Problem von Anonym - 17 Jahre

Schwester Heroinanhängig, ich halte es nicht mehr aus

Hallo

Ich wohne mit meinen Eltern und meinem Bruder eigentlich sehr friedlich zusammen, doch ebenfalls bei und wohnen meine Schwester und ihr Freund, die Heroinabhängig sind. Ich kenne das schon seit Jahren so, aber mir ist der Faden mittlerweile mit denen Gerissen: Mir wird ALLES geklaut was wert hat, sie schreien immer meine Eltern an, wenn sie nicht genug Methadon gibt dass sie etwas davon verkaufen können, es stinkt unnormal schlimm wenn sie ihr Zimmer aufmachen, überall liegen Spritzen auch manchmal unbenutzte.. Meine Eltern gehen damit um als wäre es das normalste was es gibt wenn meine Schwester prallt: Meine Zähne sehen nicht so schlimm aus wie die von meiner einen Freundin aber ich bin schon viel länger drauf..., oder: Wir haben diesmal nur 80% vom Methadon verkauft was du uns gegeben hast..
Ich mache beruflich zurzeit nicht (wie die beiden auch), aber ich mache den ganzen Haushalt und darf ihnen den Dreck wegwischen und sauber machen. Dafür kriege ich von meinen Eltern mal etwas gezahlt.. Die andern beiden kriegen gleichviel, müssen aber nichts machen ausser nur 18 stunden schlafen und rumschreien wenn ich etwas bekomme..
Mein Vater hat ebensfalls vor etwa 30 jahren eine Drogenvergangenheit (diese Sucht ist nicht übertragbar)
Meine Angst ist dass meine Vater eine unbenutzte Spritze findet und denkt: ach wegen einmal.. und wieder abhängig wird..
Mein Nerv ist im Januar gerissen, muss es aber immernoch aushalten...
Ich bin kurz vor dem suizid/ weglaufen..
Ich weiss einfach nicht mehr was machen, mit meinen Eltern rede ich oft drüber dass ich nicht mehr kann, aber sie können auch nichts machen. Sie haben zu grosse angst..
Was kann ich machen?
LG

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Unbekannte!

Ich möchte dir zunächst meine fette Anerkennung zeigen, dass du so tapfer und engagiert bist, auch wenn die Umstände natürlich absolut katastrophal sind.
Ich möchte dir auch die Sichtweise geben, dass, wenn sich deine Situation verändert hat, zwar sehr negative Erinnerungen bleiben, du jedoch auch deine gewonnene Stärke in neuen Lebensphasen nutzen kannst. Führe dir das bitte vor Augen: Du hast eine gute Zukunft verdient! Du hast eine gute Gegenwart verdient! Und genau daran kannst du jetzt sofort arbeiten. Wir beginnen bei uns, um dann die Mitmenschen positiv zu beeinflussen oder uns zumindest selbst wohler zu fühlen. Hierfür beschreibe dir zuerst etwas, was du für dich ausprobieren kannst.
Es gibt eine Methode, die im Kopf beginnt, um sich dann immer mehr im Herzen anzusiedeln: Sich jeden Tag schon beim Aufstehen für Liebe zu entscheiden. Liebe statt Angst. Es ist sehr simpel. Sich für Liebe zu entscheiden bedeutet: Sich selbst zu schützen, sich zu achten, sich viel Gutes zu tun. Genauso mit der Umwelt: Freundlichkeit statt Argwohn, sich höflich abgrenzen statt Streit, ein Kompliment machen anstatt zu sticheln, usw. Das Faszinierende ist, dass sich die Menschen anstecken lassen: Wenn eine einzige Person mit Liebe beginnt, merken sie das. Es verändern sich Kleinigkeiten. Und dann immer größere Dinge. Man muss sich das immer wieder klarmachen: Wenn ich Negatives sehe und denke, wird es immer wieder genau so kommen. Entscheide ich mich aber bewusst für das Schöne, Erfreuliche, Hoffnungsvolle, kann sich das auch einstellen. Das braucht Mut, Geduld - und den Glauben daran. Es ist dafür sehr effektiv, wenn man es konsequent umsetzt. Also: Mache Mut! Glaube an euch! Sage deinen Eltern, dass du sie liebst! Sage es allen Menschen, die du sehr gerne hast. Zeige deine Liebe. Auch wenn es wehtut und schwerfällt. Mit Angst, Hass und Abwertung bleibt die Abwärtsspirale bestehen. Mit Wertschätzung und Optimismus werden Brücken gebaut, wo vorher nur ein tiefer Abgrund war. Deine Schwester braucht z.B. das Gefühl, dass sie kein hoffnungsloser Fall ist. Das kannst du zumindest im Kleinen ausstrahlen, indem du neu denkst und handelst.

Nun zu deinen Eltern: Es gibt immer Lösungen. Sie müssen nur gefunden und umgesetzt werden. Du schreibst, deine Eltern haben große Angst. Und das ist etwas sehr Mächtiges. Nur kannst du sie fragen: Vor was genau habt ihr eigentlich Angst? Haben sie überhaupt schon einmal über eine gute Veränderung nachgedacht? Versuche, mit ihnen außerhalb der vier Wände in Ruhe zu reden. Macht eine Tour, eine Wanderung, geht irgendwohin, wo ihr lange und ungestört reden könnt. Nehmt euch Zeit. Lasst euch nicht einschüchtern!

Natürlich braucht ihr noch eine ganz andere Hilfen. Ich habe gesehen, dass du nicht aus Deutschland bist. Daher kann ich dir nur allgemeine Tipps geben - doch sicherlich gibt es bei dir ähnliche Angebote. Zunächst würde ich dir eine Familienberatungsstelle bzw. eine Suchtberatungsstelle ans Herz legen. Überrede deine Eltern, dass ihr zusammen dorthingeht! Denn das wäre der "Türöffner", um weitere Schritte einzuleiten. So könnten sich deine Eltern auch bewusst ihren Ängsten stellen und die Hilfen von außen annehmen.

Sollte das nicht sofort umsetzbar sein (bitte versuche es wenigstens alleine, einen Termin zu vereinbaren!), wäre noch der Gang zum Jugendamt (so nennt sich das in Deutschland) wichtig. Du bist ja schon 17, vielleicht könntest du mit der Unterstützung einer Behörde bald ausziehen. Es gibt Projekte wie Wohngemeinschaften für Jugendliche aus belasteten Familien, vielleicht auch bei dir.

Desweiteren habe ich noch einen Tipp, der sich auf deinen Alltagstrott bezieht: Du bist dort sehr stark eingebunden und wirst regelrecht ausgenutzt. Erstens wäre es klasse, wenn du dich in Abgrenzung üben würdest. Übe Aussagen wie "Nein, ich werde jetzt nicht putzen.", "Kümmert euch selbst.", "Mir geht es schlecht und brauche Zeit für mich" usw. Das nur als Beispiele. Es geht darum, dass du dich selbst aus diesem eingespielten Hin - und Her herausnimmst. Gehe viel mehr raus, zu Freund:innen, spazieren, sei einfach nicht dauernd verfügbar. Das ist deswegen so wichtig, weil du fast keine Kraft mehr hast. Und: Wenn du das System störst, indem du deine Rolle nicht mehr ausfüllst, müssen die anderen Familienmitglieder handeln. Wenn aber alle immer mitspielen, geht es immer so weiter.

Doch all das lässt sich am besten in der schon angesprochenen Beratung bzw. ggf. sogar Psychotherapie aufarbeiten und klären. Ich möchte dir einfach zeigen, dass du sehr viel verändern kannst. Glaube an dich! Es kann sich alles wenden - sei du der Anfang.

Ich habe dir noch ein paar Info-Links bezüglich Beratungsstellen etc. zusammengestellt:
* https://www.suchtschweiz.ch/rat-und-hilfe/unterstuetzung-finden/
* https://www.safezone.ch/suchtindex.html
* https://de.wikihow.com/Jemandem-helfen-eine-Heroinsucht-zu-%C3%BCberwinden

Du kannst übrigens den ganzen Ballast, den "Seelenmüll", in einem Tagebuch festhalten. Schreiben hilft enorm. Du wirst dabei Erleichterung verspüren. Und natürlich gibt es viele weitere Techniken und Tipps für Entspannung und Entlastung. Schau gerne hier im Kummerkasten-Archiv nach.

Ich wünsche dir alles erdenklich Gute, drücke dir die Daumen und sende dir stärkende Gedanken :)

Alles Liebe!
Nuala