Problem von Marina - 61 Jahre

Hilfe, meine erwachsene Tochter benutzt mich nur!

Also, als ich meine 2. Tochter bekam, war sie unser Sonnenschein. Wir haben alles für sie getan, was nur möglich ist. Unsere 1. Tochter war da schon 7 Jahre alt und kam mit Nachwuchs in der Familie nicht zurecht. Sie hasste mich fortan, weil wir noch einen Nachköm-mling hatten. Ich habe beide Töchter liebevoll aufgezogen und ernte trotzdem heute (sie sind 43 und 36 Jahre alt) nur Ablehnung von ihnen, worunter ich sehr leide. Meine große Tochter lebt 50 km von mir entfernt, ich habe zu ihr keinen Kontakt. Meine jüngste Tochter wohnt nur um die Ecke und hat 3 Kinder (6 J., 8J. und 11J, die ich über alles liebe. Auch die Kinder lieben uns über alles und kommen gern. Ich selbst war ein Pflegekind und wurde nach der Geburt in ein Kinderheim gebracht, wo ich die ersten drei Lebensjahre verbrachte. Meine Kindheit war geprägt von Lieblosigkeit und Schläge. Deshalb wollte ich all meine Liebe meinen Kindern geben, damit sie es gut haben. Aber ich habe Pech gehabt. Meine jüngste Tochter braucht mich nur für ihre Kinde, um die bei mir unterzubringen, wenn sie zeitlich knapp ist. Ich hatte die jüngste Enkeltochter (6 Jahre) von Geburt an täglich spazieren gefahren oder mit ihr gespielt, da sie völlig mit den Kindern und dem Haushalt überfordert war. Zeitweise hatte ich ihr (ich bin Rentnerin) sogar das Unkraut auf dem Grundstück entfernt, weil sie nichts macht. Ich hatte erwartet, dass sie mich dafür zumindest etwas liebt, aber nichts kommt an Gefühlen. Jetzt hat sie sich vor 11/2 Jahren einen großen Hund zugelegt. Ich hatte ihr dringend davon abgeraten, weil ich wusste, dass ihr das über den Kopf wächst. Was soll ich sagen, was ist passiert? Natürlich, ich habe den Hund täglich mit dem Fahrrad, der mittlerweile gut nebenherläuft rausgebracht bei Wind und Wetter. Meine Tochter hatte mich nun bei einem Geburtstag der jüngsten Enkeltochter wieder - wie schon so oft - vor ihren Freundinnen am Tisch niedergemacht und angegriffen, ohne ersichtlichen Grund. Mein Mann und ich waren geschockt. Wir hielten es noch eine 1/2 Stunde aus und hatten uns dann anständig verabschiedet. Ich war wieder am Boden zerstört. Hatte ich doch erst zu Weihnachten wieder für alle gekocht und den großen Hund über Neujahr bei uns, weil meine Tochter mit Familie 3 Tage bei Freunden war. Selbst Neujahr hatte ich für alle gekocht und den Tisch schön geschmückt, damit sie bei der Heimkehr warmes Essen haben sollten. Alles wird mit ihrer kalten Art in mir zerstört. Dabei möchte ich nur ihre Liebe. Wenn ich im Krankenhaus liege (war in den letzten 5 Jahren 3 mal stationär mit OP) bekomme ich keinen Besuch von ihr. Ich mache alles für sie, aber sie ist für mich nicht da.
Jetzt habe ich nach dem letzten Angriff Anfang Januar nicht mehr den Hund abgeholt und mich auch kaum gerührt. Das Ergebnis ist, wie jedes mal, wenn ich nicht funktioniere, dass ich die Kinder nicht mehr zu Gesicht bekomme. Sie ignoriert mich dann völlig. Sie erpresst mich emotional mit Entzug der Kinder! Ich bin nervlich mittlerweile am Ende! Mein Mann sagt nur, dann lass sie doch! Lass Dich nicht erpressen. Er hat Recht, aber es fällt mir so schwer, da ich an den Kindern so hänge. Mit ihr reden geht nicht, da sie dann ausfallend und frech wird und ich habe Angst, dass dann alles eskaliert.

Vielleicht habt Ihr einen Rat für mich, den ich dann umsetzen kann!

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Marina,

deine Schilderung hat mich sehr berührt.
Ich glaube, dein verzweifeltes Sehnen nach Liebe und Wertschätzung ist etwas sehr Zentrales in deinem Leben - und ich habe den Verdacht, dass es dabei gar nicht unbedingt "nur" um deine Töchter geht.

Ich sehe es so wie dein Mann: Du musst sie machen lassen und lernen, dem emotionalen Druck standzuhalten. Sonst bleibst du weiterhin der Spielball. Ich glaube nicht, dass du dann deine Enkelkinder nicht mehr sehen wirst. Lediglich kann es eine Weile dauern, doch wird deine Tochter hoffentlich begreifen, dass sie dich nicht nach Belieben herumschubsen kann. Und in dieser Zeit werden ihre Kinder bestimmt nach den Großeltern fragen. Und sie selbst scheint ja genug Gründe zu haben, um sie immer wieder bei dir vorbeizubringen. Also: Das ist auch nicht das vorherrschende Problem - denn deine Enkel sind eigenständige Persönlichkeiten, die ihre Meinung kundtun werden und durch ihr Heranwachsen auch immer mehr verstehen können, dass du nicht "die Böse" bist und euer Verhältnis sehr konfliktbehaftet ist.
Im Übrigen kannst du ihnen das im Zweifelsfall auch kindgerecht sagen. So etwas wie "Ihr seid jederzeit bei uns willkommen, auch wenn sich eure Mama und ich uns öfter streiten..." ist relativ unverfänglich und gibt die Realität wahrscheinlich am ehrlichsten und verständlichsten wider. Die Kinder spüren und sehen ja auch, dass etwas nicht stimmt.

Zurück zu dir. Ich sehe vor allem, dass du alles dafür tust, geliebt zu werden. Du strampelst dich dauernd ab, engagierst dich ohne Ende. Das ist toll, möchte man meinen. Doch wenn wir uns das näher betrachten, ist es nicht mehr toll. Warum? Erstens, weil du dich selbst dabei aufgibst. Du willst um jeden Preis die Liebe von Anderen haben, versagst sie dir aber selbst. Wo bleibt deine Selbstachtung, dein Respekt vor deinen Grenzen? Wo bleiben deine echten Bedürfnisse? Ich habe sehr stark den Eindruck, dass du dir Liebe über Leistung und aufgezwungener Wärme "erkaufen" möchtest. Doch das funktioniert nicht, denn die Menschen um dich herum spüren, dass es nicht echt ist und geben dir das ungeschminkt zurück.
Und zweitens erzeugst du einen enormen Druck in deiner Umwelt. Du kreist wie ein Raubvogel über der Beute und diese macht sich möglichst unsichtbar. Das als Metapher für eure Situation!

Echte Liebe kann man nicht erzwingen. Echte Liebe ist nicht an Bedingungen und Erwartungen geknüpft, sie ist einfach da, ohne dass es Vorbedingungen gibt. Doch genau das vermittelst du. Ich weiß, du meinst es nur gut. Und du hast sehr schlimme Dinge in deiner Kindheit erlebt. Umso wichtiger ist es, jetzt dieser Wahrheit ins Auge zu sehen - und sie zu verändern. Denn Selbstliebe und - fürsorge kannst du immer lernen. Dafür ist es zum Glück nie zu spät!
Vielleicht bist du jetzt verwirrt und verstehst nicht, wie ich das meine. Auf den Punkt gebracht geht es darum, dass man sich immer zuerst selbst die volle Liebe und Aufmerksamkeit geben muss, bevor man es für Andere tut. Die Liebe zu sich selbst ist die Grundvoraussetzung für alles. Wenn du aber immer nur danach lechzt, dass die Anderen dir Liebe geben sollen, stimmt etwas nicht. Denn würdest du dich selbst genug lieben, würdest du diesen Mangel gar nicht spüren. Lies dazu bitte auch hier: https://www.sein.de/brandenburg/selbstliebe-geh-ein-liebevolles-buendnis-mit-dir-selbst-ein/

Ich glaube, dass deine Töchter dir sehr, sehr deutlich spiegeln, was eigentlich Sache ist: Du missachtest dich selbst, setzt keine klaren Grenzen, liebst dich nicht selbst genug.

Eine psychologische Beratung oder sogar eine therapeutische Aufarbeitung wären vermutlich Balsam für deine Seele. Auch eine Selbsthilfegruppe oder ein Gesprächskreis können dich unterstützen.

Ansonsten kann ich dich sehr stark darin ermuntern, endlich dein EIGENES Leben zu leben! Widme dich deinen Interessen! Pflege Beziehungen, die dir wahre Freude bereiten - und streiche Energieräuber aus deinem Alltag! Beziehe deine Enkel in das ein, was dir Spaß macht. Gehe raus in die Welt, reise mit deinem Mann, macht euch einen schönen Lebensabend. Das bist du dir selbst schuldig! Und du bist es WERT, endlich für dich selbst da zu sein!

Der positive Nebeneffekt kann sein, dass du irgendwann merkst, dass das Grenzensetzen und deine Selbstliebe auch auf die Beziehungen zu deinen Töchtern abfärbt. Natürlich wissen wir es nicht. Aber in der Regel spüren Menschen, dass sich ein System verändert und reagieren entsprechend. Wer weiß, vielleicht ergeben sich dadurch ungeahnte neue Sachverhalte, die du bisher nie zu hoffen gewagt hast!

In diesem Artikel geht es um die Mutter-Tochter-Beziehung, möglicherweise kannst du da etwas Positives für dich herausziehen. https://www.sein.de/die-beziehung-zwischen-mutter-und-tochter-heilen/

Ich habe bei meiner Recherche ein Forum entdeckt, das dir vielleicht gefallen könnte, da gibt es auch einen Bereich rund um Familie: https://www.50plus-treff.de/forum/freundschaft-und-familie-f68.html

Und hier findest du rund um den Mutter-Kind-Konflikt ähnliche Probleme mit verschiedenen Sichtweisen:
https://mein-kummerkasten.de/330676/Tochter-macht-mich-wahnsinnig.html
https://mein-kummerkasten.de/322082/mein-sohn-hast-michmein.html
https://mein-kummerkasten.de/328938/vater-kinderbeziehung.html

Ich wünsche dir alles Liebe!
Nuala