Problem von Anonym - 20 Jahre

Hätte ich mich vielleicht doch umbringen sollen ?

Hallo liebe Leute,

habe gerade auf den Link \"Das Team von Mein-Kummerkasten.de\" geklickt und gesehen, dass hier auch sehr viele junge Leute in meinem Alter sich engagieren. Dazu wollte ich nur sagen, dass ich es sehr gut finde, dass ihr die Zeit aufbringt, wo ihr doch so viele andere wichtige Dinge zu tun hättet (mir würde das nicht gelingen).

Mein Problem ist, dass ich momentan ziemlich mies fühle. Wie man aus der Überschrift lesen kann, handelt es sich um etwas, was schon in der Vergangenheit liegt. Es geht um mein Abitur. Wahrscheinlich werden einige nicht recht verstehen, was das für ein Problem sein könnte, denn mein Abischnitt wird nicht schlecht ausfallen und für viele ist das Abitur auch nicht alles im Leben. Für mich hat das Abitur schon einen sehr hohen Stellenwert, weil man es nur 1 mal im Leben macht und es danach sozusagen ein Stempel auf der Stirn ist, der einen das ganze Leben verfolgt.

Wie auch immer: gerade habe ich meine ersten 3 schriftlichen Abiturprüfungen in NRW hinter mich gebracht. Da gibt es einen Gedanken, der mich nicht mehr loslässt.
Vielleicht kann man es hier schon erahnen: ich denke mir momentan immer, dass mich mein Abitur für den Rest meines Lebens verfolgt, es ist ja sozusagen in Stein gemeißelt. Was mir Kummer macht, ist nicht wirklich mein Abitur, sondern die Einstellung meiner Familie. Mein kleiner Bruder hat mich mit Absicht vor den Abiturprüfungen mit einer Krankheit angesteckt (habe gehört, wie er das gesagt hat, er ist aber erst 8 Jahre alt). Am Tag der Abiturprüfung habe ich dennoch geschrieben, weil ich mich fit gefühlt habe. Naja jetzt sind alle schriftlichen Abiturprüfungen vorbei und ich habe tierisch Angst, dass sie in die Hose gegangen sind.

Es ist einfach komisch: ausgerechnet, als ich in die 12. Klasse gekommen bin (ab der 12 sammelt man ja die Punkte für das Abi) war meine Mutter plötzlich extrem darauf aus, mir einzureden, ich solle mich nicht \"überanstrengen\" in der Schule.

Meine Mutter hat mir am Morgen vor der Prüfung ziemlich viel psychischen Stress gemacht, sie war schlecht gelaunt, es war als wäre bei ihr ein Schalter umgesprungen auf diesen Tag. Einfach so. Eigentlich hatte ich schon vor 2 Jahren den Gedanken im Kopf, dass meine Mutter mir mein Abi versauen will, damit ihr Schnitt nicht schlechter wird als Meiner.

Das sind von mir ziemlich böse Unterstellungen, die ich jedoch ernst meine und dementsprechend groß ist meine Enttäuschung von meiner Familie. Eigentlich kann ich mir kaum vorstellen, wie man einem so das ganze Leben mit Absicht zerstören kann. Deshalb bin ich auch am Überlegen, ob ich mich damals schon hätte umbringen sollen oder ob ich hätte ausziehen sollen/können (war damals in der 11. Klasse 18 geworden). Dann hätte ich jetzt nicht das Problem mit meiner Familie am Hals gehabt. Das hört sich hart an, doch jetzt ist es zu spät, jetzt habe ich alles hinter mich gebracht und muss entweder damit leben, oder ich bringe mich eben jetzt um. Momentan gibt es gerade wegen diesem großen Stressfaktor nichts, was mir im Leben noch lebenswert erscheint. Der Gedanke ist einfach so komisch.

Die Ergebnisse der Prüfungen kommen noch, da werde ich es dann erfahren. Vielleicht macht einer von euch auch gerade Abitur oder hats gemacht, dann weiß er wie das ist, mit der Ungewissheit.
Am meisten stört mich jedoch die bereits erwähnte Idee, dass meine Mutter mit Absicht mein Leben zerstören will. Das ist eine sehr bösartige Unterstellung und gerade deshalb macht mich dieser Gedanke so fertig.


So das wars, momentan fühle ich mich so dreckig, manchmal auch einfach \"leer\". Vielleicht habt ihr ein paar Ratschläge dazu, wäre auf jeden Fall sehr dankbar.

Danke im Voraus

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Unbekannter,

Und jetzt antwortet Dir auch noch ein Gruftie. Na ja, vielleicht ist das am Ende doch nicht so schlimm.

Zuerst will ich Dir etwas zum Stellenwert des Abiturs schreiben.
In Österreich nennen die das "die Matura" (lat. maturitas ?die Reife', maturus ?reif').
Auch hierzulande hieß es einmal "Zeugnis der Reife"

Zum einen zeigt es Dir an, dass Du mit Recht ein gewisses Selbstbewußtsein zur Schau stellen darfst: Du hast etwas erreicht!

Zum Anderen ist es die Eintrittskarte zum Studium oder zu einem Ausbildungsplatz, zu dem vorzugsweise Abiturienten genommen werden.

Mehr ist es auch nicht!

Und ich denke, dass eher diese Erkenntnis die gewisse "Leere" in Dir hervorruft: dass das Abitur der Anfang ist. Nicht bereits das Ende!

Mit dem Abitur hast Du alle Möglichkeiten, aber nichts greifbares in der Hand, außer einem Stück Papier.

Du mußt daraus erst einmal etwas machen!

Es ist zwar befreiend, einen guten Schnitt zu haben (von wegen N.C.), aber wenn Du wirklich weißt, was Du im Leben erreichen willst. Wenn Du Dein Ziel kennst.
Dann fragt kein Mensch mehr nach Deinem Abitur, sondern nur und einzig nach den Leistungen, dem Interesse und Engagement, die Du in Deiner weiteren Ausbildung und zu guter Letzt in Deinem Beruf an den Tag legst.

Du darfst es mir ruhig glauben: niemand hat nach meiner ersten Anstellung jemals wieder nach meinem Diplom-Zeugnis gefragt. Es reichte die Diplom-Urkunde. Und das, was über mich in den Fachkreisen, in denen ich mich tummele über mich bekannt ist.

Die persönliche Referenz zählt am Ende immer mehr, als eine Zensur, die Du vor Jahren einmal erzielt hast.

Das Abiturzeugnis hole ich nur noch ganz selten einmal heraus:
wenn meine Söhne mal einen guten Grund zum Lachen brauchen!

Und deshalb glaube ich auch nicht, dass es da irgendeine Verschwörung in Deiner Familie gegen Dein Abitur gibt.

Deine Mutter weiß genauso gut wie ich, dass es zwar wichtig ist.
Aber eben erst der Anfang!

Mache das Beste daraus und konzentriere Dich nicht so sehr auf Verschwörungstheorien, sondern nutze die Zeit, Dir Gedanken über Deine beruflichen Neigungen und Ziele zu machen!

Und die gehst Du an!
Mit Deinem "Zeugnis der Reife" als Hintergrund. Eine erste Referenz, der noch viele andere folgen werden.

Da bin ich mir sicher!

Ich denke, das beantwortet auch Deine "Titelfrage"!

Schaue nach vorne, niemals nach hinten. Solange Du ein Ziel vor Augen hast!

Alles Gute,

Bernd