Problem von Anna - 12 Jahre

Depressionen, Familie, Sexualität

Hallo.
Ich bin nun schon sehr lange „depressiv“ und habe Suizidgedanken. Ich habe Probleme mit meiner Familie. Dazu kommt noch, dass ich denke, dass ich Bisexuell bin und meine Familie ist homophobic.
Meine Familie sagt mir ständig, ich kleide mich wie ein Junge. Dadurch habe ich keinen Mut mehr, die Sachen zu tragen in denen ich mich eigentlich wohl fühle. Da meine Familie Homophobic ist, habe ich angst, ihnen zu sagen, dass ich Bisexuell bin (wo ich mir nicht sehr sicher bin, ob ich es wirklich bin.) Ich weine wirklich immer. Egal bei was. Bei jeder kleinigkeit. Ich habe das gefühl, dass niemand aus meiner Familie für mich da ist. Ich habe niemanden zum reden oder jemandem dem ich etwas anvertrauen kann. Manchmal stehe ich auf und möchte einfach nur sterben. Ich würde so gerne zu einem Arzt/ Psychologen gehen. Nur müsste ich meiner Mutter erzählen dass ich depressionen habe. Davor habe ich angst. Ich bin gerade mal 12. mich belastet so viel. Ich hab meistens einfach keine kraft mehr. Ich bin nie glücklich. Ich will einfach mal wieder glücklich sein. Die Schule stresst mich so. Ich kriege andauernd 4ren und mene Mutter schreit mich dann immer an. Ich habe das gefühl, ich gehöre hier einfach nicht hin. Jeder ignoriert mich. Meine schwester macht mich so runter. Jeden Tag. Das ist nicht mehr, wie geschwister es normalerweise tun. Das ist schon Mobben. Ich hatte schon mehr mals Nervenzusammenbrüche weil ich mich einfach verloren und hoffnungslos fühlte. Ich wusste einfach nicht mehr weiter. Ich habe 0 selbstbewusstsein. Ich habe in der schule keine richtige freundin. Alle nerven mich nur noch. Alle lästern über mich. Als hätte ich allen irgendetwas angetan. Mein Zeugnis wird dieses Jahr so schlecht. Ich habe einfach angst dass meine mutter richtig enttäuscht sein wird. Ich weiß selber garnicht mehr was los ist. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Ich habe angst, nicht akzeptiert zu werden von meiner Familie. Sie stehen mir alle einfach nicht bei. Ich möchte meiner Familie ehrlich gesagt auch garnichts erzählen. Ich will nicht dass meine Mutter sauer wird und dass meine Schwester mich auslacht. Die würden das eh nicht ernst nehmen. Ich habe auch angst, die schule wechseln zu müssen. Da ich da dann die „neue“ sein würde und ich bestimmt keine Freunde finden würde. Das schlimmste ist, ich kann mit niemandem angesicht zu angesicht über meine Probleme reden. Wenn ich meine Probleme hier jetzt schreibe, fällt mir auch nicht alles ein was mich belastet.
Lg, Anna.

Anwort von Miriam

Liebe Anna,

Erst mal tut es mir sehr leid, dass diese Antwort erst so spät kommt, vor allem, da sich dein Problem sehr ernst anhört.
Ich kenne das Gefühl, sich niemandem in der Familie anvertrauen zu können sehr gut und ich war lange ähnlich verzweifelt wie du. Auch die Angst, es der eigenen Mutter zu erzählen, dass man eigentlich Hilfe benötigt, kann ich zu einhundert Prozent nachvollziehen.
So wie sich das in deiner Nachricht anhört, gibt es zwei Probleme, die finde ich beide wichtig sind, aber nur nacheinander angegangen werden können.

Zum einen gibt es deine Selbstfindung in Sachen Sexualität. Du bist dir nicht sicher, ob du bisexuell bist. Das in deinem Alter noch nicht alles so genau zu wissen, finde ich nicht schlimm. Man probiert sich ja erst nach und nach aus und sammelt Erfahrungen, was man gut findet und was nicht. Allerdings sollte diese Entwicklung auch nicht gestört werden durch Ängste. Dies ist bei dir momentan jedoch der Fall, da du deine Familie als homophob einstufst.

Das zweite Problem ist deine starke Depression, die auch Suizidgedanken nach sich zieht. Ich finde es sehr wichtig, das ernst zu nehmen und auch als erstes anzugehen. Ich kann verstehen, dass du Hilfe bei der Suche nach Hilfe benötigst. Dazu braucht es einen Erwachsenen, der mit dir nach einem geeigneten Therapeuten suchen kann. Wenn es nicht deine Mutter ist, dann kann das auch eine andere Person sein, die dir vertraut ist. Da du auch das Problem in der Schule ansprichst, könntest du auch einen Lehrer im Vertrauen ansprechen, der dir sympathisch genug erscheint. Wenn du wirklich keine andere Möglichkeit siehst, dann wende dich an das Jugendamt oder den örtlichen Krisendienst. Auch dort bekommst du jemanden an die Hand, der mit dir nach Hilfe sucht.

Wahrscheinlich führt kaum ein Weg daran vorbei, dass deine Mutter erfährt, dass du eine Therapie machen möchtest. Sie hat in deinem Alter hierbei ein Recht auf Mitsprache. Jedoch kann sie dir eine solche Hilfe nicht verwehren. Achte am besten darauf, dass deine Mutter die einzige ist, die es direkt am Anfang erfährt, damit deine Schwester dich nicht wieder auslacht. Ich würde versuchen, alles abzuwehren, das dir schaden könnte. Auch wenn es unangenehm werden wird (das war es bei mir auch), solltest du es machen. Gerade wenn es so ausweglos erscheint, hast du ja auch nicht allzu viel zu verlieren. Es kommt mir nicht so vor, als könnte die Situation noch schlimmer werden, als sie ohnehin schon ist und hier geht es um deine Gesundheit und im Ernstfall um dein eigenes Leben. Deshalb rate ich dir dringend zu einer Therapie, denn bevor man nicht alles versucht hat, sollte man doch wohl noch nicht daran denken, sein Leben zu beenden. Dass du noch Hoffnung in dir trägst, beweist aber schon deine Nachricht hier.

Sobald du eine Therapie machst, wirst du merken, dass auch dein Selbstbewusstsein steigen wird und wenn das passiert, ist man sich mit allem sicherer. Das hat zur Folge, dass man sich auch mit seiner Sexualität sicherer wird und das dürfte auch dein zweites Problem lösen. Irgendwann hoffe ich dann, dass es dir egal sein wird, was homophobe Menschen über dich denken, selbst wenn sie der eigenen Familie angehören. Denn du bist du. Und verändern lässt sich das eben nicht.

Ich empfehle dir einen Kinder- und Jugendtherapeuten, der auf dein Alter spezialisiert ist. Gib nicht direkt auf, wenn es nicht gleich mit dem ersten passt. Wenn du merkst, es geht dir mit einem/einer eher schlechter als besser, dann suche weiter, bis der richtige gefunden ist. Die Suche danach kann immer wieder Enttäuschungen bringen, also versuche dich darauf vorzubereiten und denk, wenn du niemanden als moralische Unterstützung hast, an meine Worte.
Ich werde dir unten einige hoffentlich hilfreiche Internetseiten an die Hand geben.

Ich wünsche dir so sehr, dass du deine Probleme angehen kannst und zu einer glücklichen jungen Frau aufwachsen kannst. Ich bin durch ähnliche Zeiten gegangen und habe gelernt, dass es sich lohnt weiter zu machen. Deshalb solltest du das auch.

Liebe Grüße
Miriam

https://www.deutsche-depressionshilfe.de/krisentelefone
https://www.therapie.de/therapeutensuche/
https://jugend.bke-beratung.de/views/home/index.html