Problem von Anonym - 22 Jahre

Oma zerstört uns

Meine Oma ist 86 Jahre alt. Sie ist körperlich sehr krank und hat schon diverse Operationen hinter sich. Seit ca. einem Jahr zeigen sich jedoch auch demenzielle Veränderungen bei ihr. Sie ist zeitlich überhaupt nicht mehr orientiert und verkennt hin und wieder auch verwandte Personen. Meine Mutter, die Schwiegertochter meiner Oma, hilft ihr morgens immer aus dem Bett und richtet ihr das Frühstück und schaut tagsüber immer wieder bei ihr vorbei. Sie wohnt im selben Haus wie wir. Eigentlich kann sie gar nichts mehr selbst machen, weil sie körperlich derartig eingeschränkt ist. Meine Mutter muss auch jeden Mittag für sie kochen. Meine Oma jedoch hat überhaupt kein Lob für meine Mutter übrig. Von ihrem essen bekäme sie immer Verdauungsprobleme und außerdem wäre es viel zu fad. Oma kann überhaupt nicht sehen was Mama alles für sie macht und glaubt, dass sie das alles noch selbst kann. Meine Mutter hatte neulich so etwas wie einen Nervenzusammenbruch, weil sie das einfach nicht mehr machen kann. Aber allein würde Oma niemals mehr zurecht kommen. Meine Oma ist mittlerweile in den Pflegegrad 2 eingestuft.
Meine Mutter hat sich jetzt einen teilzeitjob organisiert bei dem sie zweimal die woche bis zum mittag arbeiten geht und hat für die zeit, die sie nicht da ist Essen auf Rädern und eine Seelsorgerin organisiert die nach ihr schaut. Heute waren sie zum ersten mal da und Oma hat sie wieder fortgeschickt und das Essen nicht angerührt. Sie sagte:" Das ist das schlimmste was wir ihr jemals angetan haben." Wir wissen einfach nicht wie das mit Oma weitergehen soll. Sie hat auch schon gesagt,dass sie die sozialstation niemals akzeptieren würde und außerdem könnten die ja auch noch nicht um halb 6 bei uns sein, wenn Oma aufstehen will. An ein Altersheim müssen wir gar nicht erst denken, denn als sie das letzte mal im Krankenhaus war, da war sie völlig verwirrt und hat überhaupt nichts mehr verstanden. Sie befand sich in einer Art Delir und hat sich gegenüber den Pflegekräften sehr abschätzig verhalten. Wenn sie an Orte kommt, bei denen sie noch nie war, dann kann ihr Gehirn das halt nicht mehr richtig koordinieren.
Wir haben keine Ahnung was wir tun sollen. Meine Mutter ist psychisch am Ende und mein Vater ist tagsüber halt arbeiten und bekommt das nicht immer alles mit, obwohl in das auch sehr belastet. Er ist ja ihr Sohn.
Vielen Dank für euer offenes Ohr.

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Ja, das ist wirklich eine große Bürde, die ihr zu tragen habt. Leider zeigt sich anhand deiner Beschreibung wieder recht deutlich, dass die Care-Arbeit an den Frauen hängenbleibt. Deine Mutter übernimmt also die Pflege, obwohl sie nicht einmal die Tochter ist! Allein deswegen kann ich ihre Überforderung absolut nachfühlen! Hier wird das Phänomen der Mehrfachbelastung beschrieben: https://www.derwesten.de/politik/studie-sandwich-frauen-zwischen-kindererziehung-und-eltern-pflege-id10688974.html

Was ich subtil aus deiner Beschreibung herauslese: Ihr entschuldigt das Verhalten der Oma, leidet aber gleichzeitig darunter. So kann das aber nicht weitergehen. Ich denke sehr wohl, dass sie sich in einem Altenheim einleben kann. Allein aus dem Grund, weil ihr einfach nicht mehr könnt, solltet ihr den Gedanken zulassen. Wenn ihr zusammen ein gutes Altersheim heraussucht, das ihren Bedürfnissen entspricht, sollte da ein Kompromiss möglich sein. Für den solltet ihr euch also öffnen. Wenn ihr immer wieder Entschuldigungen wie das schlechte Benehmen der Oma vorschiebt, wird es nichts mit der Entlastung.

Wie wäre es, wenn ihr euch umfassend über die Betreuungsmöglichkeiten informiert und beraten lasst? Es gibt ja auch Wohnformen, da leben die Senioren in ihren eigenen Wohnungen, aber in täglichem Kontakt mit Pflegepersonal. Wobei das in eurer Situation vielleicht nicht mehr klappen kann. Genau für die richtige Einschätzung wäre eine Beratung ganz wichtig! Die Fakten habt ihr ja bereits, das hilft Beratenden dann auch, rasch das Passende herauszufinden.

Außerdem solltet ihr euch näher mit den Erscheinungsformen der Demenz auseinandersetzen, um damit psychisch besser zurechtzukommen. Hier gibt es u.a. Tipps zur Kommunikation mit dementen Menschen:
https://www.wegweiser-demenz.de/informationen/alltag-mit-demenzerkrankung/tipps-fuer-angehoerige.html

Ich hoffe sehr, dass sich bald alles so lösen und einrichten lässt, dass ihr endlich wieder das tun könnt, was euch mehr entspricht, euch nicht überfordert und auslaugt und ihr somit das Liebevolle untereinander mit deiner Oma leben könnt. Denn solange dieser Stress herrscht, liegt der Fokus viel zu sehr auf den negativen Aspekten, was sehr schade und traurig ist.
Besonders für deine Mutter wünsche ich mir eine rasche Veränderung, denn ich finde es sehr tragisch, wie sehr Frauen aus solchen Gründen leider immer wieder beruflich und privat ausgebremst werden. Da muss definitiv ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden.

Um es positiv zu beschreiben: Seid ihr endlich entlastet, könnt ihr versuchen, deiner Oma die Achtung und Zuwendung zu geben, die sie braucht. Trotz rotziger Kommentare und unberechenbaren Momenten. Dann habt ihr vielleicht sogar die Muße, euch mit Büchern wie diesem zu befassen: "Das große Beschäftigungs - und Ideenbuch für Menschen mit Demenz" von Linus Paul. Durch die darin beschriebenen Inhalte kann man anscheinend das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.

Alles Gute!
Nuala