Problem von Anonym - 25 Jahre

Verliebt in eine Araberin

Ich bin seit einem Jahr mit einer Araberin zusammen.. Wir sind unsterblich verliebt, nein, es ist schon längst echte, große Liebe. Sie lebt seit Jahren in Deutschland, aber ihre Familie lebt in Jordanien und sie durften bisher nichts von uns wissen. (man muss ja auch verheiratet sein, um eine Beziehung führen zu dürfen).
Jetzt ist meine Freundin nach Jordanien geflogen, um ihren Eltern mitzuteilen, dass sie sich in einen Deutschen verliebt hat.
Ihre Eltern sind absolut dagegen und wollen auf keinen Fall, dass sie einen Deutschen heiratet. Wir sind beide am Boden zerstört, aber sie sagt es gibt keine Hoffnung und will sich von mir trennen...
Kann ich die Frau, die ich wirklich so unendlich liebe und verehre einfach so ziehen lassen?
Sollte ich um sie kämpfen? Hoffen, dass ihre Eltern ihre Meinung ändern.. oder ist es für ihr Glück besser, wenn ich aus ihrem Leben verschwinde?
Ein Leben ohne sie kann ich mir kaum vorstellen.. wir sind einfach ein Herz und eine Seele
Was soll ich tun?

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Anonymer,

die Frage, die du gestellt hast - "Kann ich sie ziehen lassen?" - erscheint mir wenig zielführend. Du MUSST sie ziehen lassen - wenn sie sich gegen dich und für ihre Familie entscheidet. Alles Andere wäre kein Kämpfen um eure Liebe mehr, es wäre eine unnötige Entwürdigung deiner selbst; und überdies würdest du es der Frau, die du liebst, unnötig schwer machen. Was willst du tun? Glaubst du wirklich, eine traditionell eingestellte Familie in Jordanien, die vielleicht sogar zu arm ist, um sich "Liebe" innerhalb ihrer eigenen Kultur leisten zu können, davon überzeugen zu können, dass eure Gefühle wichtiger sind? Und wenn ja - wie würdest du das machen wollen? Einen erwachsenen Menschen erzieht man nicht mehr. Man sagt ihm seine Meinung und stellt ihn vor vollendete Tatsachen. Das kannst du nur mit und nicht gegen deine Freundin tun. Entweder: Eure Gefühle sind auch ihr wichtiger als ihre Familie, dann braucht ihr euch um diese auch nicht zu kümmern. Oder: Sie bringt diesen Bruch nicht über sich, was verständlich ist, so sehr sie dich auch liebt; dann kannst du ihr nicht helfen.

Jeder Versuch, es im Dialog zu lösen, wäre nicht nur teuer, demütigend und vermutlich zum Scheitern verurteilt, sondern - sprechen wir es offen aus - könnte auch gefährlich werden. Ich kenne diese Familie nicht, aber ich habe genügend Erfahrungsberichte arabischer Mädchen und Frauen hier im Kummerkasten gelesen, um mir keine großen Illusionen zu machen. Das reale Leben ist keine Culture-Clash-Dramedy; es müssen Risiken abgewogen und schließlich Entscheidungen getroffen werden. Dass deine Freundin nach Jordanien geflogen ist, um es ihren Eltern mitzuteilen, beweist zwar einerseits, wie ernst es ihr ist - andererseits aber auch, dass sie damit rechnet, vielleicht nicht zurückzukehren. Sie hat alles auf eine Karte gesetzt - und das, obwohl sie wusste, dass beim Spiel mit offenen Karten kaum etwas zu gewinnen war. Hast du dich schon einmal gefragt, ob sie das vielleicht getan hat, um es dir nicht noch schwerer zu machen?

Wir beide wissen, dass die Aussage "Es gibt keine Hoffnung" überhaupt nicht stimmt. Hätte sie sich entschieden, dass ihr persönliches Glück ihr wichtiger ist als die Erwartungen ihrer Familie (eine Entscheidung, zu der sie alles Recht gehabt hätte!), dann wäre sie nicht in ein Flugzeug nach Jordanien gestiegen, sondern ihr beide hättet auf dem Standesamt ein Formular unterschrieben, und wärt jetzt nicht auf zwei Kontinenten, sondern verheiratet. Ob eure Beziehung gehalten hätte oder nicht, es hätte dir nicht weh getan und ihr ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Aber sie hat sich anders entschieden. Und du kannst sie nur bitten, es sich noch einmal zu überlegen - mehr steht nicht in deiner Macht.

Es ist für sie nicht "besser", wenn du aus ihrem Leben verschwindest. Es ist für sie stets das Bestmögliche, wenn sie ihre eigenen Entscheidungen trifft. Das sind in ihrem Fall welche, die schwerer sind als alles, was einer von uns je wird entscheiden müssen. Aber darin besteht ja die Freiheit: Man muss sie sich nehmen! Und wenn sie die Brücken nicht hinter sich abbrechen will, um frei zu sein, weil das zuviel von ihr verlangt, bleibt dir nichts, als diesen Entschluss zu respektieren. Mit kopflosen Aktionen bringst du sie der Freiheit nicht näher, sondern beeinträchtigst nur ihre Wahl. Die, so sehr sie dich schmerzt, frei war.

Ganz im Ernst: Bedränge sie nicht. Mach ihr keine Vorhaltungen. Flehe sie nicht an. Weder du noch ich können ermessen, wie sie sich fühlt. Wir können nur annehmen, dass sie voller Schmerz ist. Schmerz, den du ihr nicht nehmen kannst. Sie würde auf die eine oder andere Weise gelitten haben - und niemand kann ihr vorwerfen, wie sie sich entschieden hat. Wenn du sie wirklich liebst, hoffe, aber nicht auf ein Wunder. Es geht nicht um Wunder. Es geht darum, dass deine Freundin wissen muss, was sie will. Du kannst ihr da einfach nicht helfen. So schmerzhaft und so wenig nachvollziehbar ihr Entschluss für dich sein mag - wenn sie sagt "Es gibt keine Hoffnung.", dann heißt das so viel wie "Ich habe keine Hoffnung, dass ich es schaffe, es durchzuziehen." Das ist keine Absage an dich, sondern ein Eingeständnis ihrer eigenen Angst und Schwäche. Nimm es als einen letzten großen Liebesbeweis - den größten, den du ihr machen kannst. Du wärst nach wie vor bereit, mit ihr ein gemeinsames Leben zu beginnen; aber das kannst du von ihr weder einfordern noch erbetteln, noch sie dazu zwingen, sondern ihr nur in Aussicht stellen. Alles was darüber ist, wird sie nur noch weiter verunsichern und verzweifeln lassen.

Frag sie noch einmal, erinnere sie an eure gemeinsame Zeit - und an das Leben, das ihr haben könntet. Du darfst mir glauben: Niemand wünscht sich mehr als ich, dass sie ihre Meinung zu deinen Gunsten ändert. Aber wenn sie es nicht tut, dann behalte sie ohne Bitterkeit in Erinnerung - als die Frau, die du geliebt hast, nicht als eine, die dir etwas genommen hat. Ich würde mich auch sehr freuen, wenn du bereit wärst, zu gegebener Zeit den Ausgang deiner Geschichte zu erzählen, doch natürlich musst du das nicht.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul