Problem von Natalie - 21 Jahre

Es tut weh nur zu geben

Hallo, ihr habt mir die letzten Male schon echt geholfen, deswegen wollte ich mich jetzt noch einmal an euch wenden, da mich schon seit einigen Tagen etwas plagt, was gestern Abend ganz schlimm war.

Es ist so, dass ich einen Sozialberuf studiere und dort gerade mein 3. Praktikum mache. Naja es ist ja ein Sozialberuf und auch mein absoluter Traumberuf seit ich 14 war. Ich habe auch gelernt in den Praktika den PatientInnen zwar viel zum geben, aber auch die richtige Distanz zu wahren und es kommt mir nicht so vor, als ob ich ihnen nur gebe, da ich oft auch einfach ein Lächeln zurückbekomme, was für mich wirklich ausreichend ist.

Naja, ich bin generell ein sehr liebevoller, hilfsbereiter und leider auch sehr gutmütiger Mensch. Ich bin es gewohnt die Bedürfnisse von Freunden vor meine zu stellen und ich fand es nie schlimm, wurde zwar dann schon hin und wieder ausgenutzt, hatte aber vor zirka 3 Jahren auch eine richtig gute Freundin, mit der die Freundschaft leider auseinander ging. Jetzt habe ich schon in meinem Studium Freunde, aber es sind doch eher oberflächliche Freundschaften, wo man jetzt außerhalb nicht viel miteinander macht oder extrem füreinander da ist. Abgesehen vom Studium hab ich 5 andere Freunde, die ich euch jetzt mal kurz vorstelle, damit ihr euch ein besseres Bild von meinem "Problem" machen könnt.

Freundin 1: Wir kennen uns seit über 5 Jahren, jedoch war sie in diesen Jahren nie für mich da, wir haben uns auch mit den Jahren ziemlich auseinander gelebt und uns mittlerweile nichts mehr zu sagen. Wenn es gut geht sehen wir uns 4 Mal im Jahr, wo ich nicht wirklich weiß was reden und ihr einfach zuhöre. Die Treffen sind bis jetzt größtenteils von mir ausgegangen, was ich aber aufgehört habe und mir nun nur Vorwürfe anhören kann, wieso ich mich weniger melde. Dass die Freundschaft jahrelang nur von mir ausging sieht sie nicht.

Freund 2: Wir kennen uns seit 5 Jahren, sehen uns zirka alle 2 Monate und es passt auch gut, wenn wir uns sehen. Wir können dann über eigentlich alles reden und ich hab ihn richtig gern. Das einzige was mich stört, ist das sowohl der Kontakt größtenteils, als auch jegliches Treffen nur von mir ausgeht. Als ich ihn darauf angesprochen habe, meinte er, dass ich keine große Priorität in seinem Leben bin. Woran ich jedoch merke oder zumindest das Gefühl habe, dass ich ihm wichtig bin, dass er mir zum Geburtstag jedes Mal ein total nettes Geschenk mit Gedanke dahinter schenkt.

Freundin 3: Wir kennen uns seit zirka 1 Jahr und sehen uns so alle 3 Monate, mal kürzer, mal länger. Sie leidet an Depressionen, was für mich oft schwer ist, da ich das Gefühl habe gerade während eines Praktikums, außerhalb nicht dauerhaft da sein zu können. (Ich weiß, das klingt total schrecklich, ich versteh mich da auch nicht und ich finde es normal in einer Freundschaft für jemanden da zu sein, aber dauerhaft ist es für mich neben einem Praktikum echt schwer). Sie ist sehr unverlässlich, schreibt eigentlich fast nie zurück, Treffen und Kontakt geht genauso von mir aus.

Freundin 4: Wir kennen uns seit 1einhalb Jahren und sehen uns mal alle 2 bis 3 Monate. Wenn wir uns sehen, können wir über alles quatschen und sie ist diejenige, der ich von Jungs erzähle beziehungsweise mit der ich über sowas total unbekümmert quatschen und Witze machen kann. Naja, als meine Uroma gestorben ist und ich sie um ein Treffen gefragt habe, meinte sie dass sie nicht weiß ob sie Zeit hat und wenn dann nur, wenn ich nicht über meine Uroma rede. Seitdem weiß ich, dass auch sie nicht für mich da ist.

Freundin 5: Wir kennen uns seit einem halben Jahr und sie ist die, die ich echt lieb habe. Von Anfang an, hab ich mich trotz meiner Schüchternheit sehr geöffnet und mit ihr Lieder im Auto lauthals mitgesungen. Sie sehe ich fast jede Woche und ich bin sehr gern bei ihr und hab sie auch gern bei mir. Treffen gehen zwar eigentlich nur von mir aus, jedoch hat sie auch gesagt, dass sie sehr gern jede Woche was mit mir macht. Schreiben tut sie mir nur, wenn es ihr selbst nicht gut geht, damit sie mir dann erzählen kann wieso, was mich jetzt nicht stört, da ich echt gern für sie da bin. Jedoch ist es so wenn ich ein Problem habe, hört sie mir gar nicht wirklich zu. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich ihr wichtig bin, da sie auch die einzige ist, die sagt was ich für eine tolle Freundin bin und dass sie mich lieb hat.

Naja, jetzt habt ihr mal einen groben Überblick über meine Freunde erhalten. Versteht mich nicht falsch, ich habe sie alle sehr lieb und würde alles für sie tun, aber die letzten Tage hab ich mir einfach echt einmal Gedanken über unsere Freundschaft gemacht, da es mir zurzeit selbst nicht so gut geht und einfach keiner von ihnen für mich da ist. Gestern bin ich im Bett gelegen und war kurz davor zu weinen, da auf einmal so ein Schmerz in mir war, so ein Gefühl als ob etwas in mir zerbricht, da ich einfach so traurig bin immer alles für jemanden zu geben. Ich wünsche mir doch einfach nur jemanden, der auch einmal für mich da ist. Meine frühere beste Freundin hat mich oft sehr verletzt und mir das Gefühl gegeben der letzte Dreck zum sein, aber dann hatte sie Phasen wo sie mir das Gefühl gab, dass ich ihr echt wichtig bin. Und was bei ihr war, egal wann, sie war für mich da, selbst wenn wir uns gestritten haben. Ich wünsche mir doch nur wieder so jemanden und frage mich ob das zu viel verlangt ist? Ich habe auch einfach Angst, wenn ich dann arbeite, dass ich dann irgendwann daran zerbreche außerhalb nichts zurückzubekommen und immer nur zu geben, zu geben und zu geben. Und ich weiß ich habe schon oft gehört, dann hör auf so viel zu geben, aber ich kann das konkret nicht anwenden, ich mein was meint man damit, dass ich nicht mehr für andere da bin? Das bin doch nicht ich und ich kann mir doch nicht von anderen wünschen, dass sie für mich da sind, wenn ich es dann selber nicht bin?

Danke, dass ihr euch diesen langen Text durchgelesen habt und ich mir einmal alles von der Seele schreiben konnte. Vielleicht habt ihr ja einen Rat für mich, wäre euch echt dankbar.

Liebe Grüße
Natalie

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Natalie,

mir tut es schier weh, was du schreibst: Du bist so nett zu Anderen, eine richtig gute Seele. Doch gleichzeitig gibst du selbst zu, dass du dich hinter das Wohl deiner Mitmenschen stellst. Ich wage zu behaupten, dass das ein sehr zentraler Punkt in deiner Misere ist - den du dringend ändern musst!

Sieh es so: Du möchtest, wie jeder andere Mensch auch, Liebe, Respekt und Zuneigung von anderen Leuten bekommen. Da klappt aber nur, wenn du dir all das selbst in großem Umfang zukommen lässt. Denn wenn du dich selbst nicht respektierst, wie sollen es die Anderen schaffen? Wenn du quasi schon signalisierst, dass du dich selbst nicht ernst genug nimmst und die Wünsche deines Gegenübers grundsätzlich zuerst kommen? Dann kriechst du förmlich im Staub und zeigst: Ich bin es nicht wert, mit dir auf Augenhöhe zu stehen, tritt ruhig zu!
Führe dir bitte vor Augen, dass du jederzeit Nein sagen kannst und das genau richtig ist! Viele fürchten sich vor dem Neinsagen, weil sie meinen, dann weniger beliebt zu sein. Doch das Gegenteil tritt ein: Du gewinnst an Respekt, was sich wiederum positiv auf deine Beziehungen auswirkt. Und natürlich fühlst du dich gleich besser, wenn du deinen Bedürfnissen nachgekommen bist. Das ist quasi Ehrlichkeit zu dir selbst - und Treue! Beides ist essentiell für ein gutes Grundgefühl, für das Gefühl, sicher im Leben verankert zu sein.
Lies dazu bitte hier weiter: Es geht um Selbstliebe und Selbstakzeptanz. Ich glaube, hier liegt bei dir wirklich gehörig der Hase im Pfeffer. https://www.selbstbewusstsein-staerken.net/blog/#Selbstliebe_Selbstakzeptanz

Und konkret zu deinem Dilemma mit dem Geben. An sich spricht wirklich nichts dagegen, ein eher "gebender" Mensch zu sein. Aber: Es muss eben alles in einem für dich selbst akzeptablen Rahmen bleiben. Hier musst du auf dein Gefühl hören! Und auch immer wieder reflektieren: Mache ich gerade etwas, weil es mir AN SICH Freude bereitet - oder weil ich mir unbewusst dadurch vielleicht Vorteile erhoffe, z.B. mehr wahrgenommen zu werden, beliebt zu sein usw.?
Wenn du gelernt hast, Nein zu sagen und dich selbst als Erste zu sehen, ist es total okay, leidenschaftlich für Andere da zu sein. Denn dann bist du ja immer trotzdem diejenige, die zuerst kommt.
Ich finde, es kommt auch sehr darauf an, wo und für wen du dich engagierst - und zu welchem Zeitpunkt. Sich für Bedürftige einzusetzen, halte ich beispielsweise immer für eine fabelhafte Sache, sofern ausreichend Kräfte und Zeit zur Verfügung steht. Anders sieht es meiner Meinung nach bei Kumpels oder Verwandten aus, die immer wieder etwas von einem wollen und wirklich kaum etwas zurückgeben.

Mir fällt außerdem auf, dass du alle möglichen Kontakte als "Freund:innen" bezeichnest, obwohl diese deiner Beschreibung nach wohl eher gute Bekannte oder Kumpels zu sein scheinen. Das finde ich schon mal wichtig von der Betrachtungsweise her. Und das kann dir helfen, deine Ressourcen nicht beliebig herzugeben, ohne mit etwas "Gegenleistung" rechnen zu können.
Zum Thema falsche Freunde habe ich dir etwas herausgesucht, denn ich gehe davon aus, dass im Grunde alle deiner sogenannten "Freunde" in Wahrheit keine wirklichen sind - und du deswegen diese Schmerzen spürst. https://de.wikihow.com/Falsche-Freunde-erkennen und hier in der positiven Form: https://de.wikihow.com/Erkennen-ob-dein-Freund-ein-wahrer-Freund-ist

Ich habe mal ein bisschen gestöbert und ein paar vielleicht auch für dich hilfreiche Einsendungen entdeckt:
- https://mein-kummerkasten.de/297119/Keine-Akzeptanz-Demuetigung-und-Einsamkeit.html
- https://mein-kummerkasten.de/75562/Probleme-mit-anderen-Menschen.html
- https://mein-kummerkasten.de/323609/Komme-mir-ausgenutzt-vor.html
- https://mein-kummerkasten.de/328153/Ich-habe-alle-Freunde-verloren.html

Summa summarum geht es also darum, dass du dich endlich um dich selbst kümmerst, was die konsequente Pflege deiner Wünsche und Interessen vollumfänglich (!) bedeutet. Nochmal: Das ist kein Egoismus, sondern gesunde Selbstliebe! Solltest du damit auch nach geraumer Zeit und viel Arbeit immer noch gravierende Schwierigkeiten haben, empfehle ich dir eine psychologische Beratung oder ein Coaching. Dort kann gezielt an diesen Themen gearbeitet werden. Und das Gute ist, dass du dann nach und nach immer mehr die "giftigen" Menschen aussortierst und dich stattdessen mit den wohltuenden Kontakten umgibst. Denn wenn du dir das selbst wert bist, verhältst du dich auch entsprechend, es entsteht also ein Positivkreislauf!

Ich wünsche dir alles Liebe,
Nuala