangen, aber gleichzeitig habe ich Angst ihn an mich heran zu lassen, wegen meinem Missbrauch und den damit verbundenen Erinnerungen. Wie kann ich jemals wieder Zärtlichkeiten ungehindert empfangen und auch verbreiten. Ich weiß es einfach nicht. Ich verstehe mich nicht mehr... Mhmm... eigentlich wäre ich doch so glücklich, aber aufgrund dieser Ereignisse, dieser Erninnerungen, ist immer ein Teil meines Glückes unglücklich. Was soll ich nur tun, wie kann ich meinem Freund näherkommen, ich will es wirklich, mein Inneres möchte es, aber es zögert so stark...

Ich danke euch fürs "Zuhören". Es tut doch irgendwie gut den Kummer niederschreiben zu können. Danke.

Gruß Susana

Anwort von Michaela

Hallo Susana,

es ist sehr mutig von dir, dich deiner Vergangenheit und dieser großen Verletzung zu stellen, die du erleiden musstest. Für viele andere, die den Kummerkasten besuchen - vielleicht auch mit dem gleichen Thema - kannst du dadurch ein Vorbild sein, aber auch ein Hoffnungsträger. Man KANN das "Unaussprechliche" in Worte fassen, man KANN damit an die Öffentlichkeit, man KANN die Mauer des Schweigens, Verratenseins und der Einsamkeit durchbrechen. Das ist der erste Schritt aus dem Problem heraus.

Was kannst du tun? Es gibt zwei große Vereine, die deutschlandweit Büros haben:
www.zartbitter.de
www.wildwasser.de

Dort kannst du zunächst anonym, wenn du magst, Hilfe suchen, dich aussprechen, wenn das schon geht, erst mal auf Tuchfühlung mit dir gehen, um herauszukriegen, was für dich jetzt das Beste ist. Es ist nicht unbedingt eine therapeutische Begleitung notwendig, wenn du das nicht möchtest. Wichtig ist, dass du spürst, dass du nicht alleine bist und vor allem, dass es besser wird, auch wenn es immer wieder Rückschläge gibt. Das, was mit dir passiert ist, ist nicht rechtens und absolut zu verurteilen. Du trägst keine Verantwortung dafür, denn du warst ein Kind, das Nähe und Wärme gesucht hat, nichts anderes.

Weiterhin gibt es ein sehr gutes Buch: "Trotz allem". Darin wird der Heilungsweg der Überlebenden geschildert, wie sich die Frauen, die den Missbrauch verarbeiten, nennen. In diesem Buch findest du weitere wertvolle Kontaktadressen. Wenn du den therapeutischen Ansatz suchst, kann ich dir noch "Zart war ich, bitter war´s" empfehlen. Darin wird die Sicht auf die Opfer geschildert und ihre ungeheure Kraft und der Mut, den sie alle miteinander aufbringen, um die Menschen zu werden, die sie sein wollen.

Welchen Weg du gehst - ob du dich zunächst noch alleine damit beschäftigst oder Hilfe von außen in Anspruch nimmst - entscheidest du, denn du bist diejenige, die instinktiv weiß, was richtig ist.

Ich wünsche dir viel Glück!

Liebe Grüße

Michaela