Problem von Luna - 15 Jahre

Keine Freunde

Hallo. Ich bin, wie bereits geschrieben, 15 Jahre alt. Oft sagt man mir, dass ich sehr reif für mein Alter bin. Darauf bin ich eigentlich auch stolz, doch das macht es mir sehr sehr schwer echte Freunde in meinem Alter zu finden. Allen ist nur das Aussehen und natürlich die eigene Person wichtig. Ich bin jemand, der sehr sehr gerne Menschen hilft, immer für JEDEN da ist und dafür meist auch kein "Danke" verlangt. Das nutzen viele zu ihrem Vorteil. Demnach ist die "Freundschaft" eigentlich immer KEIN geben und nehmen, sondern nur ein geben meinerseits. Das verletzt mich. Wenn ich mal jemanden brauche ist niemand da, niemand fragt mich wie es mir geht und man ist mir böse, wenn ich mal nicht sofort antworte oder gerade mit niemandem reden möchte. Das ist so unfair, obwohl ich doch immer so verständnisvoll anderen gegenüber bin. Ich weiß nicht mehr was ich machen soll. Ich sehe andere in meinem Alter draußen etwas machen, Spaß haben.. und ich sitze meist alleine da, weil ich die letzte bin, die man fragen würde. Ständig höre ich "Das wird in ein paar Jahren besser" aber es kotzt mich an. Schließlich geht es mir JETZT damit schlecht und so noch weitere Jahre leben möchte ich nicht..

Liebe Grüße

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Luna,

du musstest aus verschiedenen Gründen sehr lange auf eine Antwort warten. Ich kann verstehen, wenn dich das frustriert. Und die Aussage mit "in ein paar Jahren..." ist ehrlich gesagt für die Tonne. Du willst schließlich jetzt soziale Erfüllung haben - und die kannst du durchaus bekommen! Ich möchte dir aus diesem Grund nun weiterhelfen, indem ich verschiedene Gesichtspunkte deines Anliegens beleuchte.

Ja, es macht stolz, als reif angesehen zu werden. Bestimmt hast du damit deine ganz persönlichen Qualitäten und bist als Mensch spannend! Vielleicht haben das manche Leute in deinem Umfeld auch schon bemerkt und bewundern dich dafür.

Zum reinen Thema "Freunde finden" kann ich dich auf mehrere Dinge verweisen. Zuvor jedoch möchte ich auf deine Klage eingehen, dass dein Geben offenbar sehr ausgenutzt wird.
Ich bin der Ansicht, dass du an deiner Einstellung arbeiten solltest. Und zwar dahingehend, dass du pragmatischer mit deinem Helfen/für Andere da Sein umgehen müsstest, um dieser Misere zu entrinnen. Das bestünde aus zwei Punkten:
1. Nur noch für dich wichtigen Menschen regelmäßig zu helfen
2. genau hinzuschauen, wo du auch etwas vom Helfen zurückbekommen wirst.
So haushaltest du sinnvoll mit deinen Energien und erhöhst die Chancen, nicht "leer auszugehen". Voraussetzung ist allerdings ganz klar, dass du lernst, Grenzen zu setzen. Also auf dein Bauchgefühl zu vertrauen und dann zu handeln. Wenn du nämlich spürst, da fragt dich z.B. nur jemand aus eigenem Nutzen nach den Hausaufgaben, kannst du ohne mit der Wimper zu zucken NEIN sagen. Anders kann es sein, wenn sich jemand offensichtlich in der Klemme befindet. Dann kannst du auf dein Gewissen achten - und situativ entscheiden. Mach dir bitte bewusst, dass du nicht weniger liebenswert bist, nur weil du jemanden abweist oder mal nicht gleich springst, wenn jemand ruft. Das ist dein gutes Recht und hat auch nichts mit Egoismus zutun! Sondern vielmehr mit gesundem Abgrenzen und Hören auf die eigenen Bedürfnisse. Übrigens kannst du ruhig auch mal ein Danke einfordern - oder zumindest darauf hinweisen, dass du dich schon wieder für X eingesetzt hast oder es dich viel Mühe gekostet hat, Y zu tun. Denn häufig muss man die Anderen mit der Nase darauf stoßen und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Helfen und Gefälligkeiten nicht automatisch erfolgen. Und es mit Aufwand, Kraft und Zeit verbunden sein kann. Gerade bei sehr ichbezogenen Menschen ist das leider nötiger als bei empathischen und sehr aufmerksamen Personen.

Punkt 1 geht nur dann auf, wenn du Freund:innen gefunden hast. Natürlich sind aber auch Familienmitglieder und andere Leute gemeint, die dir sympathisch sind und bei denen du das Gefühl hast, dass dein Verhalten wertgeschätzt wird.
Also kannst du die Bereiche "Freunde finden" und "die Krux mit dem Helfen" getrost getrennt angehen. Dennoch gehören sie auch ein Stück weit zusammen. Denn was immer eine Rolle spielt: Merken andere Menschen, dass du dich selbst liebst und schätzt? Tust du Gefallen und Hilfen, weil es dir etwas bedeutet - oder um bei Anderen gut anzukommen? Bist du wirklich authentisch oder setzt du eine "ich bin so lieb und fürsorglich"- Maske auf?

Ich stelle mir die Frage, ob du an sich keine Freund:innen hast - oder ob du dich mit deinem Problemtitel "Keine Freunde" wirklich nur auf deine Altersgruppe beziehst. Denn es ist ja durchaus denkbar, dass du ältere Freundinnen oder Freunde hast, die z.B. schon in der Oberstufe sind oder gar schon im Arbeitsleben stehen. Falls du tatsächlich keine einzige Person als Freund:in sehen kannst, egal wie alt, solltest du deinen Radius erweitern. Ich bin zwar davon überzeugt, dass du auch Gleichgesinnte in deinem Alter finden kannst, doch gleichzeitig denke ich: Wenn du ohnehin schon etwas weiter bist, ist es doch nur folgerichtig, bei älteren Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen zu schauen. Schließlich sind auch Freundschaften mit großem Altersabstand denkbar. Ich kenne z.B. eine 27-jährige, die schon seit ihrer Jugend einen besten Freund hat, der damals schon über 40 war.

Um deine Neigung zum sozialen Engagement wirkungsvoll und befriedigend umzusetzen, kannst du dich einer Jugendorganisation anschließen, beispielsweise einer Tier - oder Umweltschutzgruppe wie Greenpeace oder B.U.N.D., einer politischen Jugendgruppe, einem Pfadfinderbund nach deinem Geschmack usw.
Wenn du nur nach Kontakten suchen möchtest, würde ich strikt nach deinen Interessen gehen. Dann kommt sehr viel in Frage, z.B eine Theatergruppe für Jugendliche, religiöse Angebote, Sportvereine etc. Es gibt auch wissenschaftliche Gruppen, Lesekreise, Jugendgruppenreisen und vieles mehr. Solche Erlebnisse über mehrere Stunden, Tage oder Wochen verbinden und schaffen Gesprächsthemen.

Manchmal ändern sich die Dinge auch plötzlicher, als gedacht! Angenommen, du hast schlicht Pech mit deiner Klasse und hast bisher auch mit deinen Mitschüler:innen aus den Parallelklassen eher negative Erfahrungen gemacht. Da kann es Wunder wirken, wenn ein neues Schuljahr kommt und damit neue Leute. Und alte gehen. Oder du einer Schul-AG beitrittst und damit mit ganz anderen Leuten zusammenkommst. Oder bei dir im Haus jemand einzieht - oder, oder, oder... und oft kannst du selbst auch etwas mitmischen, eben indem du gezielt schaust, wo es dir gefallen könnte. Und gleichzeitig deine Klasse oder andere Gruppen eher ausklammerst, wenn diese mehr Frust als Lust erzeugen.

Hier habe ich dir ein ähnliches Problem aus dem Kummerkasten zum Weiterlesen verlinkt:
https://mein-kummerkasten.de/330528/Zurueckweisung.html
Und hier ein Interview mit einem Autor, der sich intensiv mit der Thematik befasst und dann ein Buch darüber geschrieben hat. Das kann dir beides auch noch Input geben!
http://rhetorikpirat.de/freunde-finden-im-21-jahrhundert-interview-mit-alexander-wahler/

Und nicht zuletzt ist es auch eine Frage der Zeit. Also angenommen, du schließt dich einer neuen Gruppe an, setzt mehr Grenzen und hörst mehr auf deine innere Stimme, werden sich wahrscheinlich nicht schlagartig Erfolge einstellen - doch kleine Veränderungen kannst du bestimmt schon bald feststellen, wenn du aufmerksam bist. Echte Freundschaften gedeihen wie kleine Pflänzchen aus einem Samenkorn. Sie brauchen Geduld, Wärme und Nahrung. All das kannst du gewährleisten, ohne dich selbst zu verleumden und zu überfordern. Und ich bin mir sicher, dass die Richtigen genau das auch zu schätzen wissen!

Ich wünsche dir alles Liebe und interessante Begegnungen im Jahr 2019!
Nuala