Problem von Anonym - 16 Jahre

Alkohol macht uns kaputt

Hallo,

ich weiß gar nicht wie ich sagen soll. Meine Familie ist seit langer Zeit nicht mehr das, was sie einmal war. Wir waren einmal glücklich. Wir haben gemeinsam Spaß gehabt und konnten leben wie in einer Bilderbuch Familie.
Doch mittlerweile läuft es ganz anders. Mein Vater ist schwer Alkoholabhängig.
Er trinkt pro Woche, wenn es hoch kommt 8 Flaschen. Und damit ist Bier ausgeschlossen. Mit 8 Flaschen meine ich hartes Zeug.

Ich habe Angst, meinen Vater zu verlieren... auch wenn ich glaube, dass ich das irgenwo schon habe T__T
...
Meine Schwester, die 2 Jahre älter ist als ich, hatte schon einmal versucht, mit ihm über sein Problem zu reden. Ebenso meine Mutter. Doch beide sind bei meinem Vater nun \"untendurch\" ... und ich habe Angst, dass es bei mir auch so sein könnte.

Die ganze Familie ist angespannt, sobald mein Vater in der Nähe ist (wenn er betrunken ist) ... dann regt er sich ständig auf, wird laut, beleidigt... und wird, aber nur GAAAANZ selten... handgreiflich.

Ich habe meiner Mutter oft schon versucht zu erklären, dass es besser wäre, würde Sie sich von meinen Vater trennen. Aber ich fühle mich deswegen schlecht. Ich kann doch nicht ständig meiner EIGENEN MUTTER sagen, dass Sie sich von meinen EIGENEN VATER trennen soll -___- ...

Ich eckele mich erlich gesagt schon vor meinem Dad. Ich wünsche mir meinen Alten Vater wieder. Aber sehr wichtig ist mir, dass meine Mutter glücklich wird. Doch ich weiß nicht wie!! Sie lässt sich schließlich nicht helfen und von selbst macht sie einfach nichts. Sie hat Angst, dann ganz alleine dazustehen.. einfach ohne jede Hilfe.

Ich weiß zwar nicht, was ihr mir da sagen oder helfen könnt... aber mir geht es besser, wenn ich jemand anderes etwas von meinen problemen berichte.
;__;

Danke im vorraus ;)

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Unbekannte.

Alkoholismus ist eine Krankheit.
Wie ein Geschwür: es ist verständlich, dass Du Dich vor den Auswirkungen ekelst!
Aber es ist nur der Eiter. Nicht der Mensch, vor dem Du Dich ekeln solltest!

Das Schlimme gerade an Suchtkrankheiten ist, dass es in erster Linie darauf ankommt, dass der Betroffene (zumal, wenn er volljährig ist), zuerst selbst erkennen sollte, dass er fremder Hilfe bedarf.
Dass Dein Vater soweit ist, steht nach Deiner Schilderung außer frage.

Zu der akuten Krankheit kann ich mir vorstellen, dass eine "Zwangseinweisung" durch den Haus- oder Amtsarzt möglich ist: Deinem Vater würde zeitweise die "Mündigkeit" entzogen. Er müßte, ob er will oder nicht, einen Entzug durchmachen. Das ist aber die Voraussetzung dafür, dass es überhaupt noch eine Chance für ihn gibt. Und eine Tortour, der Deine ganze Familie nicht allein gewachsen sein wird:

Das muß unter ärztlicher Obhut und Überwachung geschehen! Das sollte vor allem Deine Mutter begreifen!
Es gibt nur zwei Möglichkeiten:

entweder ihr vergesst euren Vater und ihren Ehemann und lasst ihn einfach neben euch zugrunde gehen!

Oder ihr übernehmt die Initiative, die ihm aufgrund seiner Krankheit nicht mehr möglich ist!
Dazu muß Deine Mutter eine Entscheidung treffen!

Wenn Deine Mutter stark genug ist, die zweite Möglichkeit in Angriff zu nehmen, habt ihr alle eine schwere Zeit vor euch. Aber es macht Sinn!

Deine Mutter sollte ihren Mann zwangseinweisen lassen!

Und ihr alle solltet euch vor dem Eiter nicht ekeln!

Es stinkt gewaltig, wenn ein Alkohlokranker den Entzug durchlebt: er macht euch Vorwürfe für seine Situation, hasst euch und verflucht euch.
Und doch solltet ihr ihn in seinen Qualen begleiten und ihn so oft wie möglich besuchen!

Aber es ist absehbar, dass nach einem betreuten Entzug der Kranke einsieht, dass ihr ihm nichts Böses wolltet, sondern ihn nur zu euch zurückholen.

Trotzdem ist eure Aufgabe dann noch nicht beendet: ihr selbst müßt ihm vorleben, dass Alkohol nicht nur für ihn Tabu ist, sondern auch für euch!

Denn die Krankeit ist nicht bereits mit dem Entzug besiegt: Gerade bei Suchtkrankheiten besteht immer die Gefahr eines Rückfalls.
Und dann darf es nur heißen: als Familie schneller und konsequenter zu reagieren. Es nicht nochmal zu solchen Exzessen kommen lassen, wie zur Zeit.

Ich weiß, es ist brutal. Ich schreibe es trotzdem:

Wenn Du Deiner Mutter rätst, sich von Deinem Vater zu trennen, vergiss zuerst Du selbst, was Du je an ihm geliebt hast. Sonst wirst Du Dir später Vorwürfe machen:

Du wirst Deiner Mutter raten, ihn einfach verrecken zu lassen!


Wenn da auch bei Dir noch etwas von dem positiven Gefühl in der Erinnerung wach ist, ist es eigentlich nicht einfacher für Dich:

Du mußt mit Deiner Mutter zusammen erkennen, dass Liebe nicht heißen darf: wegschauen und geschehen lassen!

Liebe kann, darf und muß manchmal auch bedeuten: die Verantwortung auch gegen den Widerstand des Geliebten in die eigene Hand zu nehmen.

Selbst, wenn ihr am Ende euren Vater an die Krankheit verlieren werdet:

ich bin mir sicher, dass es euch stark machen wird. Das Gefühl, nichts unversucht gelassen zu haben.

Flucht macht kurzfristig frei. Aber es bleibt immer die Angst, von dem eingeholt zu werden, wovor man geflüchtet ist.

Vielleicht liest Du Dir meine Zeilen mal zusammen mit Deiner Mutter durch?

Ihr werdet die richige Entscheidung zusammen treffen!

Alles Liebe und genügend Mut und Zuversicht, den richtigen Weg einzuschlagen

wünscht Dir und Deiner ganzen Familie

von ganzem Herzen

Bernd