Problem von Anonym - 28 Jahre

Die unbekannte Liebe und 7 Jahre Herzschmerz

Hallo,
ich schreibe weil mich jetzt seit langer Zeit etwas beschäftigt.
Es ist eine Geschichte die mich jetzt seit 7 Jahren verfolgt, und ich hoffe um hilfreichen Rat in der Angelegenheit.
Folgendes:
Damals...als ich noch ca. 18 war, lebte ich für gewöhnlich in den Tag hinein, mein Leben war in Ordnung, ich hatte bis dahin noch nie einen Blick auf Frauen weil mir schlicht das Interesse fehlte bzw. die richtige anscheinend einfach noch nicht da war.
Eines Tages bemerkte ich einen Blick, es war am Bus, und obwohl es dem Mädchen so geschienen haben muss als hätte ich es nicht gemerkt, habe ich es genau gemerkt. Es war dieser durchbohrende Blick, der mir nur erahnen lies dass dieses Mädchen in mich verschossen war. Ich wusste nicht damit umzugehen, ich hatte bis dahin noch nicht viel Erfahrungen damit gemacht, lies Sie aber jedes mal vor mir einsteigen damit Sie wenigstens einen Platz ergattern konnte. Als ich 19 war, war Sie immernoch da, und Ihre Blicke liesen nicht ab, wir lächelten uns an aber ich habe es nicht geschafft Sie anzusprechen, besonders als ich merkte dass ich dieses "eigenartige" Gefühl hatte, ein Gefühl dass ich bis dahin noch nie hatte, so intensiv und tief wie 1000 Ozeane. Ich habe mich zutiefst gefreut über den Gedanken dass mich jemand wohl so sehr mochte, wusste aber auch um die Verantwortung die ich eingehen müsste wenn ich ihr meine Gefühle zeigte, und es dazu käme dass wir zusammen sind. Ich wusste dass ich ein sehr freiheitsliebender Mensch bin, und habe mir irgendwie eingeredet dass Sie etwas bessere verdient hätte und ich ihr nicht geben könnte wonach sie suchte. Das mag sich nach fehlendem Selbstbewusstsein anhören, aber nein, ich meine bis heute dass es eben nicht das war, nur so paradox dass ich sie so sehr liebte dass ich mir vermutlich aus Schutz vor meiner eigenen Freiheit eingeredet habe, dass sie etwas besseres verdient hätte.
So vergingen 1-2 Jahre in denen es ein regelrechtes Feuerwerk zwischen uns gab, ohne dass wir jemals miteinander sprachen.
Im 2ten Jahr fing ich an mit amphetaminen und cannabis an, ich war im puren "ich" modus aber immernoch bewusst genug um Ihre Liebe zu spüren, aber auch forciert blind genug um es zumindest versuchen auszublenden (ich vermute einer der Gründe wieso ich zu Substanzen gegriffen habe).
Ich habe während dieser Phase sehr vieles Kaputt gemacht, Freundschaften, beinahe mein Leben, meine Familie, meine Freiheit, und zeitweise auch mich verloren. Verloren in der Nostalgie der schönen Gedanken an die womögliche große Liebe, und beflügelt vom Gedanken es doch vielleicht eines Tages zu wagen und ein wunderschönes Leben mit ihr zu beginnen.
Ihr wollt nicht wissen wie ich zu dem Zeitpunkt aussah, die Substanzen nagten stark an meinem Körper und innerhalb kurzer Zeit war ich nur noch ein Schatten meiner selbst. Ich spürte den Schmerz in Ihr, die Verzweiflung. Ich ging häufig abends zu bett und fiel in Tränen in den Schlaf nur mit dem Gedanken "Es tut mir leid" "Es tut mir so unendlich leid" weil ich nichts gemacht hatte, weder Sie angesprochen noch irgend etwas um Sie nur einen Hauch meiner Liebe spüren zu lassen, ich war so kalt...so dermaßen kalt...
Ich war aber nicht in der Lage etwas an der Situation zu ändern, überrumpelt von Emotionen die ich bis dahin nicht kannte, mit Angst vor der Liebe weil ich dachte dass die Liebe meine Freiheit einschränken könnte, und mit Gewissensbissen weil ich Angst hatte ihr niemals geben zu können was Sie verdient hätte.
Viele hier kennen wahrscheinlich das Gefühl, dieses einzigartige Gefühl, dieses dermaßen intensive Gefühl, dass einen alles schlechte auf der Welt vergessen lässt, es war vielleicht die größte Liebe meines Lebens. Es scheint mir als wäre es vom Universum vorbestimmt gewesen dass ich sie treffe und eine Chance gewesen für uns beide uns in unendliche höhen der Glücklichkeit zu heben.

Ich hoffe ihr könnt bis hierher ungefähr nachvollziehen von was ich spreche, ich spreche vom Gedanken von der einen großen Liebe, Schmerz vom Nichts-Machen, und Angst davor zu enttäuschen.
So paradox es sich anhört ich hatte Angst vor der Liebe...

In der Zwischenzeit ist vieles passiert, mir scheint es als hätte ich den Frust der verlorenen Liebe in meine Karriere gepackt und so bin ich in diesem Alter quasi vollständig unabhängig und auf dem besten Weg einer außergewöhnlichen Karriere. Ich habe den Schmerz kanalisiert mit dem Gedanken dass ich es vielleicht eines Tages immer noch wagen könnte, mich vielleicht mit ihr in Verbindung setze, und Ihr ein wundervolles Leben ermöglichen kann.
Jetzt habe ich aber Angst dass ich dann als "Krank", oder "Stalker" wahrgenommen werden könne. Es gibt dieses Risiko dass ich mich in etwas gesteigert habe, aber es gibt auch die Chance dass das passiert was bereits vor Jahren hätte passieren sollen.

Mich plagt bis heute der Gedanke dass ich es nicht gewagt habe, nicht zu wissen wo sie ist und noch viel wichtiger wie es ihr heute geht.
Ich würde mir wünschen wenigstens zu wissen wie es ihr heute geht, meine Seele wäre wenigstens zu einem Teil befriedigt wenn ich wüsste dass es ihr heute gut geht, und es wäre wohl noch besser zu wissen ob es ihr damals und vielleicht jetzt auch noch so geht wie es mir gerade geht, oder ich mir vielleicht alles eingebildet habe und mich in etwas gesteigert habe.

Es tut mir unendlich leid dass ich ihr damals nicht geben konnte wonach sie gesucht habe, und hätte ich die Chance so würde ich ihr heute die Welt zu Füßen legen.

Ich hoffe dass Sie es vielleicht eines Tages liest und sich erinnert, und mir verzeihen kann.

Meine Frage ist:
Ich habe die Möglichkeit mich schriftlich per Brief mit Ihr in Verbindung zu setzen, es könnte aber jetzt irgendwie seltsam scheinen eben wie ein "Kranker" oder "Psychopath", ich weiß ja nicht was man sich da als inzwischen junge Frau denkt, vielleicht war ich ja nur ein Augenblick für Sie, während Ihr Augenblick für mich ein Teil meines Lebens war. Die Angst enttäuscht zu werden ist da, aber auch die Hoffnung es zu verändern, sie vielleicht kennen zu lernen um dann entweder festzustellen dass es nichts wird, oder dass meine Intuition richtig war.

Was denkt ihr, sollte ich Ihr schreiben, und wenn ja wie sollte ich an Sie heran treten ohne dass ich wie ein Stalker oder gestörter rüberkommen der ich einfach nicht bin.

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Ich bin sehr froh, dass du deine Drogenphase erfolgreich hinter dir lassen konntest! Da hast du offenbar eine harte Lektion zu spüren bekommen.

Ja, ich kann nachfühlen, welche intensive Liebe zu meinst. Das ist ein großes Geschenk, einen solchen Menschen zu treffen!
Dass dies auch Angst machen kann, ist für mich ebenfalls nachvollziehbar. Du bist damals ja auch noch unerfahren gewesen; das verstärkt es noch.
Doch gerade wenn du schon die Ahnung hast, dass es schicksalhaft ist zwischen euch, solltest du mutig sein und an eure Verbindung glauben. Denn ihr könnt euch ja nicht mal eben "verlieren". Du kannst mir eines glauben: Sie erinnert sich genauso an dich wie du dich an sie.

Für sich und die Liebe einzustehen, ist kein bisschen "gestört". Und sich bei jemandem zu melden auch nicht. Das gehört vielmehr zu einem gesunden Lebensstil dazu, für die eigenen Bedürfnisse und Wünsche einzustehen. Ich gehe sogar so weit, dass man jemandem, der einem so unglaublich viel bedeutet, nach einer gebührenden Zeit nochmal freundlich anstupsen kann - ohne Druck, ohne Belästigung. Einfach nur, indem man seine eigenes Interesse verdeutlicht.
Natürlich kommt es auf das WIE an; doch du würdest ihr bestimmt nicht die sprichwörtliche Pistole an die Brust setzen, sondern sie freundlich und offen einladen. Du kannst ja darauf achten, nicht zu pathetisch, nicht zu kitschig und nicht zu fordernd zu schreiben. Schreibe ihr doch einfach, dass sie dir noch in lebhafter Erinnerung geblieben ist (kurze Beschreibung, woher ihr euch kennt!) und du sie sehr gerne näher kennenlernen würdest, weil du neugierig auf sie bist. Mehr muss es ja gar nicht sein - und ein solch nett formulierter Brief ohne großen Schnickschnack macht schon was her! (mein Tipp: Hochwertiges Papier, mit Tinte geschrieben, ein farbiger Briefumschlag, offen - liebevolle Wortwahl, dafür aber eher kurz und bündig gehalten). Gib auf jeden Fall mehrere Kontaktmöglichkeiten an: Deinen Anschrift, Mailadresse, Handynummer.
Was sie daraus macht, ist ihre Sache.

Darüber hinaus möchte dir ein paar grundsätzliche Impulse mitgeben, denn beim Lesen deiner Zeilen sind mir Dinge aufgefallen, welche dich eher ausbremsen, als wachsen lassen.

Ich möchte zu Bedenken geben, dass jeder Mensch frei handeln kann, völlig losgelöst vom Geschlecht. Das bedeutet, dass diese Frau dich damals genauso hätte ansprechen oder dir eine Nachricht hätte zukommen lassen können; du musst dir also keinen Vorwurf machen. Ihr habt es eben beide nicht getan, so ist es faktisch gewesen. Doch nun hast du die Chance, auf sie zuzugehen.

Du hast wahrscheinlich schon reflektiert, dass du dir viel vorgemacht hast, ohne sie auch nur annähernd zu kennen. Du kannst nicht wissen, was sie möchte, braucht und mag. Das würdest du NUR erfahren, wenn ihr euch wirklich kennenlernen würdet.
Und - sei mir nicht böse - dieses "Ich will sie auf Händen tragen" ist bissl sehr Schwarz-Weiß und von einem Rollenbild gefärbt, das ich persönlich nicht gerade förderlich für die Entfaltung aller Menschen empfinde. Lass sie doch selbst entscheiden, was sie wann und wie haben will, wenn sie mal in einem Moment auf Händen tragen will... wenn dir Freiheit so wichtig ist, dann löse dich von diesen starren Bildern und glaube nicht zu wissen, was sie ist und was sie will (noch deutlicher: Vielleicht will sie selbst viel Freiheit und mag es nicht "betüddelt" zu werden). Sie selbst kann sich ein schönes Leben machen, dafür braucht sie dich nicht! Sie kann sich die Welt selbst zu Füßen legen.
Und auch du brauchst sie nicht für ein schönes Leben - denn ihr für euch seid immer zuerst eure allererste Bezugsperson und sozusagen eure eigene große Liebe, die es stets auszuleben gilt. Natürlich ist es das Sahnehäubchen eines erfüllten Lebens, mit der großen Liebe in eine Beziehung zu gelangen, doch ist es nicht die Voraussetzung für das Glück! Wenn du dein persönliches Glück aus dir selbst heraus verwirklichst, dann ziehst du es von außen auch an.

Du kannst also deine berufliche Karriere genießen, sofern sie dir Freude bereitet - und gleichzeitig nach Ausgleich du weitere bzw. andere Lebensinhalte schaffen. Nur für die Arbeit zu leben ist weder erfüllend, noch der tiefere Sinn.

Dann solltest du lernen, einengende Erwartungen abzulegen. Nur weil man jemanden extrem toll findet, heißt es nicht, dass man X oder Y tun muss und dann in eine Beziehung kommt. Es KANN passieren, muss aber nicht! Und selbst wenn es zur Beziehung kommt: Sie kann nach zwei Wochen beendet sein, nach vier Jahren, oder nach drei Jahrzehnten... du verstehst, was ich meine.

Du kannst von dir erwarten, für dich selbst zu sorgen, nach deinen Herzenswünschen zu leben und dir stets treu zu sein - das sind dann gute Erwartungen, weil sie dich leiten und tragen! Gerade weil es bei dir so offensichtlich ist, was du dir sehnlichst wünschst, wäre es fatal, nicht genau diesem Ruf zu folgen!
Ganz wichtig: Wahre Liebe, die aktiv gelebt wird, ist NIE Schmerz.

Also - du hast rein gar nichts zu verlieren; denn ehrlich deinem inneren Sehnen nachzugehen, ist immer der richtige Weg. Auch wenn du dann nicht gleich eine Antwort erhältst oder sehr verunsichert bist: Es NICHT getan zu haben, würde dich immer begleiten und runterziehen.
Falls sie sich dann nicht bei dir meldet, dann weißt du zumindest, dass du deinen inneren Dämon bezwungen hast. Und das allein ist eine riesige Leistung, auf die du stolz sein könntest!


Zusammenfassend habe ich ein Gedicht für dich, das in meinen Augen auf deine Situation passt:

An sich

Sei dennoch unverzagt! Gib dennoch unverloren!
Weich keinem Glücke nicht, steh höher als der Neid,
vergnüge dich an dir und acht es für kein Leid,
hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen.

Was dich betrübt und labt, halt alles für erkoren;
nimm dein Verhängnis an. Laß alles unbereut.
Tu, was getan muß sein, und eh man dir’s gebeut.
Was du noch hoffen kannst, das wird noch stets geboren.

Was klagt, was lobt man noch? Sein Unglück und sein Glücke
ist ihm ein jeder selbst. Schau alle Sachen an:
dies alles ist in dir. Laß deinen eitlen Wahn,

und eh du fürder gehst, so geh in dich zurücke.
Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kann,
dem ist die weite Welt und alles untertan.

[Paul Fleming]



Ich wünsche dir genau diesen Mut, dein Leben zu deinem Besten zu gestalten. Mit allem, was für dich dazugehört. Finde es heraus, immer ein Stückchen mehr, Tag für Tag. Raus aus der Angst, hinein in deine persönliche Erfüllung.

Ich grüße dich,
Nuala