Problem von Annika - 26 Jahre

Was soll ich meiner Tochter antworten?

Hallo Liebes KummerKasten Team! ich bin durch Zufall auf diese Seite gekommen und habe mich ein bisschen umgeschaut- eure Seite ist wirklich super! Weiter so!

Jetzt zu meinem Problem: Also ich bin jetzt 26 und habe eine Tochter (Lea).
Sie war kein Wunschkind, auf keinen Fall! Ich habe sie nämlich mit 14 bekommen. Es war so: ich wurde vergewaltigt und habe niemanden davon erzählt! Meine Tage hatte ich da erst seit kurzem und hielt es für normal, dass sie solange nicht mehr kamen. Als man dann diesen Babybauch sah und mir oft übel war, erzählte ich meinen Eltern von dem Missbrauch, doch inzwischen war es zu spät zum Abtreiben!
Ich habe sehr viele Therapien gemacht und viel über die Vergewaltigung gesprochen! Und inzwischen denke ich, dass ich den Missbrauch "überwunden" habe (wenn man das so nennen kann)! Auf jeden Fall lebe ich wieder ganz normal.
Mein einziges Problem jetzt: Lea, meine Tochter, ist vor ein paar Wochen 12 geworden.
Eigentlich habe ich immer gewusst, dass dieses Thema kommen würde, aber als es dann kam war ich sehr geschockt. Meine Tochter hat mich über ihren Vater ausgefragt. Sicher hat sie auch früher oft nach ihm gefragt, aber inzwischen reicht ihr ein " der ist einfach abgehauen, ich weiß nicht wo er ist" nicht mehr.
wenn ich meiner Lea enfach sage "dein vater ist ein totaler arsch und ich wollte dich nie bekommen" verletzt ich sie, außerdem liebe ich sie ja und würde sie nie hergeben.
Aber als ich so alt war haben mir meine Eltern immer erzählt, dass meine Eltern sich immer so geliebt haben und ich perfekt in ihr leben geplant wurde!
Meiner Tochter kann ich sowas ja schlecht erzählen.
Als sie mich neulich genauer ausfragte, hat gerade das telefon geklingelt- rettung in letzter sekunde;-)
Aber bald wird sie mich wieder fragen, und was soll ich dann sagen? Ich weiß es nicht! Ich brauche eure hilfe, bitte!

Ich weiß, dass ihr viele Briefe bekommt, aber ich weiß nicht an wen ich mich wenden sollt! Ihr seid im Moment meine einzige Hoffnung! Im Archiv habe ich nichts gefunden(naja meine geschichte ist ja zimlich einzigartig)
Eure Annika

Anwort von Susi

Liebe Annika!

Ich hoffe, die lange Wartezeit hat Dich nicht zu sehr verärgert oder Dich in die Zwickmühle gebracht. Vielleicht hast Du in der Zwischenzeit Deiner Tochter bereits alles oder zumindest die wichtigsten Eckpunkte verraten.

Ich möchte Dir aus meiner Sicht antworten und Dir sagen, was ich an Deiner Stelle tun würde.
Zunächst aber möchte ich Dir auch sagen, dass ich es toll finde, wie stark Du trotz dieses Traumas geblieben bist und Deine Tochter behalten und großgezogen hast! Ich finde das wirklich toll!

Ich würde Lea gegenüber auf keinen Fall sagen, dass ihr Vater "ein Arsch" und vor allem nicht, dass Du sie nie bekommen wolltest (auch wenn das für Dich der Wahrheit entsprach!)
Hast Du denn nicht noch einen Therapeuten bei der Hand, der Dir da ein bisschen Hilfestellung geben könnte??

Ich würde es wohl so formulieren: Lea, Du bist mein größter Schatz und um nichts in der Welt würde ich Dich wieder hergeben. Normalerweise haben sich Mamas und Papas sehr lieb und wollen dann zusmmen ein Kind haben.
Der Mann, der Dich gezeugt hat, hat mich nicht gefragt und mir sehr wehgetan. Ich konnte mich nicht wehren und habe erst später gemerkt dass ich schwanger war. Auch wenn es schwer ist zu begreifen, Dein Vater mag vielleicht kein guter Mensch gewesen sein (weil er sich gewaltsam etwas genommen hat) aber das hat nichts mit Dir, Lea, zu tun. Du bist und bleibst MEINE Tochter!

Ich weiß nicht Annika, ob meine Sichtweise bzw. meine Worte Dir ein bisschen weiterhelfen, ich hoffe es! Du darfst auf keinen Fall Lea in dem Glauben zurücklassen, sie sei schlecht wie ihr Vater. Wähle Deine Worte gut und mit Bedacht. Antworte am besten nur auf ihre Fragen und sage nicht zu viel. Kinder ERfragen sich ihr Wissen. Wenn sie mehr wissen möchte, z.B. was er genau gemacht hat, hast DU auch das Recht zu sagen: Lea, tut mir leid, aber das ist etwas, das ich nicht mehr hervorkramen möchte. Bitte versuche das zu verstehen - wenn Dir eben nicht danach ist, Lea davon zu erzählen!
Ich bin der Meinung, dass es schon wichtig ist, Kindern gegenüber aufrichtig zu sein. Sie nehmen uns vorbehaltlos an, wie wir uns geben. Und wenn wir uns ständig verstellen, kommen sie uns früher oder später ja doch auf die Schliche!

Ich wünsche Dir alles Gute und drück Dich mal fest! Du bist eine taffe Frau! Weiter so :)

Ganz liebe Grüße
Susi