Problem von Alina - 24 Jahre

Verliebt in zwei Männer?

Hallo liebes Kummerkasten-Team,

mich beschäftigt seit Tagen eine Sache & lässt mich an dem zweifeln, was ich mir aufgebaut habe: Ich bin frisch verheiratet & denke permanent nur an einen anderen Mann.
Mit dem Anderen habe ich auch vor 3 Jahren schonmal geschlafen, war schon verliebt in ihn & er in mich (nur nicht zeitgleich) & allgemein ist er ein Freund von mir. Zumindest wünsche ich mir das! Aber ich fühle mich einfach extrem von ihm abgezogen, will in seiner Nähe & ein Teil seines Lebens sein.
Meinen Ehemann liebe ich, keine Frage & es tut mir weh zu sehen wie verwirrt er in letzter Zeit ist, weil ich ständig so nachdenklich & auch abweisend bin. Ich weiß einfach nicht, ob und wie ich ihm erklären kann, dass ich mich derart zu einem anderen Mann hingezogen fühle. Ich hab das Gefühl in beide verliebt zu sein, irgendwie & würde mir wünschen ich könnte beide haben, wie ich es wollte. Die ganze Zeit schwirrt mir das Wort Scheidung durch den Kopf, was totaler Wahnsinn ist, weil ich das eigentlich gar nicht will! Ich will mit dem Anderen auch gar nicht zusammen sein, weil ich überzeugt bin, dass wir nicht miteinander glücklich werden würden.
So oberflächlich das auch klingen mag, mit meinem Freund würde ich am liebsten nur Sex haben & mit meinem Mann zusammen sein & Kinder kriegen etc.. Ich schätze diese Wolllust (die ich aber auch noch nie bei jemand anders so empfunden habe wie bei diesem Mann) kommt daher, dass mein Mann mein erster Partner & auch Sexualpartner war (abgesehen von dem einen Mal vor 3Jahren, als mein jetziger Mann & ich eine Beziehungspause hatten). Ich hasse mich für diese Unsicherheiten & dafür, dass ich meinem Mann in Gedanken schon etliche Male fremd gegangen bin, aber ich weiß nicht, was ich tun soll. Kann ich meinen Mann darum bitten mir noch sexuelle Erfahrung aneignen zu dürfen? Ihn darum bitten mit anderen Männern schlafen zu dürfen, wenn er es auch mit anderen Frauen darf? Denn ich glaube das wäre okay für mich. Andererseits befürchte ich Sex mit meinem Freund würde nur dafür sorgen, dass ich mich so richtig in ihn verliebe & dann wäre das Chaos perfekt.
Abstand zu ihm einzunehmen wird auch nicht die Lösung sein, da wir zusammen arbeiten. Ich KANN ihm also nicht aus dem Weg gehen.
Ich danke euch schon jetzt vielmals für eure Aufmerksamkeit & Hilfe bei dieser Sache!

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Alina,

du allein kannst entscheiden, welches Risiko du eingehen willst - oder eben auch nicht.

Wenn ich dich richtig verstanden habe, fühlst du dich von deinem Kollegen, mit dem du einmal intim warst, in erster Linie sexuell angezogen. So wie du es beschreibst, ist diese Anziehung aber so stark, dass du sogar mit dem Gedanken spielst, dich von deinem Mann zu trennen. Die erste Frage, die sich mir stellt, ist: Warum sollte es schlimm sein, dass andere Männer dich erregen? Du sprichst davon, dass du deinem Mann schon oftmals "in Gedanken fremdgegangen" wärst. Ist das für dich Fremdgehen: Sexuelle Fantasien außerhalb deiner Beziehung haben, dich eventuell dabei selbstbefriedigen? Das sehe ich anders. Andere Leute auf ihre sexuelle Attraktivität abzuscannen und zu träumen, ist etwas zutiefst Menschliches. Wenn du es dir verbietest, formulierst du einen übertriebenen moralischen Anspruch an dich selbst, den du auf keinen Fall einhalten kannst. Daher erst einmal meine Aufforderung an dich: Lasse diese Fantasien zu, wehre sie nicht ab, genieße sie und hör auf, dich deshalb des "Fremdgehens" zu bezichtigen. (Dein Mann hat sie ganz genauso, auch wenn er es abstreitet. In unserer Gesellschaft wird von Frauen noch immer gerne eingefordert, ihre Sexualität konsequent zu beschränken, während bei Männern jeden Alters Pornogucken als ganz normal gilt. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Richtig: Auf der Strecke. Deshalb, nimm dir diese Freiheit und lasse deiner Fantasie freien Lauf!)

Wie ich eingangs sagte: Was du tun kannst, ist davon abhängig, was du dich traust und für notwendig hältst. Konventionen sollten für dich hier zweitrangig sein. Handeln und leben sollst du nach dem, was du vor dir selbst verantworten kannst, nicht nach dem, was das Idealbild einer "perfekten Ehe" vorschreibt. Viele Menschen haben offene Beziehungen und fahren damit sehr gut. Wenn du das Gefühl hast, dass du diesem Bedürfnis nach Sexualität außerhalb deiner Ehe unbedingt nachgehen musst, solltest du es deinem Mann erzählen.

Mit offenen Karten zu spielen, ist in jedem Fall besser, als dass euer Eheleben darunter leidet und du ihn irgendwann betrügst. Wir müssen davon ausgehen, dass es für deinen Mann ein erheblicher Schock wäre, wenn du ihn damit konfrontierst. Möglich ist auch, dass er dafür keinerlei Verständnis hat und es rundweg ablehnt. Dann musst du entscheiden, was für dich höher im Wert steht. Ihr habt einander in dem unausgesprochenen Einverständnis geheiratet, dass eure Beziehung monogam sein soll - etwas Anderes war bisher nicht Thema. Wenn dein Mann davon nicht abgehen möchte, können wir ihm also keinen Vorwurf machen. Andererseits hast du auch das Recht, deine Sexualität in jeder Hinsicht so zu gestalten, wie du es möchtest. Dazu können auch unterschiedliche Sexualpartner gehören. Du musst lediglich die Konsequenzen tragen, wenn dein Mann einen monogamen Lebensentwurf verfolgt. Dann könnt ihr euer Leben nicht gemeinsam bestreiten.

Andererseits hast du ja einen guten Deal vorzuschlagen: Du wünschst dir eine offene Beziehung, keine Sonderrechte für dich selbst. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass dein Mann darauf eingehen würde. Das würde natürlich bedeuten, dass sich eure Beziehung fundamental ändert. Offene Beziehungen brauchen ein gewisses Regelwerk - vielleicht würde dein Mann darauf Wert legen, dass ihr einander nicht von euren Sexualpartnern erzählt. Du solltest also lieber nicht mit der Tür ins Haus fallen und ihm erzählen, dass der Stein des Anstoßes ein bestimmter Mann ist. Das ist erstmal zweitrangig. Wichtiger ist, deinem Mann gegenüber dein grundsätzliches Bedürfnis zu artikulieren, dass du zwar deine Liebe, nicht aber deine Sexualität auf ihn beschränken möchtest. Wenn ihr in diesem Punkt zu einer Einigung gelangt, kannst du immer noch nachlegen und Details berichten. Wenn es zu keiner Einigung kommt - weißt du wenigstens, woran du bist. Dann steht dir deine Wahl klar vor Augen: Ehefrau und Mama in einer klassischen Paarbeziehung - oder Trennung und dafür deine Freiheit. Dein Mann hat zwar jedes Recht, dich nicht teilen zu wollen. Jedoch kann er dich auch nicht zwingen, bei ihm zu bleiben, wenn du dir mehr wünschst. Es ist dein Recht, die Art von Beziehung zu führen, die dir am besten passt. Nur kann sie unter Umständen nicht mit dem Menschen sein, der dir dafür am liebsten wäre. Aber all das hast du dir ja schon selbst klar gemacht - und es ist von mir auch nicht als Vorwurf gemeint, nur als Feststellung.

Deine Sorge, du könntest dich in deinen Kollegen verlieben, kann ich verstehen. Jedoch: Dieses Risiko ist immer gegeben, ob du jetzt mit ihm intim wirst oder mit jemand Anderem. Für deinen Mann gilt das Gleiche. Hier stoßen wir auf eine weitere entscheidende Frage: Wie steht dein Freund und Kollege dazu? Wie würdest du damit umgehen, wenn er erneut in dich verliebt wäre? Dann müsstest du dich wiederum fragen, ob es noch ethisch ist, mit ihm Sex zu haben. Es gilt also, sorgfältig abzuwägen: Geht es dir um die Intimität mit diesem konkreten Mann, weil er deine einzige Erfahrung außerhalb deiner Ehe war, die du vermisst? Oder geht es dir ganz generell um Sexualität, die sich auf mehr als einen Mann richtet? Deine aktuelle Gefühlslage lässt beide Schlüsse zu - und du solltest dir die Zeit geben, dir klar zu werden, was genau du willst, ehe du mit deinem Mann darüber redest. Nichtsdestotrotz: Reden solltest du darüber, sofern es keine Phase bleibt.

Ich wünsche dir viel Glück, gute Gedanken und mehr Gelassenheit im Umgang mit deiner Fantasie. Die Sexualität (die Sexualität auf freiwilliger Basis unter mündigen, erwachsenen Menschen) ist nicht dazu da, in Ketten gelegt zu werden - wo die Grenzen sind, bestimmt nicht die Konvention, sondern die Menschen, die sie leben. In diesem Fall du und dein Partner, gleichberechtigt. Wenn diese Gleichberechtigung ergibt, dass ein Kompromiss nicht möglich ist, müsst ihr euren Weg ohne einander gehen, das ist leider so. Doch verboten ist es nicht, und es ist auch nicht verwerflich, diese Gedanken zu haben. Verdränge sie nicht, sondern setze dich mit ihnen auseinander - nur so kannst du herausfinden, wohin es dich zieht.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul