Problem von Selina - 24 Jahre

Gedankenchaos 3

Hey nochmal!
Puh, also alles nochmal von vorne. Mir gehts zwar im Moment wieder einigermaßen gut, aber ich hab auch Angst, dass es mir nochmal so geht.
Gut, also ich bin jetzt 24 und mein Leben ist bis jetzt wirklich herrvoragend gelaufen. Ich liebe meine Familie über alles und obwohl ich ein Scheidungskind bin, hat es mir noch nie an irgendetwas gefehlt. Mein Opa ist quasi mein Ein und Alles, weil er für mich immer meinen Vater ersetzt hat und dazu auch noch der liebste Opa der Welt ist. Auch meine Mama ist die beste, die man haben kann und das ist wahrscheinlich auch der Grund warum ich - seit ich mit meinem Freund zusammenwohne - tierisches Heimweh hab. Selbst wenn ich jeden Tag für ein paar Stunden zu Hause bin, ersetzt es mir nicht mein bisheriges Daheim.
Abgesehen davon haben mich immer alle dafür bewundert, dass ich so stark bin, mich nichts aus der Bahn schmeißt und ich so zielstrebig bin.
Das stimmt auch, alles was ich wollte, hab ich bekommen: Ein gutes Abitur, mein Traumstudium (mittlerweile im 6. Semester) und endlich einen Mann, der mich auf Händen trägt. Da liegt jetzt das Problem: Ihr seht ich könnte wunschlos glücklich sein.
Auch meinem Opa geht es nach langer Krankheit wieder gut, trotzdem hab ich Angst davor, dass ich es nicht verkrafte wenn er stirbt, er ist ja nun doch schon - auch wenn man es ihm nicht ansieht - 75.
Mit meinem Freund läuft es gut, wobei der Anfang ziemlich bescheiden war. Er hatte sehr engen Kontakt mit seiner Exfreundin und es hat gedauert bis er mir das Gefühl gegeben hat im Mittelpunkt zu stehen und dieses Gefühl gehört mal zu den Gefühlen, ohne die ich nicht leben kann. Dabei bin ich noch nicht mal ein Einzelkind!
Jetzt zum Knackpunkt: Kurz nach Silvester hatte ich einen totalen Zusammenbruch, alles hat mit Bauchschmerzen angefangen und ich hatte das Gefühl, als müsste ich meine ganze Vergangenheit verarbeiten. Zugegeben seit meinem 13. Lebensjahr bin ich von eine Beziehung in die nächste gesprungen, allerdings hatte ich deswegen nie ein schlechtes Gewissen. Selbst Gerüchte über mich waren mir egal, denn ich dachte mir, ich muss glücklich sein.
Manchmal hab ich auch ganz viele Lügengeschichten erzählt: Mal, dass ich ein Drogenproblem hatte, mal dass ich ja ach so tolle Leute kennen würde - von Musikern über Models über was weiß ich was. Alles Lüge und Wichtigtuerei. Deshalb hab ich auch nur 2 richtig gute Freundinnen, denn alle anderen Cliquen erschienen mir zeimlich schnell als ziemlich oberflächlich, weil ich ja nie mir der Wahrheit angenommen wurde, sondern nur mit Lügen über mich, meine Interessen und meinen Charakter.
Ich dachte, wenn ich mit meinem Freund und meiner Familie die ganze Wahrheit erzähle geht es mir besser, aber das war ein Irrtum. Ich fing an mir Dinge einzureden: Z. Bsp: Vielleicht hast du mit Nachilfe geben aufgehört, weil du kleine Kinder angefasst hast...Hallo!!!Schwachsinn, ich finde solche Menschen widerlich, würde so etwas niemals tun und wurde mit 5 selber fast Opfer unseres perversen Nachbarn. Dann denk ich : Oh mein Gott, du solltest dich nicht selbst befriedigen, am Ende kommen dir perverse Phantasien. Punkt 1 kann man Phantasien nicht steuern, sonst wär es ja Realität und Punkt 2 ist das j auch normal. Zwar hab ich manchmal meinem Freund gegenüber ein schlechtes Gewissen, wenn ich dabei an andere denk, aber ich glaube das muss ich gar nicht. Zeitweise hatte ich auch ein schlechtes Gewissen, weil ich mir mit 15 mal vorgestellt habe, wie es wohl wäre, wenn mein Opa mich zu etws zwingen würde. Schlechtes Gewissen deshalb, weil er das niemals tun würde. AUf jeden Fall meine ich das mit Gedankenchaos.
Entweder ich denk über meine Vergangenheit nach oder ich überleg mir, ob ich vielleicht noch ganz andere Sachen gemacht hab udn nur verdrängt hab, aber das hätte ich niemals mit mir selbst vereinbaren können.
Sehr oft überleg ich mir dann, ob das vielleicht mit meinem Freund zusammenhängt. Bis jetzt waren Beziehungen für mich Spiele, meistens haben die Männer mir nach spätestens 6 Monaten gar nichts (mehr) bedeutet und ich hab dann ca. nach einem Jahr Schluss gemacht.
Bei ihm ist das anders. Er ist auch nciht jünger als ich, sondern 3 Jahre älter. Auch wenn Vertrauen mir manchmal noch reichlich schwer fällt, weiß ich, dass er mich liebt und dass ich ihn liebe. Allerdings bin ich manchmal echt überfordert. Dadurch, dass er materiell mehr als gut abgesichert ist und sehr viel Verantwortung im Job hat, fühl ich mich neben ihm wie eine Versagerin. Trotzdem ist er der, von dem ich früher nur in meinen Lügen erzählt hab. Nicht von ihm speziell , aber von einem Mann wie ihm. Ich müsste glücklich sein, wir haben eine tolle Wohnung, ich vertseh mich mit seiner Familie super, er hat mir keine meiner Lügen nachgetragen (obwohl ich zum Teil wirklich heftige Sachen erzählt habe, zum Beispiel, dass ich von einem meiner Exfreunde geschlagen wurde, von einem imaginären Kumpel fast vergewaltigt worden wäre u.a.)
Warum kommen mir plötzlich so schlimme Gedanken, warum versuch ich zu flüchten und warum muss ich so oft weinen wegen Problemen, die nur in meinem Kopf entstehen?
Ich bin wirklich die letzte mit psychischen Problemen, nur ich versteh mich zur Zeit selber nicht. Vielleicht bin ich auch nur endlich erwachsen geworden und muss mich daran gewöhnen...Ich wär sehr dankbar für eure Meinung dazu.
Wisst ihr, ich hab mein Herz da, wo es hin gehört und liebe zum ertsen Mal in meinem Leben so sehr, dass ich bei ihm bleiben will, warum ist mir das so schwer möglich? Und was ist mit dem Gedankenchaos? Bleibt es jetzt endlich weg oder kommt bals ein neuer Rückschlag? Hab ich etwa Bindungs- oder Verlustangst?
Helft mir bitte, ich will wieder unbeschwert sein!

Viele Grüße, Selina

P.S.: Durch meine Lügengeschichten ist übrigens noch keiner zu Schaden gekommen, denn so weit hätte ich es nie getrieben!

Anwort von Andrea

Liebe Selina,

erst einmal schön, dass es dir gerade gut geht, vielleicht kannst du diese guten Momente festhalten, damit du dich in schlechteren daran wieder erinnerst?

Anscheinend war es für dich eine sehr große Umstellung, von daheim wegzugehen, deine Familie, das Vertraute hinter dir zu lassen.
Keiner sieht anscheinend, wie schwer es dir doch fällt, du zeigst nicht, dass es dir eben doch auch was ausgemacht hat, loslassen zu müssen, seinen eigenen Weg zu gehen.

Kann es sein, dass du immer versucht hast, nach außen hin, die Perfekte zu sein, die ohne Fehler, die einen Traumtypen nach dem anderen bekommt, bei der nichts schief gehen kann? Immer eine solche Fassade vorzutäuschen, perfekt sich darzustelle, ist nicht leicht. Ich kann nachvollziehen, dass du irgendwann daran zerbrichst.

Dadurch, dass du anderen eine andere Selina vorgetäuscht hast, konnte keiner dich so kennen lernen, wie du vielleicht wirklich bist. Irgendwann wird es unerträglich mit den Lügen alleine dazustehen, immer weitere Dinge vorzutäuschen, um den Schein zu halten.

Gedankenchaos hat jeder von uns, ich habe gestern auch mich vor einem Berg befunden, und wusste nicht merh, wie ich da jemals noch einmal Ordnung hinein bekommen soll. Ich hab es in Worte gefasst, versucht, wenn ich es jemandem mitteile, eine Ordnung dahinein zu bekommen. Und es hat geklappt, ich hab mich nicht mehr alleine gefühlt, ich war ehrlich und wollte endlcih alles wieder gerade rücken.

Dass dir Vertrauen schwer fällt, das kenne ich. Geht mir genauso. Ich schaff es noch immer nicht. Ich denke mir, manchmal braucht es Zeit und vielleicht bin ich auch einfach ein Mensch, dem man öfters sagen muss, dass man mich mag.
Du brauchst das anscheinend auch, damit du dir nicht als Versagerin vorkommst, oder?

Warum das jetzt auf einmal nach oben kommt, kann ihc dir leider nicht sagen, vielleicht sehst du dich nach Wahrheit und Ordnung, dass endlich alle Lügen aus der Welt sind - aber gleichzeitig hast du Angst, ohne sie zu leben, da du dir nicht vorstellen kannst, wie du ohne einen Schutz, den du dir durch Lügen gemacht hast, leben kannst.

Ich vermute, du sehnst dich danach, dass einer dir zuhört, mit dir versucht die Ordnung zuzulassen und irgendwie auch dahinein zu finden. ich glaube nicht, dass dein Freund dir da helfen kann, da er zu sehr mit darin verwickelt ist, jemand außenstehendes wäre da besser...
Wärst du denn bereit, dir helfen zu lassen, zu hinterfragen, warum du so viele Lügen erst aufbauen musstest?

Alles Liebe
Andrea