Problem von Anonym - 25 Jahre

Zurückweisung

Leibes Kuka Team,
Ich hab schon seit meiner Pubertät so gut wie keine freunde mehr. Anfangs hatte ich eine Phase voll Selbstmitleid. aber ich hab an mir gearbeitet und bin wieder ausgegangen und so. Ich habe auch an meinem Auftreten gearbeitet und bin viel selbstbewusster geworden. Ich kann offen auf Menschen zugehen. Aber die Mühe lohnt sich irgendwie nicht. Jedes mal, wenn ich nette Leute anspreche, werde ich zurückgewiesen.
Ich bin bei zwei Vereinen, gehe regelmässig auf Veranstaltungen und trotzdem läuft irgendwas schief. Ich lern regelmässig neue Leute kennen, aber keiner scheint mich sympathisch zu finden. Kann es sein, dass es unattraktiv macht, alleine unterwegs zu sein?
Ich bin wirklich rastlos. Seit über 5 Jahren habe ich mich wieder gefangen und bin kaum zu Hause. Ich nutze jede Möglichkeit, um Menschen freundlich abzusprechen. Aber seitdem nur unzählige Zurückweisungen.
Ich habe auch sämtliche Ratgeber zu dem Thema gelesen und trotzdem finde ich dieses Puzzlestück nicht, woran es liegen könnte dass ich keine Freunde habe.
Habt ihr vielleicht einen Rat für mich?

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Du hast uns oft geschrieben in den vergangenen Jahren. Toll, dass du dich wieder meldest und in der Zwischenzeit auch aktiv an Lösungen für dich gearbeitet hast.Ich finde es bemerkenswert, dass du auf deine Mitmenschen zugehst und dich nicht verkriechst. Oft ist es ja genau andersherum. Also kannst du das an sich schon mal als Stärke festhalten: Du weißt, dass du, wenn es darauf ankommt, mit Anderen ins Gespräch kommen kannst! Das musst du beibehalten!
--> Es scheint also eher um das "Wie" zu gehen.

Zu deiner Frage, ob es unsympathisch machen kann, alleine unterwegs zu sein, kann ich dir keine eindeutige Auskunft geben. Das hängt von einigen Faktoren ab. Es kann tendenziell schon so wirken, gerade wenn du bei regelmäßigen Veranstaltungen bist. Allerdings kommen da eben noch Dinge wie generelle Ausstrahlung, Körperhaltung, eigene Erwartungshaltung etc. hinzu. Wichtig finde ich es, dass du nicht in den Modus
"einsamer herumschleichender Wolf" verfällst, doch dazu weiter unten noch mehr.
Du kannst es auch anders herum sehen: Ist jemand allein, kann sie/er leichter angesprochen werden als in einer Gruppe.

Ich würde dir zu drei Strategien im Umgang mit deinem Anliegen raten.
1. Analyse der Situationen, in denen du dich zurückgewiesen fühlst
2. Lockerlassen & Fokussieren auf dich selbst.
3. Geeignetere Rahmenbedingungen herausfinden, um für dich passende Leute zu finden.

Zu Punkt 1:
* Ich frage mich, woran du die Zurückweisungen festmachst. Gibt es immer wiederkehrende Reaktionen, die du als Zurückweisung interpretierst? Und woher weißt du in den Momenten, dass du faktisch abgelehnt wurdest? Es kann ja theoretisch auch sein, dass du nur nicht sofort die ersehnte Reaktion deiner Umgebung erfährst - und dich selbst durch Enttäuschung (unbewusst) zurückziehst... was wiederum Abstand der Anderen begünstigen könnte. In anderen Worten: Es könnte sich in manchen Fällen um eine "tragische" Dynamik aus unerfüllten Erwartungen/Ansprüchen und fehlgedeuteten sozialen Signalen handeln! Da würde ich stark ansetzen.
* Außerdem solltest du abklären, ob es an trivialen Dingen wie Körpergeruch, ungepflegt wirkende Zähne etc. liegen könnte. Ja, das ist oberflächlich, doch Menschen reagieren (verständlicherweise) sehr negativ auf stechenden Schweißgeruch, Mundgeruch, gelbe Zähne, stark fettige Haare und so weiter. Ich bin wahrlich keine Verfechterin von übertriebenen optischen Maßnahmen, doch weiß ich aus eigener Erfahrung, dass ich mich schnell unwohl fühle, wenn jemand z.B. übel riecht oder verschmutzte Fingernägel hat. Der Vorteil, diesen Aspekt zu prüfen, ist die relativ einfache Beseitigung des Problems. Klamotten öfter wechseln, Ursachen für Mundgeruch beseitigen, Zähne professionell reinigen lassen.
* Es kann auch an Körpermerkmalen/Eigenheiten wie der Sprache und/oder Stimme liegen. Auch das klingt zunächst blöd und oberflächlich - doch auch das ist nicht zu unterschätzen. Menschen bilden sich schnell negative erste Eindrücke und halten mitunter an diesen fest. Also angenommen, du sprichst sehr schnell und viel, könnten sich Leute rasch überrumpelt und überfordert fühlen und lieber das Weite suchen. Hierbei wäre es natürlich gut, jemanden zu haben, den/die du vertrauensvoll fragen könntest.
* Auch Geduld bei einzelnen Kontakten ist nicht zu unterschätzen! Freundschaften brauchen meistens relativ lange, um zu entstehen. Man muss sich erstmal wirklich kennenlernen, gemeinsam Zeit miteinander verbringen, Gemeinsamkeiten feststellen und sich etwas anvertrauen. Angenommen, du ziehst dich vorschnell zurück, kann dieser Prozess verhindert werden. Daher würde es sich lohnen, bei einzelnen Personen, die du besonders anziehend findest (und die tatsächlich zu dir passen!), einen längeren Atem zu haben. Bitte nicht aufdringlich, sondern dezent hie - und da aufmerksam sein und auch mal direkt vorschlagen, einen gemeinsamem Kinobesuch oder dergleichen zu machen.

Zu Punkt 2:
* Es klingt für mich so, als ob du dich sehr, sehr stark darauf konzentrierst, neue Kontakte zu finden. Das ist natürlich absolut verständlich! Nur kann genau das auch sehr stark nach außen strahlen und Personen verschrecken. Je krampfhafter du suchst, desto erfolgloser wirst du sein (ja, abgedroschene Aussage, doch sie trifft tatsächlich zu - denn: Wer sich auf sich selbst besinnt und einfach persönliche Interessen/Lebenspläne verfolgt, wirkt viel attraktiver und interessanter, zieht die Menschen quasi von selbst an. Das kennen viele Singles, die oft bewusst keine:n Partner:in gesucht haben - und dann "urplötzlich" jemanden vor sich stehen hatten. Wenn du offen für Spiritualität bist, klarer Tipp: Da reinlesen zu Themen wie Kosmische Gesetze, Ursache-Wirkung etc.)
* Lass die Ratgeber und das gesamte Thema in so fern weg, dass du dich höchstens mit der Analyse der Situationen (Punkt 1) befasst, doch das dies nur eines von vielen (!) Themen eines Tages darstellt. Also kein Grübeln, keine dauernden Ausflüge mit dem Ziel, Leute kennenzulernen. Sondern: Du gehst in eine Ausstellung, weil du dich sehr für die künstlerische Umsetzung eines Motivs interessierst und lässt die anderen Leute dort außen vor. Setz dich zum Lesen in einen Park, lass Menschen neben dir sitzen und sei offen für Gespräche. Doch "lauere" nicht darauf, dass sich jemand zu dir auf die Bank setzt und dann gleich eine Gesprächsgelegenheit bekommst! Motto: "Alles kann, nichts muss!"
* Ganz wesentlich als Grundlage ist dein Verhältnis zu Erwartungen. Was erwartest du generell? Was erwartest du von deiner Umwelt? Wie sehr "krampfst" du bereits beim Thema Kennenlernen? Ich will darauf hinaus, dass es sehr, sehr wichtig ist, rein gar nichts zu erwarten. Höchstens respektvollen Umgang miteinander. Doch zu erwarten, dass gefälligst Freundschaften entstehen sollen, ist kontraproduktiv. Und über kleine soziale Interaktionen freuen! Vielleicht hast du schon so ein großes Gesamtbild vor Augen, weil du dich nach einer festen sozialen Gemeinschaft sehnst. Da kann es durchaus sein, dass dir kleine Erfolge entgehen oder du sie eher negativ deutest (angenommen, jemand macht einen Scherz, um dich zu necken, könnte das durchaus als Zeichen der Zuneigung gelten, kann aber auch zum Anlass für einen sozialen Rückzug stehen...). Falls du merkst, dass du in dieser Hinsicht festgefahren bist, könnte dir ein Coaching weiterhelfen, gerade auch für die Arbeit an negativen Glaubenssätzen, die sich hinderlich auswirken. Auch das Stichwort Achtsamkeit ist hier von Bedeutung. Denn es hilft dir, bei dir selbst zu bleiben und nicht dauernd im Außen.
* Lass auch Kontakte zu Menschen außerhalb deiner Altersgruppe zu. Freundschaften müssen sich bei Weitem nicht auf Gleichaltrige beschränken. Gerade das kann nämlich eine Sackgasse sein: Wenn du nur in Kreisen unterwegs bist, die Menschen Mitte 20 umfassen. Die Auswahl ist dann zu gering.
* Lass dich mehr ansprechen - Sei präsent, doch halte dich mehr im Hintergrund. Signalisiere den Leuten, die du interessant findest, dass du sie wahrnimmst (Augenkontakt, Lächeln, offene Körperhaltung) - und belasse es dann auch mal dabei. Komme lieber an einem anderen Tag wieder, beginne vielleicht erst nach einer gewissen Zeit ein Gespräch oder lass einen Kommentar fallen und warte ab, ob er aufgegriffen wird.

Zu Punkt 3:
* Verstärkt sollte es dir darum gehen, Personen über deine Neigungen kennenzulernen. Vereine sind schon gut, doch womöglich noch zu wenig. Sind das denn Gruppen, in denen du konkret mit anderen kooperierst und Projekte auf die Beine stellst? Wenn nicht, würde ich mir genau sowas suchen, sehr gut sind ehrenamtliche Felder. Da machst du etwas Gemeinnütziges und kannst durch die Zusammenarbeit mit den anderen Ehrenamtlichen viel direkter ein allmähliches Kennenlernen und Mögen über die Zeit hinweg anbahnen. Das ist sogar dreifach sinnvoll: Neben der Hilfe für Menschen kannst du nicht nur die Ehrenamtlichen, sondern auch die Menschen, auf die sich das Ehrenamt bezieht, kennenlernen.
* Probier doch mal Online-Dating, Kontaktanzeigen und Nachbarschaftsnetzwerke aus!
Da ist vermutlich eher ein langsames Herantasten möglich. Und bei Sympathie dann ein Treffen. Das reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass es totale Reinfälle werden, zumindest bei längerem "Vorfühlen" per Mail, Chat und Telefon.
* Um die Einsamkeit und das Gefühl, keine Kontakte zu haben etwas zu reduzieren, finde ich Brief - oder Mailfreundschaften super. "Mailfriends" ist z.B. eine großes Portal im Internet.

Noch einen Kommentar zu Ratgebern: Meine Erfahrung und persönliche Meinung ist, dass viele Ratgeber zu konsumieren häufig eher zum Gegenteil führen - dass man weniger frei handeln kann und sich eher unnatürlich benimmt. Schau mal, ob das bei dir zutreffen könnte.
Ich halte es so, auf das Bauchgefühl und den gesunden Menschenverstand zu vertrauen. Das schließt das Lesen von Ratgeberliteratur keinesfalls aus, doch verführt es dazu zu glauben, wenn ich Schema X und Y anwende, bin ich erfolgreich (wie die Befolgung eines Kochrezepts). Ist auch logisch: Wer ein solches Buch schreibt, kann nicht auf die Einzelfälle der Lesenden eingehen.

Ich hoffe sehr, dass ich dir mit meiner Einschätzung weiterhelfen konnte. Melde dich ruhig wieder, wenn du weitere Erkenntnis sammeln und eventuell Fragen hast, auf die du dir Antworten erhoffst. Ich bin gespannt!

Und nun geht es weiter in deiner Entwicklung, denn nichts bleibt starr, auch wenn wir oft das Gefühl haben, alles stagniert.

Alles Liebe,
Nuala