Kranke Beziehung
Hallo.
Ich (21) bin jetzt schon seit 10 Jahren mit meinen Freund (24) zusammen. Ich weiß, dass das eine wahnsinnig lange Zeit ist. Eigentlich war es am Anfang eher eine Kinderliebe. Erst als ich ungefähr 15 war, entwickelte sich mehr.
Ich wäre froh, wenn ich sagen könnte, dass ich in dieser Beziehung wirklich glücklich bin.
Durch die lange Zeit, die wir schon zusammen sind, haben wir natürlich auch sehr viel gemeinam erlebt; ich bin quasi mit ihm aufgewachsen. Von Anfang an waren alle unsere Freunde (damals hatten wir noch zusammen einen Freundeskreis) gegen diese Beziehung, weil er mich immer mehr von unseren Freunden abgeschottet hat. Mittlerweile habe ich keine Freunde mehr.
Und damit meine ich GAR KEINE. Er auch nicht. Er will auch keine.
Hätte ich früher auf meine Freunde gehört, wäre ich jetzt nicht in dieser Situation. Kurz: Unsere Beziehung ist im Grunde gestört. Wir haben Zeiten, in denen wir uns wirklich richtig gut verstehen, albern herum und kuscheln viel. Diese Phasen genieße ich immer sehr, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich ihn wirklich liebe.
Wir streiten sehr oft. Eigentlich über Kleinigkeiten. Diese Streits sind schon sehr oft eskaliert und wurden echt böse. Im Streit ist es oft, als hätte er ein 2. Gesicht. Er beleidigt mich, behandelt mich total respektlos und versucht mich durch Ignoranz und gewisse Gestiken zu provozieren.
Er kommt mir manchmal so seltsam vor: Er redet oft schlecht über andere Menschen; er verurteilt Leute, die einfach nur mal Spass haben; er schottet sich teilweise zusammen mit mir ab.
Wir wohnen nicht zusammen. Das hat bisher finanziell noch nicht geklappt. Unsere gemeinsamen Unternehmungen beschränken sich auf Shoppen, Kino, Essen gehen und faulenzen. Eigentlich ist das alles auch immer sehr schön, doch möchte ich mein Leben nicht so einschränken.
Wenn ich mit ihm darüber sprechen will, kommt immer nur "dann such dir doch einen anderen. Ich bin eben so".
Ich lüge viele Menschen an(darunter meine Schwester, die mich immer mit in Discos nehmen will) und behaupte, dass ich glücklich bin, aber allein wenn ich diese Zeilen schreibe, muss ich weinen.Ich erfinde Gründe, warum ich mich nicht mit meiner Schwester treffen kann. Ich tue nach aussen so, als wäre ich stark und selbstbewusst. Aber ich fühle mich alleine, habe Angst niemals aus dieser Beziehung raus zu kommen. Ich kenne nix anderes. Wir haben schon mehrmals Schluss gemacht, aber immer nur für kurze Zeit (höchstens 1 Woche). Immer wenn Schluss ist, denke ich "jetzt fängst du an zu leben". Aber im gleichen Moment denke ich daran, dass er allein zu Hause hockt und er tut mir leid. Ich denke nämlich auch, dass er darunter leidet, niemanden als Freund zu haben.
In dieser 10-jährigen Beziehung hatte ich nie einen anderen. Ich habe sexuell keine Erfahrungen. Leider kann ich aber sagen, dass ich noch nie einen Orgasmus hatte und auch sonst nicht das Gefühl habe, wirklich befriedigt zu sein. Diese ganzen Dinge haben sich mit den Jahren eingespielt. Ein klärendes Gespräch ist wirkungslos. Habe ich schon mehrmals versucht.Ich war noch nie richtig mit Freundinnen unterwegs "einen drauf machen" oder konnte mal machen, was ich möchte.
Das soll sich jetzt wirklich nicht eingebildet anhören, aber ich kann selber von mir sagen, dass ich wirklich eine hübsche Person bin und auch von vielen Seiten höre, dass mich ein Junge gesehen hat und mich gut findet. Ich bin auch nicht auf den Kopf gefallen und weiß, dass man das alles beenden sollte.
Doch wie eine abhängige Irre halte ich an diesem Menschen fest, der mich eigentlich viel öfter unglücklich macht, als glücklich. Ich fühle eine Abhängigkeit und immer wenn er weg ist, ist es, als würde ein Teil von mir fehlen. Aber ist das nicht nur noch Gewohnheit? Denn wenn wir uns gut verstehen, verdränge ich viele Dinge, doch streiten wir uns, kommt plötzlich die ganze Wut und die Verzweiflung aus mir raus. So wie jetzt.
Er ist ja kein schlechter Mensch, nur scheint die Liebe zwischen uns erloschen zu sein und mir kommt es so vor, als ob wir nur noch zusammen sind, weil jeder von uns sonst allein wär.
Und es erschrickt mich manchmal, wie sehr ich mich an dieses Leben gewöhnt habe.
Woher soll ich denn wissen, was Liebe überhaupt noch ist? Sollte ich ihn nicht lieben, warum fühle ich mich dann wohl, wenn wir zusammen sind und wir denken manchmal über eine gemeinsame Zukunft nach?
Woher weiß ich, ob es seinerseits noch Liebe ist? Woher weiß ich, ob ich mein Leben verschwende, wenn ich im Grunde das Gefühl habe, es würde mir etwas fehlen?
Ich habe Angst vor einem Leben mit ihm und einem Leben ohne ihn.
Bitte helft mir!
Hallo Du,
wow, eine 10-jaehrige Beziehung ist in Eurem Alter ja echt eine halbe Ewigkeit! Und da ist es auch verstaendlich, dass sich eine Routine einspielt. Es gibt vielleicht Menschen, die mit 11 die Liebe ihres Lebens kennenlernen und ein Leben lang mit ihr zusammen bleiben, aber das ist wohl eher die Ausnahme. Und bei Dir klingt es auch mehr so, als waeret ihr vorallem aus Gewohnheit zusammen und nicht aus Liebe. Natuerlich gibt er Dir Geborgenheit - er war ja immer da!
Du kennst Dich selbst als Jugendliche und junge Erwachsene ja nur mit ihm und weisst gar nicht, wer Du selbst eigentlich bist ohne ihn. Ich kann mir gut vorstellen, dass Du Angst vor einer Trennung von ihm hast, aber ich habe den Eindruck, als haettest Du sie dringend noetig. Es muss ja keine Trennung fuer immer sein, vielleicht mehr eine Pause. So dass Du einfach mal austesten kannst, was Du sonst "verpasst". Vielleicht stellt sich ja heraus, dass Du nichts verpasst und ihn sofort zurueck willst, aber ich glaube, das waere eine wichtige Erfahrung fuer Dich und auch fuer ihn, dann haettest Du nicht immer im Hinterkopf dieses "vielleicht verpasse ich ja mein Leben, weil ich in dieser Beziehung festhaenge".
Du schreibst, dass Du vielen Menschen vormachst, gluecklich zu sein und staerker als Du Dich fuehlst. Vielleicht kannst Du ja zum Beispiel Deiner Schwester gegenueber mal andeuten, dass doch nicht alles so toll ist, wie Du sonst immer sagst, und Dich doch mal in die Disko mitnehmen lassen oder so. Du musst ja nicht von heute auf morgen Dein Leben aendern, nur einfach mal ein bisschen experimentieren. Und wahrscheinlich wuerde es Dir sehr helfen, einfach mal ueber die Beziehung offen sprechen zu koennen, ueber die Probleme und die Zweifel die Du hast.
Es tut mir leid, dass ich Dir auch nicht eindeutig sagen kann, was Du tun sollst, aber lies Deine mail noch mal selbst in Ruhe durch und sprich mit Deiner Schwester oder einer Freundin - mein Eindruck ist, dass Du dringend mal raus musst!
Ich wuensch Dir - egal wie Du Dich entscheidest - alles Liebe und Gute, und melde Dich gerne mal wieder!