Problem von ellen - 15 Jahre

brauche ich hilfe?

hallo liebes Kummerkasten Team
also erstmal ich bin Ellen 15 Jahre alt und ich habe ein Problem
ich weiß nicht wie es mir geht. ich fühle mich irgendwie leer. Oft fühlt es sich so an als wäre ich meinen freunden egal und sie hassen mich und brauchen mich nicht. Manchmal geht es mir so schlecht, dass ich denke ich benötige psychologische Hilfe doch in dem Moment indem ich mich dazu entschließe es meinen Eltern zu sagen denke ich plötzlich dass es mir doch super geht und das niemals brauche. Ich habe einen Minderwertigkeitskomplex. Ich war einmal bei der Schulpsychologin, aber die hat gesagt ich brauche keine Hilfe sie hat es so gesagt dass ich mich so gefühlt habe als hätte ich mir alles nur ausgedacht und eingebildet. Das tat irgendwie weh. Jetzt habe ich angst, dass es genau so laufen wird wenn ich bei einer Therapeutin bin. Ausserdem muss man ja am Telefon sein Problem schildern und ich habe absolut keine Ahnung, was ich da sagen soll weil ich ja selbst nicht mal weiß, was überhaupt mein Problem ist und wie es mir geht und ob ich das nötig habe. Ich denke einfach anderen geht es viel schlechter und ich habe keine Probleme. Habe ich es überhaupt nötig mir Hilfe zu suchen. ich habe irgendwie angst davor. ich weiß nicht was ich machen soll.
danke im Vorraus für die Antwort und ihr macht einen guten Job <3

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Ellen,

ich danke dir für deine Zeilen, auf die ich nun gerne eingehen werde.
Zunächst einmal finde ich es schade, dass die Schulpsychologin nicht mehr für dich tun konnte, wo für dich offenbar noch Bedarf gewesen wäre. Es ist auf jeden Fall blöd gelaufen, wenn man sich unverstanden und deswegen schlecht fühlt. Ich habe schon mehrmals Ähnliches erlebt und war dann teilweise ziemlich wütend. Es geht einfach nicht, Menschen etwas abzusprechen, was sie empfinden und wahrnehmen. Du bist nämlich die beste Expertin für dich selbst. Wenn du also spürst: Da ist etwas dauerhaft nicht in Ordnung, ich möchte Hilfe!, dann ist das immer ernstzunehmen.

Die grundlegende Frage, die sich mir stellt, lautet: Ist es so schlimm, dass du direkt in eine Psychotherapie gehen willst - oder kannst du dir auch andere Wege vorstellen? Ich kann leider nicht beurteilen, wie gravierend dein Leidensdruck ist. Das kannst nur du selbst. Es gilt die Faustregel: Wer über viele Wochen oder Monate im Tief steckt und sich nicht selbst befreien kann, der Alltag leidet, liebgewonnene Aktivitäten nicht mehr gemacht werden, andere Menschen gefährdet werden etc, dann ist der Gang zur Ärztin, zum Arzt für eine Abklärung zwecks Psychotherapie anzuraten.

Um dir einen genauen Überblick verschaffen zu können, kannst du zuerst mit deinem Hausarzt/deiner Hausärztin sprechen.
Außerdem gibt es psychologische Beratungsstellen. Dort kannst du schildern, was genau in dir vorgeht. Dann kann besprochen werden, ob es dafür relativ simple Mittel gibt (manchmal reichen schon ein paar veränderte Verhaltensweisen) oder ob die Probleme tiefer sitzen und daher eine Therapie die geeignetste Methode wäre.

Ob du Hilfe brauchst, kannst du auch herausfinden, wenn du mit dir in ein "inneres Zwiegespräch" gehst. Höre auf die leise Stimme in dir, die deine innere Weisheit darstellt. Vielleicht geht es dir schlecht, weil ihr in der Familie Stress habt. Vielleicht fühlst du dich mit dem Heranwachsen überfordert. Vielleicht kommt ganz viel zusammen. Schreibe dir am besten alles auf: Alles, was du schlimm findest, was nervt, belastet, kränkt, anstrengt, ankotzt. Jedes blöde Detail, traurige Augenblicke.
* Wann genau fühle ich mich minderwertig?
* Wer schafft es, dass ich mich niedergeschlagen fühle?
* Mit welchem Grundgefühl wache ich in letzter Zeit auf?
* Wie geht es mir im Tagesverlauf? Geht es mir morgens besser als abends oder umgekehrt?
...

Genauso wäre es toll, wenn du eine Positiv-Liste anlegen würdest - auch so detailliert wie möglich.
Diese kann auch über viele Tage hinweg entstehen.
Man kann auch ein ganzes Tagebuch der schönen Erlebnisse anlegen. Jede noch so winzige Freude, jede Zuversicht, jeder Genuss kann darin Platz finden.
Folgende Fragen kannst du dir stellen:
* Was macht, dass ich gute Laune bekomme?
* Mit wem verbringe ich am liebsten meine Zeit?
* Welche Interessen begleiten mich auch durch die blödesten Phasen?
* Was hat mich heute zum Lachen gebracht?
...
Du kannst dann ausgiebig darin schmökern und dich ergötzen, wie viel tatsächlich zusammenkommt, wenn man sich darauf konzentriert! Und es trägt dazu bei, den Blick konsequent auf das Gute zu lenken. Denn leider ist der Mensch genetisch bedingt auf das Wahrnehmen von negativen Dingen gepolt, um Gefahren frühzeitig erkennen zu können. Hier muss man also auf sein Denken achten. Jeder niederschmetternde Gedanke erzeugt entsprechende Gefühle, was wiederum dein Handeln negativ beeinflusst. Es fängt mit dem Gedanken an, geht über die Körperhaltung und fließt somit sozusagen in dein Alltagsleben. Und dein Umfeld spürt dann, dass du eine "abstoßende" Ausstrahlung hast. So entstehen Teufelskreisläufe, weil man selbst ja wiederum merkt, dass die Mitmenschen eine:n meiden und lieber etwas mit den Gutgelaunten unternehmen. So verfestigen sich dann blöderweise die Glaubensmuster á la "Ich bin nichts wert", "Ich werde missachtet", usw. Doch du kannst eben sehr viel dafür tun, damit sich dieser Teufelskreislauf nicht halten kann. Beobachte dich, schreibe viel auf, sei wachsam im Positiven! Und reagiere auf das Schöne, was sich im Kleinen zeigt. So kannst du nach und nach immer mehr Schönes bei dir halten und genießen.

Speziell das Thema Freund:innen will ich an dieser Stelle aufgreifen.
Vorausgesetzt, du hast echte Freund:innen, mit denen du nicht nur Zeit verbringst, sondern du zu ihnen eine Verbindung hast, die von Respekt und Vertrauen geprägt ist, hast du etwas ganz Wundervolles. Dann hast du beste Bedingungen, um das Positive, von dem ich geschrieben habe, anzuerkennen und immer wieder zu betonen. Hier kannst du üben! Übe dich darin, all das Gute zu sehen und zu würdigen. Sage es dir vor, auch wenn es dir schwerfällt, daran zu glauben, z.B.: "Ich freue mich so, dass X heute Nachmittag mit mir telefoniert hat.", "Ich genieße es, mit meiner Clique im Pausenhof zu sitzen."
Du kannst deinen Lieben auch ehrliche Komplimente machen und ihnen zeigen, wie sehr du sie magst. Das ist sozusagen der "soziale Klebstoff". Du wirst sehr wahrscheinlich ebensolche Zuneigung zurückbekommen. Wenn nicht gleich, dann etwas zeitverzögert.
Solltest du bemerken, dass du dich u.a. deswegen blöd fühlst, weil du (noch) keine wirklichen Freund:innen hast, darfst du dich auf die Suche nach genau jenen Leuten machen, die super mit dir harmonieren. Und die gibt es natürlich!

Du kannst darauf vertrauen, dass du ein ganz liebenswerter, wundervoller Mensch bist, der seinen Weg gehen wird. Du kannst darauf vertrauen, dass du immer das Beste verdient hast - und nicht die zweitbeste oder letzte Variante.

Falls du durch eine psychologische Beratung und Gespräche mit dir selbst und deinen Eltern zu dem Entschluss gelangen solltest, eine Therapie zu beginnen, hast du viele Gründe in dir gefunden.
Die Angst ist etwas, was dich hemmt, doch du kannst sie niederringen. Denn wenn du ein festes Ziel verfolgst, kann sie dich schon weniger beherrschen. Dein Ziel kann z.B. lauten, dass du ein erfülltes gesundes Leben führen willst - und dafür gerade den psychotherapeutischen Beistand haben willst. Außerdem kannst du du immer wieder sagen, dass deine Probleme ernst sind. Du hast das Recht, dich zu beklagen, wenn dir danach ist. Vergleiche dein Leid nicht mit anderen Leiden. Du fühlst dich schlecht und fertig. Das muss nicht verglichen und bewertet werden.

Übrigens musst du am Telefon nicht alles schildern, wenn du in einer Praxis anrufst. Dafür gibt es ja dann ein erstes Gespräch, um zu gucken, ob du dich da überhaupt wohlfühlst. Du kannst dann jederzeit abbrechen und sagen, dass du lieber mit einer anderen Person zusammenarbeiten möchtest. Hier kommt wieder dein Bauchgefühls ins Spiel - höre unbedingt darauf, um schlechte Erfahrungen zu vermeiden!

Ich möchte dich abschließend bitten, dir nochmals durchzulesen, was dir Julia damals geschrieben hatte.

Ich wünsche dir alles Gute!
Nuala