Problem von Melli - 20 Jahre

Ich weiß nicht mehr weiter

Liebes Team,
ich weiß nicht mehr weiter und hoffe du kannst mir helfen. Ich habe in dem letzten Jahr viel Schlimmes erleben müssen. Deshalb fange ich erstmal weit vorne an. Am 20.12.2005 wurde ich an der Wirbelsäule operiert, dh. sie wurde begradigt (die Bandscheiben rausgenommen und ein Stahlstab hineinoperiert). Es war ein langer Kampf. Ich musste lange im Krankenhaus bleiben und musste ein halbes Jahr ein Korsett tragen, durfte keinen Sport machen, durfte kein Auto fahren und war auf jede Fremde Hilfe angewiesen. Ich war wirklich ein Frack. Nach diesem halben Jahr musste ich im Mai 2006 das Korsett abtrainieren (ohne das Ding gehen, liegen usw.) dazu musste ich wieder eine woche ins Krankenhaus. Nach dieser Woche habe ich mich mit meiner Schwester und meiner Mutter gestritten. Ich wollte beide erstmal nicht wieder sehen. Sie haben schlecht über meinen Freund gesprochen! Ich habe mich zwei Wochen nicht gemeldet. Nahc zwei Wochen (Samstag) bekam ich eine sms von meiner Mutter:? Schatz, ich habe ich sehr lieb und wünsche dir ein schönes Wochenende. Meld dich doch mal.? Ich habe mich nicht darauf zurück gemeldet, weil ich mir fest vorgenommen habe am Montag zu ihr zu fahren. Ein fataler Fehler den ich bereits am Montag nach der Schule erfahren musste. Ich bekam ein Anruf von dem blöden neuen Freund meiner Mutter der mich voll am Telefon anmachte und mir sagte, ich solle mich hinsetzten. Dann sagte er mir, dass meine Mutter im Sterben liegt. Sie haben sie heute Untersucht (Herzkatheteruntersuchung) und dabei hat sie einen sehr schweren Herzinfarkt bekommen und wurde notoperiert. Die Ärzte geben ihr nur noch 10% Überlebenschancen. Für mich ist eine Welt zusammen gebrochen. Sie war mein ein und alles. Ich war ihr so nah. Sie war echt alles für mich. Ich kann es bis heute nicht glauben, warum mir keiner Bescheid gesagt hat, dass sie im Krankenhaus liegt. Ich bin sofort ins Krankenhaus gefahren und war auf der Intensivstation, als ich meine Mutter dort liegen sah, wusste ich, dass sie nicht überleben würde. AM nächsten Tag ist sie mit 42 Jahren gestorben. Sie wollte mich so gerne noch ohne Korsett sehen?. Die nächsten Wochen und Monate waren das reine Chaos. Ich hatte Prüfungen und musste sie auch machen. Zusätzlich hatte ich nur stress mit dem Freund meiner Mutter. Wir bekamen uns sehr in die Haare. Ich habe schließlich das Erbe abgelehnt ? dies hat mir meine Schwester sehr übel genommen. Ich wusste nicht, was ich tun soll. In dieser Zeit habe ich mich völlig aus der Beziehung rausgezogen. Ich war total ätzend zu meinem Freund und habe ihn außen vor gelassen. Er hat mir ständig gesagt was ich tun soll und darauf hatte ich überhaupt keine Lust. Ich war nicht mehr ich. Ich hatte auf nichts mehr Lust und wollte nur noch alleine sein. Seit dieser Zeit streiten wir uns nur noch. Ich kann einfach nicht mehr. Ich habe auch nur noch selten Lust auf Sex. Ich möchte ab und zu weggehen, aber er versteht das nicht. Er verbietet mir echt voll viel (keinen Nebenjob, spontan sein zu können, usw.)Ich habe bei ihm ständig das Gefühl, als ob er mich nicht verstehen kann. Dazu muss man sagen, dass wir 10 Jahre auseinander sind, er ein Kind hat, verheiratet war usw. Und ich erst 20 Jahre bin, mal weggehen möchte, spontan sein möchte usw. Er sagt, dass ich die Zeit raube, die wir gemeinsam verbringen können. Ich brauche aber mal Zeit für mich. Ich kann nicht jedes Wochenende zuhause rumhocken und mit seiner Tochter spielen (Jedes Wochenende bei uns) (jetzt habe ich es endlich nach 2 Jahren geschafft, dass wir ein Wochenende im Monat für uns haben). Er geht auch ohne das ich etwas dazu sage zum Sport oder ähnliches. Im Gegenteil, ich würde es willkommen heißen, wenn er auch mal weggehen würde oder sich mit Freunden treffen würde. Bitte helft mir. Ich möchte die Beziehung gerne schaffen....
im Voraus schon mal herzlichen Dank, melli

Anwort von Michaela

Hallo Melli,

du hast wirklich viel durchgemacht in den letzten beiden Jahren, und es ist absolut nachzuvollziehen, dass jetzt erst mal deine Akkus leer sind. Deshalb solltest du die Zeit auch nutzen, um zu überlegen, was du anders machen willst, damit du zufriedener bist.

Ich möchte dir mein Beileid aussprechen, dass du deine Mutter verloren hast. Es kann sehr lange dauern, bis man den Tod eines nahestehenden Menschen verwunden hast, und um so schwieriger ist es, wenn das passiert, was du geschildert hast und man sich im Streit trennt. Nimm dir die Zeit. Wenn du dich jetzt auch noch schlecht fühlst deswegen, dann ist das so, und das kannst du auch ruhig als deinen Weg der Verarbeitung annehmen. Die Frage ist, ob du vielleicht jemanden hinzuziehen möchtest, um deine Gefühle zu verstehen? Das muss nicht unbedingt ein Psychologe sein, in deinem Fall könnte dir auch ein Pfarrer oder Pastor weiterhelfen. Wenn du lieber anonym bleiben willst, kann ich dir diese kostenfreien Nummern sehr empfehlen:

Telefonseelsorge
Telefon 0800 111 0 111 (evangelisch)
oder 0800-111 0 222 (katholisch)
Internet: www.telefonseelsorge.de

oder

Kinder- und Jugendtelefon
Telefon 0800 111 03 33
Internet: www.kinderundjugendtelefon.de
E-Mail: info@kinderundjugendtelefon.de

Trauer kann man nicht einfach so "wegreden". Es ist eine emotionale Sache, die einfach Zeit braucht, beim einen mehr, beim anderen weniger. Vielleicht möchtest du auch Rituale durchführen, um den Tod deiner Mutter zu verarbeiten und für dich einen Schlusspunkt setzen zu können: Einen Brief schreiben, ein Bild malen, etwas, das du mit deiner Mutter zusammen getan hast und das dir viel gegeben hat noch mal alleine tun...
Du hast freie Hand.
Hast du inzwischen wieder Kontakt zu deiner Schwester oder dem Rest deiner Familie? Können sie dir weiterhelfen? Oder gibt es gute Freunde, Bekannte, Kollegen...? Jemand, zu dem du Vertrauen hast? Das Herz auszuschütten kann manchmal Berge versetzen.

Was die Beziehung zu deinem Freund angeht, hast du in meinen Augen vollkommen Recht: Du brauchst auch deine Freiheiten. Du schreibst, dass er 10 Jahre älter ist als du und manche Dinge deshalb natürlich anders sieht - was aber nicht bedeutet, dass du dich im bedingungslos unterwerfen musst. Zudem nimmt er sich ja diese Freiheiten, also stehen sie dir genauso zu! Was mich ein wenig verwunder ist, dass du an den Wochenenden mit seiner Tochter spielst. Und was macht er in der Zeit? Wenn du dann den Babysitter spielst, brauchst du erst Recht einen Ausgleich (zumal du körperlich ja auch nicht fit bist, und Kinder können sehr anstrengend sein, ich spreche da aus Erfahrung...) Also ran an die Buletten. Jeder hat die gleichen Rechte UND Pflichten, was bedeutet, dass du auch mal spontan weggehen können sollst, auch wenn er das nicht versteht.
Vielleicht hilft da ein wenig Organisation:
Jeder von euch hat einen freien Abend in der Woche, an dem er tun und lassen kann, was er will, also weggehen, fernsehen, Fitnessstudio oder was euch auch immer einfällt. Dann habt ihr - ohne Wochenende - noch drei Abende zur Verfügung, an denen ihr etwas zusammen unternehmen könnt (einkaufen, aufräumen, Kino, quatschen, was eben anfällt). Am Wochenende kommt seine Tochter, um die ihr euch BEIDE kümmert, d. h. evtl. im 2-Stunden-Takt passt ihr abwechselnd auf, oder ihr unternehmt gemeinsam etwas, oder oder oder... So dass jeder mal aufgepasst hat und nicht einer am Sonntagabend total fertig ist oder unzufrieden, weil er keine Zeit für sich hatte.
Das eine Wochenende, das ihr für euch habt, könnt ihr dann auch ncoh gemeinsam planen. Wollt ihr etwas unternehmen? Oder lieber zu Hause gemütlich gammeln, fernsehen, Freunde besuchen... wenn es geplant ist, macht es gleich noch mehr Spaß, wird zu etwas Besonderem, weil ihr es gemeinsam getan habt.

Natürlich musst du das auch durchsetzen. Am besten funktioniert das, wenn du klar sagst, was du dir vorstellst und deinen Freund fragst, wie er dir dabei helfen will, das umzusetzen, und was er für Vorschläge hat, wenn es ihm so nicht gefällt. Dann kommt er in Zugzwang, denn nur rumnörgeln und nichts ändern ist auch nicht cool. In vielen Fällen läuft das auf ein "Beziehungsgespräch" hinaus, bei dem die Fragen aufkommen: Was wollen wir gemeinsam erreichen? Was gefällt uns an unserer Beziehung? Was wollen wir ändern? Wie können wir das tun? Wenn die erste Scheu überwunden ist, machen diese Gespräche sogar Spaß, denn man hat ja eine gemeinsame Basis, auf der man aufbauen möchte.

So, ich hoffe, das hilft dir weiter? Ich drücke dir die Daumen!

Viele Grüße,

Michaela