Problem von Andrea - 43 Jahre

Wo ist der Knopf zum Ausschalten?

Hallo liebes Kummerkasten-Team!

Mein Problem ist folgendes: ich habe mich vor eineinhalb Jahren in einen Mann verliebt, der offensichtlich nicht an mir interessiert ist. Trotzdem geht er mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich kann einfach nicht mehr!

Im August 2005 vertrat ich meinen Mann (inzwischen sind wir geschieden) bei einer Gerichtsverhandlung. Ich tat dies, weil ich die Angelegenheit selbst vorangetrieben hatte, da ich sehr gerechtigkeitsliebend bin (seit einem Jahr studiere ich Rechtwissenschaft).

An diesem Tag war die Innenstadt wegen einer Veranstaltung gesperrt und ich kam zehn Minuten zu spät zu der Verhandlung; befürchtete, dass bereits ein Versäumnisurteil ergangen sein könnte und hatte fürchterliche Angst vor dem Richter, weil ich - aus welchen Gründen auch immer - glaubte, da säße ein . Als ich die Tür zum Gerichtsaal geöffnet hatte und ihn sah, erwischte es mich.
Ich dachte nur: der ist ja gar nicht alt. Und: der sieht ja richtig nett aus!
Er war auch unglaublich nett. Ich gewann den Prozess als Vertreterin der Beklagtenpartei. Für den Rest des Tages schwebte ich auf rosa Wolken.
Tags darauf ertappte ich mich dabei, wie ich immer wieder an ihn denken musste. Das brachte mich dazu, über meine Ehe nachzudenken, warum mir das überhaupt passieren konnte, was fehlte mir? Letztendlich kam ich zu dem Schluss, dass ich die ganzen letzten Jahre in meiner Ehe unglücklich war und bereits resigniert hatte. Mir wurde bewusst, dass es besser ist, glücklich allein zu leben als unglücklich zu zweit.
Gleichzeitig wurde ich wieder lebendig, spürte wieder Bedürfnisse... Und dachte nur noch an ihn. Ende diesen Monats trennte ich mich von meinem Mann, der zu dem Zeitpunkt bereits ein Verhältnis mit einer Kundin hatte - das wusste ich da aber noch nicht. Perfektes Timing!

Dann kam die schriftliche Ausfertigung des Urteils, und dort stand etwas, das ich nicht nachvollziehen konnte und bat bei Gericht um Erläuterung.
Der Richter rief mich an und war unglaublich lieb; ich hatte gerade geweint und man konnte mich noch schniefen hören. Seine Stimme wurde ganz warm und weich, er redete leise und langsam.

Ich glaube, das hat mir den Rest gegeben.

Im Dezember 2005 schrieb ich ihm einen Brief, in dem ich ihm meine Gefühle erzählte. Ich schrieb den Brief allerdings so, als würde ich keine Antwort erwarten, als hätte ich mich ihm nur mitteilen wollen.
Mein Mann wusste inzwischen von meiner Liebe. Unsere Trennung lief gütlich, da ich aus dem Haus nicht ausgezogen war, hatten wir die Möglichkeit, viel miteinander zu reden. Inzwischen sind wir die allerbesten Freunde.
Nun ja - auf eine Antwort wartete ich vergeblich. Dies fand sogar mein Mann enttäuschend.

Im April 2006 begann ich mein Studium - habe sogar Bafög durchgekriegt! - und hoffte, dass meine Gefühle sich irgendwann verlaufen würden. Aber nichts änderte sich. Mein erster Gedanke beim Aufwachen, mein letzter vor dem Schlafengehen, meine nächtlichen Träume - immer nur er!

Im November letzten Jahres durfte ich meinen Ex-Mann wieder vertreten. Natürlich war derselbe Richter zuständig. Ich schwankte zwischen meiner Scham und dem Wunsch, ihn wiederzusehen. Doch der war letztendlich größer. Als ich vor dem Saal auf den Aufruf wartete, öffnete sich plötzlich die Tür und jemand kam herausgeschossen, hätte mich dabei fast umgerannt. Wir beide zuckten zurück, er griente ganz verschmitzt und meinte: . Wäre ich nicht zurückgezuckt, wär mir mein Richter in die Arme gelaufen...
Er kopierte etwas und hetzte zurück in den Saal, dabei hielt er die Tür offen, als wolle er mich einladen, mitzukommen. Ich schloss die Tür dann und blieb draußen (blöde, dumme Kuh ich)

Nach Aufruf meiner Sache erschien ich dann im Saal.
Diesmal war der Richter aber nicht im Vorfeld über die Vertretung informiert worden, - er erwartete also eine männliche Person - und sah mich fragend an:
Ich sagte ihm meinen Namen und gab ihm die Vertretungsvollmacht. Er ließ sich überhaupt nichts anmerken. Hatte er meinen Brief überhaupt bekommen?

Dieser Prozess ging verloren. Merkwürdig aber war, dass der Richter zum Schluss total aus dem Konzept kam. Nachdem die Verhandlung geschlossen war, der gegnerische Rechtsanwalt auf dem Weg zu Tür, fiel ihm plötzlich ein, was machen wir denn jetzt mit dem Antrag auf PKH?
Ich war bereits aufgestanden, um meinen Mantel anzuziehen und konnte den Richter nicht sehen, weil sein Monitor die Blickrichtung versperrte, also machte ich ein paar Schritte dahinter. (Stand also leicht hinter dem Richtertisch...)
Plötzlich wurde er rot (der Richter - nicht der Tisch).
Sah mich an, sah wieder weg, wieder hin, wieder weg, begann zu stottern... Der RA sah amüsiert zu. Und dann habe ich getan, was ich mir die ganze Zeit verboten hatte. (Trägt er einen Ehering oder nicht?) Jetzt sah ich hin. Kein Ring! Ich weiß, das hat nix zu bedeuten, es gibt genügend Ringmuffel. Aber mein Herz hüpfte!!!

Nachdem alles geklärt war, lehnte er sich sichtlich erleichtert zurück und strahlte mich an: Ich nickte und drehte mich langsam um. Begann meinen Weg zu Tür, hoffend, er würde mich zurückrufen. Der Rechtsanwalt war bereits an der Tür, blieb plötzlich stehen, und hielt sie mir auf. Ich drehte mich leicht nach hinten und sagte:.
Ein ganz leises und ganz langes kam vom Richtertisch. Das wars.

Wieder hatte ich etwas zu klären, als ich die schriftliche Ausfertigung vorliegen hatte. Also habe ich meinem Richter Ende November 2006 wieder geschrieben. Als P.S. habe ich hinzugefügt, dass er mir doch bitte mitteilen möge, wo ich den Knopf zum Abschalten finde. Und dass ich mich langsam fühle wie ein blöder Backfisch.

Nun haben wir März 2007. Keine Antwort. Inzwischen habe ich 15 kg abgenommen, bekomme Anti-Depressiva und Betablocker. Mein Hausarzt sagt, da könne nur die Vernunft helfen. Mein Gott, wo soll ich die jetzt noch hernehmen??? Gibts die auf Rezept?

Die ersten beiden Semester habe ich auch versemmelt.

Ich bin kurz davor, ihm einen weiteren Brief zu schreiben. Einfach nur mit dem Inhalt: Schade, dass Sie nicht mal ein einziges Wort für mich übrig haben!
Ohne Unterschrift, aber mit einem Foto, dass mich sehr traurig zeigt.

Ich bin intelligent, ich sehe nicht schlecht aus, aber mit diesem Problem werde ich einfach nicht fertig. Wenn ich diesen Mann näher kennenlernen könnte, würde sich wahrscheinlich alles von selbst in Luft auflösen, er hat mit Sicherheit irgendwelche Angewohnheiten, die mir nicht gefallen. Meine Sehnsucht nach ihm resultiert wahrscheinlich aus der Kombination meiner Wünsche mit dem Zusammentreffen mit ihm und den angenehmen Erfahrungen. Mein Kopf weiß das. Mein Herz tut weh.

Ich weiß inzwischen, wo er wohnt, in welchem Verein er ist, welches Auto er fährt, kenne das Kennzeichen, seine private Telefonnummer. Ich würde ihn aber nie dort anrufen. Alle Briefe habe ich bisher ans Gericht geschickt.

Das ist doch nicht mehr normal!!!

Und letzte Nacht dieser Traum: Er war mir so nah wie nie zuvor. Ich stand neben ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Er kniff die Lippen zusammen, aber begann zu lächeln. Ganz leicht lehnte er seinen Kopf an meinen. Aber er sah mich nicht an.


Folgendes habe ich Heiligabend 2005 in mein Tagebuch geschrieben:




- Wenn ich wüßte, dass diese Wünsche wahr werden, würde ich es noch immer tun! -

Andrea

Anwort von Sabine

Hallo Andrea!

Du sagst, dass Du diesen Brief verfasst hast, dass es wie eine Mitteilung klang und nicht wie eine Bitte um eine Antwort. Von daher war auch mit keiner Antwort zu rechnen. Manchmal heißt es ja auch : keine Antwort ist auch eine Antwort.
Du vermutest jetzt, dass er nicht verheiratet ist. Wissen kannst Du es nicht. Du weißt aber nicht, ob er in einer Beziehung ist. Schon mal daran gedacht?
Ich meine, wenn er wirklich Interesse hätte (gar nicht unbedingt Gefühle) gehabt hätte oder hat, weil er Singel ist oder auf der Suche ist, dann hätte er doch reagieren können.
Mein Rat: höre auf Dich in die Angelegenheit so rein zu versteifen. Ich weiß, dass man Gefühle nicht abstellen kann. Ich hätte auch manchmal gerne eine Knopf dafür, aber den gibt es nicht. Dein Arzt hat schon ganz Recht. Lass den Verstand siegen.
Du scheinst ein Herzensmensch zu sein, aber in diesem Fall wäre es sinnvoll, wie Du es beschreibst, den Verstand siegen zu lassen. Akzeptiere seine stillschweigende Entscheidung. Vielleicht täte Dir ein Nein mehr Gefallen, als gar keine Antwort, aber in diesem Fall, wie er sich verhält, ist es ein klares und deutliches Nein. So fasse ich es zumindest auf.

Lieben Gruß