Problem von Anonym - 26 Jahre

liebt er mich noch

Hallo ich habe vor genau 4 Monaten ein baby bekommen und seitdem streiten mein Mann und ich nur noch.

Wir sind seit 5 jahren zusammen und hatten oft Höhen und tiefen. Unsere Tochter ist ein absolutes wunschkind. Während der Schwangerschaft lief alles harmonisch. Die geburt ist jetzt 4 monate her. Ich habe wenig Lust auf Sex (auch wegen einer schmerzenden naht) und auch auf Zärtlichkeit. Mein Mann gibt mir nicht das Gefühl mich zu verstehen oder so. Ich rede sehr viel mit ihm aber er öffnet sich mir nicht. Zur Zeit führt der banalste Satz zu streiterein. Er geht sehr liebevoll mit unserer Tochter um, wenn er mal da ist. Denn hier kommt das größte Problem: er arbeitet im familienbetrieb seiner Eltern (mit denen ich mich nicht gut verstehe) dort ist er 14std täglich. Dieses Jahr hatte er 2 tage Urlaub (seine Eltern 6 wochen). Selbst nach der geburt war keiner für mich da. Ich musste nach 3 Tagen Krankenhaus allein den Haushalt schmeißen, mich ums baby kümmern und auch noch ihn versorgen. Ich fühle mich inzwischen einfach ungeliebt denn für ihn ist alles wichtiger als ich.ich will ihn nicht verlieren aber ich kann auch nicht mehr ständig nur hinten dran stehen. Was soll ich tun???

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du,

deine Situation klingt gar nicht schön! Gerade bei einer Familiengründung ist es wichtig, dass die Partnerschaft harmonisch und gegenseitige Entlastung gegeben ist. Das scheint bei euch gerade überhaupt nicht der Fall zu sein. Wobei ich dir Hoffnung geben möchte, dass es nicht gesagt ist, dass er dich nicht mehr liebt. Ihr habt einfach ziemlich blöde Voraussetzungen.

Klar, ein Baby bringt erstmal ganz viel Veränderung in die Beziehung. Das stellt die Eltern natürlich auf eine mehr oder weniger harte Probe (je nach den Umständen). Es hinterlässt Spuren, ein Kind zu bekommen - im positiven wie auch im negativen Sinn.
Doch bei euch scheint es gar kein tragfähiges Netz zu geben, das all diese normalen Alltagsschwierigkeiten auffangen kann. Die Aufgabenverteilung ist sehr unausgewogen: Du bist für Kind und Haushalt zuständig, dein Mann für die finanzielle Grundlage. Allein das ist schon ein absoluter Beziehungskiller! Ich schreibe das deswegen so hart, weil ich befürchte, dass ihr euch auf Dauer total voneinander entfernt, wenn ihr nicht schnell etwas unternehmt.
Und dann kommt noch das Problem hinzu, dass du sexuell gerade anders "tickst" als er. Völlig normal nach einer Schwangerschaft, würde ich sagen. Und auch verständlich, wenn du allein gelassen wirst mit dem Baby! Wie soll denn dann Raum für Zärtlichkeit, Lust und Kreativität bleiben?!

Ich finde es ganz toll, dass du trotz aller Anstrengung noch versuchst, auf deinen Partner zuzugehen und ihm von deinen Gefühlen zu erzählen. Aber ich fürchte, du musst ab jetzt andere Seiten aufziehen! Die Beziehung und eure Familie ist in Gefahr und ich glaube, dass du das Ruder nur herumreißen kannst, wenn du fatalistischer handelst. Schließlich leidest nicht nur du, auch euer Kind hat ein Recht, seinen Vater häufiger und länger zu sehen.

Folgendes lege ich dir dringend ans Herz:

1. Dein Mann MUSS weniger arbeiten - nicht nur für euch als Familie, sondern auch für sich selbst! Täglich 14 Stunden zu schuften wird er nicht durchstehen, ohne psychisch völlig vor die Hunde zu gehen. Wahrscheinlich zeigt sich jetzt schon, wie sehr das Arbeiten ihm und eurer Interaktion schadet. Er kann ja gar nicht mehr angemessen mit dir umgehen, kein Verständnis aufbringen. Du glaubst, dass er dich nicht mehr so liebt - aber wahrscheinlich findet er gar nicht die Kraft, dir das angemessen zu zeigen.
Er muss es schaffen, mit seinen Eltern eine akzeptable Lösung zu finden, auch wenn sie dir nicht wohlgesonnen sind - es kann nicht angehen, dass er für 3 arbeitet, während seine kleine Familie zuhause wartet. Versuche ihm klar zu machen, dass er keine "Bringschuld" hat, weder bei seinen Eltern noch für dich (du liebst ihn ja nicht, weil er so viel arbeitet!). Wenn seine Eltern so ein Problem darstellen und du und eure Tochter ihm wichtig seid, sollte er auch bereit sein, woanders zu arbeiten bzw. Konflikte mit seinen Eltern einzugehen!

2. Mach ihm klar, dass ihr beide für das Kind verantwortlich seid und dass du es nicht länger hinnehmen willst, alleingelassen zu werden! Ein Kind braucht seine Eltern, gerade in den ersten Monaten und Jahren. Es hat nichts davon, wenn zwar Geld vorhanden ist, aber kaum Zeit für Nähe und Zuwendung! Außerdem hast du auch Bedürfnisse, brauchst Luft zum Atmen. Die bekommst du nur, wenn ihr euch die Zeit geschickt einteilt, sodass du auch mal Ruhe hast und nur er für eure Tochter zuständig ist.

3. Um das zu schaffen, gibt es zwei Möglichkeiten, die du auch hintereinander anwenden kannst. Du kannst es noch einmal auf die sanftere, aber bestimmte Tour versuchen, indem du ihm ruhig und sachlich sagst, dass du nicht mehr bereit bist, die Situation hinzunehmen. Du kannst die Lage aus deiner Sicht beschreiben, z.B.: "Früh verlässt du uns, bist den ganzen Tag weg. Wir vermissen dich. Ich bin allein hier, muss viel erledigen und möchte dir auch nahe sein. Wenn du dann da bist, streiten wir uns oft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du dir das so vorgestellt hast..." Du kannst ihm vorschlagen, dass ihr euch eine Auszeit nehmt, für ein Wochenende wegfahrt. Mit eurem Kind! Damit ihr in anderer Umgebung klären könnt, wie ihr in Zukunft zu einer guten Lösung kommen könnt (Aufteilung der Aufgaben, Betreuung des Kindes in Kita/Tageseltern, euer Umgang mit Stress, usw.). Falls er wieder abblockt, sehe ich leider nur die radikale Variante, nämlich alle Register zu ziehen und erstmal mit dem Baby woanders unterzukommen. Natürlich sollte ihm dabei auch klar sein, warum du ihn temporär verlässt. Das ist zwar erpressend, aber unter dieser Zumutung halte ich das für das kleinere Übel.

4. Such dir bitte Verstärkung von außen, damit du nicht immer wieder so tief fällst! Freunde, Bekannte, andere Familien? Es gibt ja auch private Initiativen zur Betreuung und Unterstützung. Und Beratungsstellen wie Pro Familia helfen da auf jeden Fall weiter: wie http://profamilia.de/. Da solltet ihr aber beide hingehen, nicht nur du!

5. Trotz allem: Verliere bitte nicht den Mut. Ihr könnt als Familie immer noch toll zusammenwachsen und viele schöne Momente erleben. Das braucht bestimmt ein Weilchen, bis sich alles eingespielt hat. Aber wenn ihr das beide von ganzen Herzen wollt, werdet ihr das schaffen.

Ich wünsche dir alles Liebe!
Nuala