Problem von Anonym -

Ablösung von den Eltern - Pubertät verpasst?

Hallo Kummerkasten-Team,
bin ziemlich verzweifelt und hoffe, ihr habt einen Rat für mich.
Ich habe Probleme mit meinen Eltern, die ich in meinem Alter (Mitte zwanzig) eigentlich gar nicht mehr haben dürfte: Ich kann mich gegen sie einfach nicht behaupten, lasse mir immer noch vieles vorschreiben und mich von ihnen zu oft behandeln wie ein kleines Kind.
Ich war immer schon die unauffällige brave angepasste Tochter, auch in den Jahren, in denen anderen rebellieren - das scheine ich irgendwie verpasst zu haben. Immer wenn ich versucht habe, mich in irgendeiner Sache durchzusetzten, vor zehn Jahren noch genauso wie heute, bin ich letztlich gescheitert und zwar daran, daß ich ein sehr harmoniebedürftiger Mensch bin und es unerträglich finde, wenn herumgeschrien und gestritten wird. Und das passiert in meiner Familie nur allzu schnell. Meine Eltern sind recht streng und autoritär, auch schon älter (beide über 60) und es gibt schon für kleine Dinge Ärger. Ich habe nie Drogen genommen, Alkohol getrunken, geraucht, bin kaum Abends weggegangen, war gut in der Schule und Ausbildung - eigentlich könnten sie doch zufrieden sein, finde ich. Statt dessen sind Kleinigkeiten wie etwa, wenn ich sie mal einen einzigen Tag nicht besucht habe oder den Geburtstagsanruf bei irgendeiner Tante vergessen habe, Anlaß für Vorwürfe. Und das nicht nur im Moment, sondern immer langfristig, sie sind sehr nachtragend.
Das eigentliche Problem ist, daß ich die Art der Vorwürfe nicht ertragen kann und dann immer schnell kapituliere statt mich durchzusetzen. Normalerweise sind das folgende: Du liebst uns nicht, du bist undankbar und egoistisch, du kümmerst dich nicht um uns (also: du bist eine schlechte Tocher)
Das halte ich dann einfach nicht aus, es geht mir durch und durch und mir wird manchmal richtig körperlich übel davon.
Ich vermute, daß meine Eltern genau wissen, wie harmoniebedürftig und friedliebend ich bin und das vielleicht ein bischen ausnutzen, damit ich alles mache, was sie wollen.
Ich habe überhaupt kein eigenes Leben! Habe das Gefühl, die Marionette meiner Eltern zu sein. Was soll ich nur tun?
Jetzt neuerdings reden sie immer davon, daß ich sie mal pflegen werde, wenn sie noch älter geworden sind - man hat mich nicht gefragt, ob ich das machen will, sondern schon vorherbestimmt, das es so sein wird! Mir schnürt das alles die Luft ab, ich würde am liebsten einfach verschwinden und nicht mehr leben.
Ich habe schon öfter versucht mit ihnen darüber zu reden, sowohl mit beiden einzeln und zusammen, was mich viel Überwindung gekostet hat. Genützt hat es nichts., es wird einfach alles abgestritten, manchmal frage ich mich schon, ob ich einfach verrückt bin und mir wirklich alles einbilde . Sie sagen dann, was willst du denn, du hast doch alles was man sich wünschen kann, wir meinen es doch nur gut! Aber auf die Idee, daß für mich was anderes gut sein könnte als sie denken kommen sie nicht und wollen das auch nicht hören.
Ist das eigentlich schon emotionale Erpressung was sie machen?
Oder bin ich einfach zu schwach und selber schuld?
Kann man das Rebellieren noch nachholen, auch wenn man schon zehn Jahre zu alt ist? Und wenn ja, wie?
Ich habe absolut keine Idee mehr, wie ich mich und mein Leben gegen die Pläne und Vorstellungen und die Kontrolle meiner Eltern verteidigen soll, alle bisherigen Versuche sind wie gesagt daran gescheitert, daß ich des schrecklichen Familienkrach, der schon bei der leisesten Andeutung losbricht, nicht aushalten kann. Geschwister, mit denen ich mich verbünden könnte habe ich nicht und meine Freunde sagen auch, ich übertreibe (denn ihren gegenüber sind meine eltern zuckersüß)
Kann es sein, das meine Eltern mich auch nur deshalb so behandeln, weil ich adoptiert bin? Sie behaupten immer, daß sie mich lieben und nur mein bestes wollen, aber ich habe das Gefühl, es ist eine ziemlich berechnende und kontrollierende Liebe, die sie mir schenken.
Ich bin meinen Eltern sehr sehr dankbar für alles was sie für mich getan haben aber das verpflichtet mich nicht, nach ihren Vorstellungen zu leben. so wie bis jetzt oder doch?
Viele Fragen, sorry. Es wäre ganz toll, wenn ich eine Meinung dazu hören könnte. Tausend Dank!

Anwort von Sabine

Hallo!
Mein erster Gedanke war: starte jetzt oder nie.
So, wie Du es beschreibst, haben sie Dich ziemlich im Griff. Aber was ist mit Deinem Leben? Du lebst doch in erster Linie für Dich und nicht für sie. Du solltest wirklich lernen Deine Interessen durchzusetzen und dazu stehen, wenn Du mal vergessen hast bei einer Tante anzurufen oder mal keine Lust hast Deine Eltern zu besuchen. Eltern können schwer von ihren Kindern loslassen. Schwer verstehen, dass sie ab einem gewissen Punkt ihr eigenes Leben führen. Sie glauben, sie stets kontrollieren zu müssen und lernen auch nur schlecht loszulassen, wenn es ihnen jetzt von den Kindern nicht "beigebracht" wird.
Ich denke, wenn Du das wirklich ändern möchtest, dann solltest Du jetzt anfangen Deine Eltern teils zu "erziehen". Wie sollen sie wissen, was Du wirklich willst in Deinem Leben, wenn Du ständig springst, wenn sie rufen. Wehre Dich doch eimal, indem Du ihnen sagst :"Sorry Mama und Papa, aber heute komme ich nicht zu Besuch, ich habe mich ins Kino verabredet oder zum Tee mit einer Freundin." Je öfter es vorkommt, um so mehr müssen sie es akzeptieren. Du kannst sie ja deswegen trotzdem besuchen, aber dann, wenn es in Deinen Plan paßt und Du wirklich gerne hingehen magst, denn schließlich soll der Besuch gerne geschehen und kein Zwang sein. Denn wenn es unter Zwang entsteht, dann passiert das Rebellieren irgendwann automatisch.
Die Vorwürfe solltest Du Dir nicht so sehr zu Herzen nehmen. Es klingt wie eine "letzter Zug" den sie einsetzen, um an Dich heranzukommen, denn sie bekommen immer mehr zu spüren, dass Du auf eigenen Beinen stehst und sie nicht mehr so gebraucht werden wie früher.
Vielleicht sollten sich Deine Eltern mal wieder ein Hobby oder eine Sportart zulegen, dass sie beschäftigt sind. Oder einen irgendwelche Treffen oder Clubs anschließen, dass sie viel unterwegs sind. War nur so ein Gedanke, denn meine Eltern sind sehr viel unterwegs (mir manchmal schon zuviel).
Mir scheint, dass Du ihre einzige richtige Aufgabe (Erziehung usw.) warst und sie jetzt merken, dass da nicht mehr viel zu tun ist, also melden sie sich mit Erinnerungen und beschweren sich sofort, wenn es mal zu wenig Aufmerksamkeit gibt.
Also so richtig habe ich auch keine Lösung für Dich, aber vielleicht konnte ich kleine Gedankenanstöße geben.
Alles Gute.