Problem von Anonym - 24 Jahre

Wie kann ich meiner Schwester helfen?

Hallo. Ich habe Euch vor kurzem schon einmal geschrieben, habe aber leider keine Antwort bekommen bzw. kann das Problem hier nicht finden. Es geht um meine Schwester. Während mein Leben als Kind sehr unordentlich und verschwenderisch war und das meiner Schwester unglaublich ordentlich und sparsam, ist es jetzt genau umgekehrt. Sie zweifelt alles an und ist ständig dabei, den "tieferen Sinn" des Lebens herauszubekommen. Sie hat Bücher über Rückführungen gelesen oder Begegnungen mit Geistern (die übrigens immer nett sein sollen und nur kommen, falls man es selber will). Dazu muss ich sagen, dass sie schon seit früher Kindheit eine Zwangskrankheit hat: Sie zieht sich Haare heraus. Das hängt wohl mit unserer Kindheit zusammen. Mein Vater hat sehr hohen Blutdruck und auch noch ein anderes Problem, welches ich nicht genau kenne, gehabt. Er ist deshalb ständig und sehr schnell ausgerastet und hat uns geschlagen und zutiefst beleidigt. Vor allem ich stand dabei sehr im Schussfeld, wobei meine Schwester damals meinen Eltern noch immer geholfen hat, mich fertigzumachen. Ich weiß nicht, warum ich das alles besser vertragen habe, als sie.
Aber ihr Leben gerät leider (wenn man mal so sagen darf) gesellschaftlich aus den Fugen. Nach ihrer Lehre als Arzthelferin hat sie noch ca. 1 Jahr in ihrem Beruf gearbeitet. Dann wollte Sie noch einmal Schule machen und weiterkommen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Jedoch hat sie jetzt schon zum zweiten Mal die Schule abgebrochen und hat jetzt nur noch eine Chance, das Abitur nachzumachen. Sie hat gesagt, dass sie das jetzt nicht gleich im Anschluss machen wird, weil es in ihrem Kopf dazu noch viel zu durcheinander ist.
Wir haben uns sehr lange unterhalten, das letzte mal haben wir 7 Stunden bis sechs Uhr morgens miteinander geredet. Ich möchte ihr gerne helfen, das habe ich ihr auch gesagt. Sie meint immer, es würde ihr schon helfen, wenn ich mit ihr rede. Dazu muss ich sagen, dass sie nicht in der Nähe wohnt, sondern 300 km entfernt. Sie ist inzwischen schon das 8. Mal umgezogen und ist gerade ein Jahr jünger als ich. Sie findet nirgendwo Halt. Sie ist auch in therapeutischer Behandlung und hat eine mehrwöchige Kur hinter sich. Da hat sie viele Leute kennengelernt, die entweder das gleiche Problem oder ein ähnliches Problem hatten. Sie sagt, das hilft ihr. Ich habe manchmal Angst, dass sie sich mit diesen Leuten gegenseitig in etwas hineinsteigert. Sie sehnt sich nach einer Beziehung. Bis jetzt hängt sie aber immer noch an einem Typen, der sie eigentlich nur warmhält und einfach nur ätzend ist. Das ist meine Meinung. Zum größten Teil stimmt sie mir da auch zu, aber sie kommt einfach nicht von ihm los.
Man muss sich das so vorstellen: Er hat seit längerem eine Freundin und trotzdem schreibt er ihr manchmal, dass sie ihm fehle (er wollte aber nie eine feste Beziehung mit ihr), um es dann am nächsten Morgen wieder zurückzunehmen! Sie hat jetzt erst einmal den Kontakt zu ihm abgebrochen. Sie wollte es sowieso machen und ich habe sie darin bestärkt. Sie kann es ja auch als eine Art "Pause sehen". Kontakt abbrechen heißt ja nicht, für immer Sendepause. Einfach mal über ihre Gefühle klar werden. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich jetzt seit fast 3 Jahren eine Seele von Freund habe, gutaussehend, intelligent und trägt mich auf Händen. Sie sehnt sich nach so etwas.
Jetzt hat sie vor kurzem ein Schweigeseminar mitgemacht, um mal zur Ruhe zu kommen. Das ist ein 10tägiges Seminar gewesen, bei dem die Teilnehmer untereinander nicht miteinander reden sollen, sondern nur mit dem Buddha, der das Seminar leitet. Erst war ich ein bisschen skeptisch und hatte ein wenig Angst wg. Sekte usw. Aber es scheint ein sehr bekanntes Seminar in MeckPom zu sein.
Sie versucht, wie gesagt, die ganze Zeit einen Sinn zu entdecken. Sie mutmaßt, dass sich evtl. ihr Karma in einem früheren Leben mit dem des Typen verstrickt hat, der sie jetzt nicht loslässt und dass sie evtl. wiedergeboren wurde, um das zum Ende zu bringen. Aber das sind keine endgültigen Gedankengänge von ihr. Und es fällt ihr schwer, Entscheidungen zu fällen. Allein die Entscheidung, ob sie nun die eine oder die andere Sorte Bonbons essen möchte, bereitet ihr gewisse Schwierigkeiten.

Seit sie weiß, dass ich mich auch im gewissen Maße für Nahtoderlebnisse und Übersinnliches interessiere, ist sie mir gegenüber sehr aufgeschlossen geworden. Sie hat immer gedacht, ich sei so eine Realistin und hätte an so einem anspruchsvollem Thema kein Interesse. Das mag daran liegen, dass ich beruflich eine "sehr gerade Linie" (wie sie sagt) gefahren bin: Realschule, Ausbildung, 2 1/2 Jahre Beruf, weitere 2 Jahre Ausbildung und seit 2 Jahren Beamtin. Das passte in ihrem Kopf wohl zunächst nicht so zusammen. Das mag aber evtl. auch daran gelegen haben, dass wir uns irgendwie lange nicht sehr gut kannten.
Wir haben uns sehr als Konkurrentinnen in Erinnerung. Jeder hat früher versucht, dem anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben, wir haben uns geprügelt usw, nur extremer als andere Kinder.

Einerseits habe ich nun das Gefühl, dass ihr dieser Glaube Halt gibt und es ihr dadurch besser geht, denn den Anschein macht es zur Zeit. Sie hat mir einmal erzählt, dass sie ein merkwürdiges Erlebnis gehabt habe. Sie war einmal bei diesem "Freund", von dem sie nicht loskommt. Ihr ging es mal wieder schlecht und sie hat sich in die Mitte seines Wohnzimmers gesetzt. Es war schon dunkel, die Vorhänge waren zu und der Typ hat schon im Schlafzimmer (also nicht in Sichtweite von meiner Schwester) geschlafen. Sie hat sich dann einfach mal gesagt, dass sie mal entspannen müsste. Sie hat sich also in diesen Yoga-Sitz gesetzt, den man so kennt, die Augen geschlossen und versucht, sich zu entspannen. Auf einmal, so erklärte sie, spürte sie Wellen von Energie auf sich einwirken. Es seien wirklich Wellen gewesen, es fing im Kopf an und ging durch den ganzen Körper. Sie sagte, dass sie genau gespürt hat, dass hinter dem Vorhang etwas ist (damit meinte sie einen "guten Geist", die kommen, wenn man es möchte und die einem Gutes tun. Meistens verstorbene Verwandte). Sie fand es so toll und stand sofort auf, um es diesem Typen zu erzählen. Sie ging also ins Schlafzimmer und sie erzählte mir, dass sie genau spürte, wie dieses "Etwas" mitwanderte, eine Art unsichtbarer Punkt, den sie aber gefühlsmäßig genau lokalisieren konnte. Dieser Punkt ruhte nun in der Ecke des Zimmers. Sie weckte ihren Freund auf, um es ihm zu erzählen. Auf einmal wurde diese Energie zu stark, zu positiv, zu viel, dass sie nur noch weg wollte. Sie rannte ins Bad und als sie kurz darauf wiederkam, war dieses "Etwas" weg. Sie sagte dazu, dass sie aus Büchern wissen, dass diese Geister einem ja nichts Böses wollen und es sie deshalb in Ruhe gelassen habe, als sie nicht mehr konnte. Sie bereut es noch heute, dass sie nicht hinter diesen Vorhang geschaut hat. Denn es ist einigen bekannt, dass einem Geister in bestimmten Situationen in spiegelnden Gegenständen (eben z.B. ein Fenster) sichbar werden bei bestimmtem Lichteinfall.

Ich muss sagen, dass ich mich für sie freue, dass sie solch ein Erlebnis hatte, obwohl das für mich und mein Verständnis zu weit gehen würde. Ich glaube zwar an eine höhere Macht und an ein Leben nach dem Tod, aber ich möchte eine solche Begegnung nicht unbedingt machen.

Kleiner Sprung: Sie hat die Schule weiterhin abgebrochen, weil sie auf einmal Drogen zu sehr zugesagt hat. Das fing mit Marihuana an und ging auch sehr lange damit weiter. Zuletzt (bis vor ein paar Monaten) hat sich auch Heroin geschnupft und Kokain genommen. Nach eigenen Angaben alle zwei Wochen mal. Das glaube ich ihr auch, da ich aufgrund meines Berufes (arbeite in der Justiz) sehen würde, wenn sie "absackt". Sie hat es uns erzählt und ist jetzt in ärztlicher Behandlung. Auch aus diesem Grunde hat sie das Schweigeseminar mitgemacht. Sie hat sogar mit dem Rauchen (Zigaretten) aufgehört. Sie hat immer zu mir gesagt, dass sie nicht in die Abhängigkeit geraten wollte, weil sie gesehen hat, was für "arme Würste" das sind, wo sie das Zeug geholt hat. Das Thema ist hoffentlich abgehakt (ich bleibe natürlich dran).

So, und nun nach langem Text und viel Gerede meine Frage: Wie kann ich meine Schwester am besten unterstützen und helfen?

Anwort von Sabine

Hallo!

Deine Schwester, so wie Du sie beschreibst, steht mit beiden Beinen im Leben und ich glaube, dass einzige, was Du wirklich für sie tun kannst, ist einfach für sie da zu sein. Sie ist zu alt, dass Du sie zu irgendeinem Lebenswandel zwingen kannst. Sie bekommt bereits fachliche Hilfe, wie Du es beschrieben hast und ich denke, da sollte man auch nicht reinfuschen.
Ich kann mir denken, dass Du als Schwester ihr helfen willst, aber oft sind einem die Hände gebunden, weil die Person zu weit weg wohnt und keinen direkten Kontakt haben kann oder weil diese Person sich nicht helfen lassen will.
Deine Schwester kommt stets auf Dich zu und spricht mit Dir. Ich denke, dass ich die Hilfe, die sie von Dir möchte und die ihr gut tut. Nach alle dem, was sie Dir bereis erzählt hat, scheint sie Dir sehr zu vertrauen und es tut ihr gut so einen Menschen zu haben.
Die Behandlungen die sie wohl bekommen hat oder in der Therapie in der sie sich befindet, die wird einige Zeit dauern bis sie Wirkung zeigt, wenn sie vor allem viel mitarbeitet. Solche Sitzungen und Behandlungen schlagen immer am besten an, wenn sie selber es auch will, dass sich in ihrem Leben etwas ändert. Das wäre ein Punkt, wo Du ansetzen könntest. Ganz wichtig ist es aber,dass Du ihr zuhörst. Nur zuhörst, damit sie weiß, wo sie die Dinge, die sie so belasten abladen kann, damit sie sich nicht in ihrem Kopf fetsetzen. Du hilfst ihr schon mehr, so denke ich, als Dir bewusst ist. Du kannst vielleicht,auch aufgrund der Entfernung nicht aktive Hilfe leisten, aber Deine passive Hilfe, die ist gut für Deine Schwester. Eure Kindheit, die hier hattet und die Auseinandersetzungen, die will ich mal unberücksichtig lassen, da ihr heute sehr gut miteinander umgehen könnt, wie es in Deiner Mail klingt.
Es tut mir leid, dass mir im Moment nicht mehr dazu einfällt, aber m.E. kannst Du ihr im Moment nur helfen, wenn Du einfach für sie da bist.

Lieben Gruß.